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Softwareprobleme sorgen für Zugverspätungen im Winter

Der Bahn fehlen für den Winterverkehr wichtige ICE-Züge, denn der Siemens-Konzern ist mit einer Lieferung im Verzug. Grund dafür sind Softwareprobleme.

Von Michael Watzke |
    Auf die wichtigste Frage kann Siemens-Sprecher Philipp Encz auch einen Tag nach dem Imagedesaster keine Antwort geben: Wenn nicht jetzt, wann dann wird Siemens die versprochenen ICE-3-Züge an die Deutsche Bahn liefern?

    "Zu diesem Zeitpunkt können wir das nicht sagen. Beide Unternehmen wussten, dass es sehr knapp werden würde mit diesem Termin. Wir haben aber beide bewusst viel Druck auf dem Kessel gelassen, damit die Züge doch noch rechtzeitig fertig werden können."

    Den Druck auf dem Kessel lässt die Bahn nun ab. Heute Mittag gab das Unternehmen in Berlin eine Pressekonferenz. Berthold Huber, der Vorstandsvorsitzende der DB Fernverkehr, nahm Siemens schon mal vorsorglich in Mithaftung dafür, dass es im kommenden Winter Probleme mit dem Fahrplan geben könnte.

    "Die Tatsache, dass Siemens die Züge jetzt nicht liefern kann, ist insofern besonders bedauerlich, als dass wir derzeit im Fernverkehr ja die höchste Nachfrage haben, die wir je hatten. Der Fernverkehr wird immer beliebter beim Kunden, und wir hätten die Züge einfach sehr gut gebrauchen können."

    Was die Bahn nicht sagt: Sie wusste seit Wochen, dass der Liefertermin im Dezember nicht zu halten war. Schließlich stellt Siemens die ersten acht Zuggarnituren nicht einfach auf den Hof der DB. Die Eisenbahner begleiten den Entwicklungsprozess des ICE 3 seit Monaten mit einem eigenen Team. Grund für die Verzögerungen sind nicht vorhandene Zulassungen für die hochkomplizierte Software der dritten Generation des InterCity-Express, sagt Siemens-Sprecher Encz.

    "Das sind Probleme mit der Zugsteuerung, die in den vergangenen Wochen bei Testfahrten identifiziert worden sind. Siemens bedauert diese erneute Verzögerung ausdrücklich. Und wir sind in ganz enger Abstimmung mit der Deutschen Bahn, um diese Probleme möglichst schnell beheben zu können."

    Die Zugsteuerung – das betrifft zum Beispiel Bremsen und Leitsysteme des "Velaro D", wie Siemens den ICE im internationalen Geschäft nennt. Der Münchner Konzern hat schon Dutzende Velaro ausgeliefert, nach Russland oder Spanien. Aber die spezielle Version für die Deutsche Bahn ist besonders kompliziert. Denn der Zug soll sieben verschiedene Gleisanlagensysteme in drei Ländern beherrschen: Deutschland, Frankreich und Belgien. Das überfordert bisher den Hauptrechner des Zuges, das Gehirn, wie es die Ingenieure nennen. Dort laufen alle Steuerungselemente zusammen: etwa das Nothalteprogramm, die Hochgeschwindigkeitsregelung, aber auch die Türverriegelungen, die Klimatechnik, das Bordinformationssystem. Mehr als 100 dieser Softwarekomponenten bezieht Siemens von Zulieferern. Und mit denen gibt es Probleme. Vor zwei Wochen hatte Siemens ein radikales Sparprogramm angekündigt. Sechs Milliarden Euro will der Konzern kürzen, auch bei den Zulieferern. Einen Zusammenhang mit den Problemen beim ICE 3 sieht Siemens aber nicht.

    "Es geht bei dem Kosten- und Effizienzprogramm darum, die Effizienz innerhalb des Unternehmens zu stärken. Um Doppelfunktionen abzubauen und das Kerngeschäft zu stärken. Die Zugtechnik ist natürlich ein Kerngeschäft und ein Wachstumsmarkt für Siemens, deshalb sehen wir hier in keiner Weise einen Zusammenhang."

    Mit welchen Lasten Siemens nun in Form von Strafzahlungen rechnen muss, lässt Sprecher Philipp Encz offen. Die FAZ beziffert die Verzögerungskosten auf über 100 Millionen Euro. Nicht eingerechnet ist der Imageschaden des Unternehmens. Siemens informierte die Öffentlichkeit gestern Abend um 17.39 Uhr – exakt neun Minuten nach Börsenschluss. Ein Zufall? Wohl kaum.