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SPD-Chefin Nahles
"Ganzes Bündel an Maßnahmen, das Mieter schützt"

Die SPD-Vorsitzende Nahles hat die Einigung mit der Union in der Wohnungsbaupolitik begrüßt. Es sei einiges auf den Weg gebracht, aber noch nicht genug. "Das Thema Wohnen hat tatsächlich im 2013er-Koalitionsvertrag nicht ansatzweise die Bedeutung gehabt, wie es jetzt in 2017/18 der Fall gewesen ist", sagte Nahles im Dlf.

Andrea Nahles im Gespräch mit Dirk Müller |
    Andrea Nahles auf der Zugspitze
    Andrea Nahles auf der Zugspitze (dpa/ Angelika Warmuth)
    Dirk Müller: Große Aufregung gestern bei der SPD, und das ganz, ganz oben, am höchsten Punkt Deutschlands, auf der Zugspitze bei den politischen Beratungen der Fraktionsspitzen aus Union und SPD. Aufregung wegen des Koalitionspartners, wegen Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, und dessen Rede von einer aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie. Nicht nur viele Genossen reagieren empört, verstört ob dieser Wortwahl; auch die Kanzlerin mahnt, das Klagerecht von Asylsuchenden steht bei uns nicht zur Debatte. – Am Telefon ist nun die SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles. Guten Morgen ins bayerische Murnau!
    Andrea Nahles: Ja, guten Morgen.
    Müller: Frau Nahles, ist Alexander Dobrindt noch Ihr Koalitionspartner?
    Nahles: Ja.
    Müller: Und da kann er sagen was er will?
    Nahles: Nee. Ich mache mir das überhaupt nicht zu eigen, was er da gesagt hat. Aber ich springe auch nicht über jedes Stöckchen, das er da hinhält. Offensichtlich ist die Not in Bayern vor der Landtagswahl besonders groß.
    Müller: Wir haben Sie gestern auf den Fernsehbildern – viele unserer Zuhörer werden das vielleicht auch gesehen haben in der Tagesschau und anderswo – strahlen sehen. Strahlen Sie jetzt lieber um die Wette in einem solchen Fall?
    "Mätzchen ein Stück weit cooler sehen"
    Nahles: Nein! Ich denke einfach, wir haben einen Beginn gemacht für konkrete Arbeit auf der Zugspitze gestern mit dem Koalitionspartner. Wir wollen den Koalitionsvertrag, der erst mal nur ein Stück Papier ist, jetzt auch in die Realität umsetzen. Unser Hauptthema war gestern, dass wir eine Wohnraum-Offensive für bezahlbares Wohnen in Deutschland auf den Weg gebracht haben. Und wie gesagt, diese ganzen Mätzchen, das sollte man auch mal ein Stück weit cooler sehen. Wir haben dazu auch eine Verabredung, genau zu dem Thema, wie wir damit umgehen wollen, und da soll der Herr Seehofer jetzt einfach mal seine Arbeit machen.
    Müller: Das haben Sie gestern schon gesagt. Aber wir reden ja über Alexander Dobrindt. Der kann Ihnen da in die Suppe spucken und alles verderben.
    Nahles: Wenn man ihn lässt. Ich habe da keine Neigung zu.
    Müller: Sie lassen sich das gefallen?
    Nahles: Nein. Das hat mit gefallen nichts zu tun. Es heißt nur, ich lasse mich nicht provozieren.
    Müller: Und Sie lassen das jetzt stehen, was er gesagt hat?
    Nahles: Nee. Ich habe dazu ja gestern gesagt, lesen Sie einfach mal, was im Koalitionsvertrag steht.
    Müller: Was steht denn da?
    Nahles: Dass wir natürlich auch über die Frage reden, wie wir mit dem Klagerecht der Asylbewerber umgehen etc., und das ist, ehrlich gesagt, lange diskutiert worden auch im Rahmen der Koalitionsverabredung, und von einer Industrie kann keine Rede sein. Aber natürlich muss man auch da vorurteilsfrei drüber reden können. Ich denke, ein bisschen mehr Coolnes und Koalitionstreue, wenn wir die Verabredung, die wir vor wenigen Wochen erst abgeschlossen haben, ernst nehmen, wäre allen gedient.
    Müller: Braucht Alexander Dobrindt vielleicht jetzt einen Sprach- und Wertekurs?
    Nahles: Nee. Das muss er selber wissen, ob er so was braucht.
    "Bin nicht die Governante von Dobrindt"
    Müller: Sie sagen, das ist ein Stöckchen. Ist das wirklich so?
    Nahles: Ich bin keine Gouvernante von Herrn Dobrindt, verstehen Sie, und ich finde, dass auch jetzt schon wieder viel zu lange darüber geredet wird.
    Müller: Wir haben gestern mit einigen Journalisten, mit Begleitern auch gesprochen, die gesagt haben, können wir überhaupt nicht verstehen, dass Andrea Nahles – Sie waren ja bereits am Sonntag, wenn wir das richtig verstanden haben, mit Alexander Dobrindt gemeinsam auf der Zugspitze -, dass Sie da offenbar keine klaren Worte gefunden haben. Ist das so?
    Nahles: Ich habe dazu jetzt das Nötige gesagt.
    Müller: Und das war es zu dem Thema?
    Nahles: Ja.
    Müller: Okay. – Das heißt, jetzt ist die Situation so, dass Sie sich heute freuen, die Digitalisierung in Deutschland aufzurufen?
    Nahles: Nein. Ich möchte noch mal darauf hinweisen, dass die wirklich präzise Verabredung vor dem Sommer das ist, was gestern für mich und die Menschen in Deutschland wohl auch wesentlich ist, nämlich dass wir zwei Milliarden in den sozialen Wohnungsbau investieren, dass wir uns gestern verabredet haben, dass endlich die Umlagen, die nach Modernisierung den Mietern aufgedrückt werden, reduziert werden, die sogenannte Modernisierungsumlage, dass es eine Kappungsgrenze geben soll, dass man nach einer Modernisierung nicht unendlich die Miete erhöhen kann. Das sind Punkte, die zu einer neuen sozialen Frage in vielen Ballungsgebieten worden sind. Darum haben wir uns gestern ganz konkret bemüht, auch über den Koalitionsvertrag hinaus konkret zu werden und das voranzupuschen, denn die Fraktionen spielen dabei natürlich eine große Rolle, die diese Koalition tragen.
    "Herausmodernisieren wird sogar zur Ordnungswidrigkeit erklärt"
    Müller: Aber Sie haben ja schon mal eine Mietpreisbremse beschlossen. Das hat nichts gebracht.
    Nahles: Die ist ganz schön wirkungsarm gewesen, weil die Union da einige Sachen verhindert hat, die wir jetzt durchgesetzt haben und auch einmütig durchgesetzt haben. Deswegen ist da ein neues Kapitel aufgeschlagen worden.
    Müller: Die Wohnungsbauwirtschaft sagt immer noch, das funktioniert nicht. Das hat sie damals auch gesagt. Da haben Sie auch argumentiert, alles Quatsch, diese Einwände, unsere Mietpreisbremse wird funktionieren. Sonst hätten Sie es ja nicht beschlossen.
    Nahles: Mit Verlaub: Es geht hier nicht nur um eine Mietpreisbremse. Ich habe ja gerade gesagt, worum es geht. Es geht zum Beispiel darum, dass man die Vormiete offenlegen muss als Vermieter. Es geht darum, dass wir das, was es kostet, ganz konkret die Modernisierung, nicht mehr auf die Mieter in die Höhe übertragen darf, so dass die gezielt herausmodernisiert werden können. Das gezielte Herausmodernisieren wird sogar zur Ordnungswidrigkeit erklärt. Das heißt, wir haben hier ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das die Mieter und diejenigen, die unter zu hohen Mietsteigerungen leiden, schützt. Und wir haben außerdem gesagt, wer neu bauen will oder Eigentum erwerben will, der bekommt im Jahr pro Kind 12.000 Euro Zuschuss. Wir wollen auch, dass Menschen, Familien …
    Müller: 1200!
    Nahles: Im Jahr sind es pro Kind 1200.
    Müller: Sie sagten 12.000.
    Nahles: Entschuldigung, da habe ich mich versprochen.
    Müller: Macht ja nichts! – Das ist ja schon teuer genug, Frau Nahles. Jetzt subventionieren Sie wieder die Besserverdienenden.
    Nahles: Nee. Das ist für kleine und mittlere Einkommen und das ist eine gute Hilfe, jungen Familien überhaupt zu ermöglichen, eigenes Wohneigentum zu erwerben. Wir haben außerdem gesagt, dass der Mietwohnungsbau angekurbelt werden soll. Gezielt in angespannten Wohnungslagen ist das dringend notwendig.
    Müller: Ich verstehe das nur alles nicht, weil Sie seit Jahren regieren und mitregieren, dass Sie jetzt so tun, als hätten Sie jetzt die Lösung gefunden. Was haben Sie die vergangenen Jahre denn gemacht?
    Nahles: Wir haben schon einiges auf den Weg gebracht, aber noch nicht genug. Das Thema Wohnen hat tatsächlich im 2013er-Koalitionsvertrag nicht ansatzweise die Bedeutung gehabt, wie es jetzt in 2017/18 der Fall gewesen ist.
    Müller: Sie sagen, das sind kleine und mittlere Einkommen. Wenn ich das jetzt hier richtig gelesen habe, geht es immerhin um Einkommen von bis zu 90.000 Euro im Jahr. Eltern, die das verdienen, bei einem Kind, die können in den Genuss dieser Förderung kommen. Ist das für Sie mittleres, unteres Einkommen?
    Nahles: Bis zu 90.000.
    Müller: Bis zu 90.000?
    Nahles: Ja, und alle, die darunter sind, und das ist genau kleinere und mittlere Einkommen.
    "Bauen in vielen Regionen fast undenkbar geworden"
    Müller: Sie könnten denen ja auch ein paar Steuern zurückgeben. Dann könnten die selbst entscheiden, was sie mit ihrem Geld machen.
    Nahles: Aber es geht ja gezielt darum, dass Wohneigentum erworben wird und gebaut werden kann von Familien in Deutschland, wo die Baukosten auch explodiert sind in den letzten Jahren, wo der Grundstückserwerb schon eine riesen Hürde ist. Ich komme aus der Eifel, da ist ein Grundstück noch nicht so ultra teuer, dass sich Normalverdiener kein Bauen leisten, wenn sie selber auch Hand anlegen. Aber es ist in vielen Regionen in Deutschland fast undenkbar geworden. Das kann ja nicht sein! Und das ist einer der Punkte, den wir auf diesem Wege verbessern.
    Müller: Und der Staat weiß das besser und soll das jetzt regulieren?
    Nahles: Wir regulieren gar nichts; wir fördern! Das ist was ganz anderes.
    Müller: Die Bremse ist eine Regulierung.
    Nahles: Ja. Das ist auch notwendig bei den Mieten, weil es da zu Missbrauch gekommen ist und weil die Leute in Quartieren, wo sie vielleicht seit Jahrzehnten leben, wo sie ihre Heimat haben im Prinzip - in bestimmten Städten ist das ja ganz dramatisch -, gezielt herausmodernisiert werden. Das finde ich einen Skandal und da wird ein Riegel vorgeschoben. Das finde ich sehr gut!
    Müller: Bei uns heute Morgen ganz früh im Deutschlandfunk SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles. Danke, dass Sie so früh für uns Zeit gefunden haben. Ihnen noch ein paar schöne Stunden in Bayern.
    Nahles: Danke sehr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.