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Spekulation oder Nachfragedruck

Die Inflation ist im Kühlschrank angekommen: Es ist nichts Abstraktes, Fernes mehr, was die Preise treibt, sondern Güter des täglichen Bedarfs: Butter und Milch, Strom oder die Heizung. Dass Unterhaltungselektronik immer billiger wird, fällt immer mehr Bürgern immer weniger auf. Zu den Verlierern dieser Inflation gehören Rentner und Arbeitslose.

Von Michael Braun und Brigitte Scholtes | 09.11.2007
    "Das ist sehr wichtig: dass wir tun, was notwendig ist, um Preisstabilität zu erhalten. Wir werden diese Aufgabe glaubwürdig erfüllen. Sie ist die Nadel an unserem Kompass."

    Der Präsident der Europäischen Zentralbank vermeidet es bei kaum einer Pressekonferenz, auf die wesentliche Komponente der Geldpolitik hinzuweisen: Preisstabilität. Denn nur so könne die EZB dafür sorgen, dass das Geld, in diesem Fall der Euro, seinen Wert zumindest annähernd behält. Das war trotz Mehrwertsteuererhöhung bis zum September in Deutschland auch weitgehend der Fall.

    Da sprang die Inflationsrate in Deutschland von 1,9 auf 2,4 Prozent - die höchste jährliche Teuerungsrate seit zwei Jahren. Auch im Oktober blieb es bei 2,4 Prozent. Die 1,7 Prozent Geldentwertung des Jahres 2006 scheinen weit weg. Es ist nichts Abstraktes, Fernes, Einmaliges mehr, was die Preise treibt. Butter zum Beispiel war im September im Schnitt 43 Prozent teurer, Speisequark um fast 26 Prozent, Vollmilch um 13,5 Prozent. Die Inflation ist sozusagen im Kühlschrank angekommen. Genaueres weiß Günter Elbel, Referatsleiter der Gruppe Preise im Statistischen Bundesamt:

    "Seit ein paar Monaten sind es vor allen die Energiepreise, also sowohl die Mineralölprodukte - Benzin oder leichtes Heizöl, als auch die Haushaltsenergie, also Strom, Gas, in der letzten Zeit kamen dann dazu einige Grundnahrungsmittel, also Milch, Butter, Brot, die schlagen sich allerdings jetzt auf den Gesamtindex noch nicht so stark durch, in der Vergangenheit haben die Lebensmittelpreise eigentlich die allgemeine Teuerung immer gedämpft. Das ist jetzt aktuell nicht mehr der Fall. Stabilisierend wirken die Mieten. Und preisdämpfend vor allem technische Produkte - denken Sie an PCs, denken Sie an Fernseher, denken Sie an Digitalkameras oder auch an Dienstleistungen wie Telekommunikations-Dienstleistungen, das sind Bereiche, wo wir im Vergleich in den letzten Jahren eigentlich immer echte Preisrückgänge ermitteln."

    Doch diese Preisrückgänge fallen den Bürgern kaum auf. Vielmehr sind es die Preiserhöhungen bei den Gütern des täglichen Bedarfs, die sie seit langem spüren:

    "Nicht nur Lebensmittel, vor allen Dingen die Energiekosten, die sind so hoch. Und am kleinen Mann - egal welche Regierung dran ist, das ist der kleine Mann, der wird immer mehr geschruppt das Gefühl hab ich. Ich werde jetzt 65 Jahre, ich habe immer gearbeitet, also ich bin nicht mehr zufrieden in Deutschland, wenn ich sehe, das ich so - praktisch - abgezogen werde."

    "Es ist ja alles teurer geworden, vom Strom - überall können Sie es merken, gehen Sie einkaufen, sie kriegen kaum noch etwas für ihr Geld. Und die Leute bekommen also nicht mehr Lohn und haben dann im Portemonnaie immer weniger, immer weniger und dann ist auch vollkommen klar, dass nicht mehr kauft wird, das ist eine Spirale und die dreht sich und dreht sich nach oben .... unendlich. "

    Diese letzte Antwort kam von der Pächterin eines Restaurants, die den eng gewordenen Geldbeutel ihrer Kunden an den eigenen Umsätzen spürt. Doch nicht nur Selbständige plagen Existenzsorgen, wenn steigende Preise zu Konsumverzicht führen. Es wächst offenkundig auch politische Unzufriedenheit. Dass es die Kleinen mit als erste trifft, wenn das Geld weniger wert wird, ist nicht nur eine Parole der Betroffenen, sondern gesicherte Erkenntnis. Professor Helmut Siekmann, geschäftsführender Direktor des neu gegründeten Instituts für Währungs- und Finanzstabilität an der Universität Frankfurt:

    " Rentner, Stipendiaten und vor allem die Bezieher staatlicher Transferzahlungen, auch sie gehören wohl zu den Verlierern in der Inflation. Lohn- und Gehaltsempfänger sind regelmäßig verhältnismäßig gut über Tarifverträge abgesichert. "

    Deutschland hat im 20. Jahrhundert zwei Hyperinflationen erlebt. Im Herbst 1923 brüstete sich die Reichsbank mit der Leistungsfähigkeit ihrer 30 Papierfabriken, die immer schneller immer neues Papiergeld druckten - und den Staat an den Rand eines Bürgerkrieges brachten. Dann verlor die Reichsmark nach dem zweiten Weltkrieg ihren Wert, bevor mit der Währungsreform des Jahres 1948 mit der D-Mark Stabilität einkehrte.

    Die schwankte freilich auch. 1951 lag die Inflationsrate bei 7,7 Prozent. Zwischen 1951 und 1980 waren es durchschnittlich 3,3 Prozent, zwischen 1970 und 1980, das war die Zeit der sozialliberalen Koalition, stieg der Schnitt auf 4,8 Prozent. Erst danach gingen die Inflationsraten zurück, vor allem zwischen 1992 und 2006.

    Ermittelt werden Preisveränderungen vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden. Das hat einen Warenkorb zusammengestellt, anhand dessen es die Preisentwicklungen ablesen kann, erklärt Günter Elbel, Referatsleiter der Gruppe Preise im Statistischen Bundesamt:

    " Das Gewicht für die Nahrungsmittel liegt bei etwa 13 Prozent, für die Miete liegt sie bei etwa 20 Prozent, wenn man Mittel-Kaltmiete macht, ist es aber viel mehr als das. Das sind zum Beispiel die Arzt-Praxisgebühren, da sind Ausgaben für Dienstleistungen, es ist der Handwerker dabei, den sie in Anspruch nehmen, es sind Pauschalreisen drin, es sind Bankdienstleistungen drin, es sind Versicherungsdienstleistungen drin, es sind Steuerberatergebühren drin, es sind Studiengebühren drin. Das ist wieder ein Effekt, der sich zum Beispiel in letzten Monaten auch deutlicher durchgeschlagen hat. "
    700 systematisch abgegrenzte Untergruppen gibt es in diesem Warenkorb. Und wie sich deren Preise verändern, das wird zum großen Teil vor Ort ermittelt:

    " Der größte Teil wird dezentral über Preiserheber ermittelt, das heißt wir haben ausgewählte Berichtsgemeinden, knapp 200 in Deutschland. In diesen Berichtsgemeinden werden die Geschäfte und andere Berichtsstellen ausgewählt, es sind also auch Handwerker, und Versicherungsvertreter und Ärzte und Rechtsanwälte, und diese Berichtsstellen werden von den Preiserhebern monatlich besucht und dann werden die Preise dort erhoben und halt auch festgestellt, ob sich irgendwelche Merkmale an diesen Gütern verändert haben. "

    Natürlich verändern sich Gebrauchsgewohnheiten, und so passen die Statistiker alle fünf Jahre den Warenkorb an, das nächste Mal wird das 2010 sein. Und ebenfalls alle fünf Jahre wird die Gewichtung der einzelnen Warengruppen überprüft, das nächste Mal geschieht dies Ende Februar des kommenden Jahres. Diese Werte beziehen sich immer auf die Verbrauchsausgaben privater Haushalte in Deutschland. Gerechnet wird für einen Durchschnittshaushalt.

    Weil es aber den "Durchschnittshaushalt" oder den "Normalverbraucher" nicht gibt, nimmt auch jeder Konsument Preisveränderungen anders wahr. Dabei spielen psychologische Effekte eine wichtige Rolle, meint Preisexperte Elbel:

    " Einer ist, dass man häufig gekaufte Waren sehr viel stärker in der Preisentwicklung wahrnimmt, also die Preiserhebung bei Butter, die im Augenblick stattfindet, wird sehr deutlich wahrgenommen, sie hat aber eine Verbrauchsbedeutung von etwas über 1 Promille 1,5 Promille. Im Vergleich dazu wird die Preisentwicklung bei Mieten z.B. nicht gesehen. Die hat sich möglicherweise übers letzte Jahr überhaupt nicht verteuert. Oder nur sehr moderat. Längerfristig gekaufte Güter werden auch nicht wahrgenommen - oder nicht in dem Umfang. Da gibt es so was wie eine Verlustaversion - also ein Haushalt, er nimmt Verluste deutlicher wahr als Gewinne, und Verluste heißt übersetzt auf die Preisstatistik, dass er Preisteuerungen deutlicher wahrnimmt, weil er sich darüber ärgert, als Preissenkungen. "

    Und schließlich liege es auch noch am unbestimmten Zeithorizont, mit dem man vergleiche: Wenn "früher" eine Kugel Eis einmal 10 Pfennig gekostet habe, heute womöglich einen Euro, dann liege dieses "früher" wohl eher 30 Jahre zurück. Seit der Euro-Einführung ist zudem der Begriff der "gefühlten Inflation" aufgekommen: Die Menschen verglichen bei der Euro-Umstellung die DM-Preise mit den Euro-Preisen. Und weil vor allem Gaststätten und Dienstleister wie Reinigungen oder Friseure die Euro-Umstellung zum Teil zu einer kräftigen Preisanhebung genutzt haben, hat sich bei den Menschen der Eindruck verfestigt, der Euro sei ein "Teuro".

    Volkswirte sorgen sich nun, dass diese "gefühlte Inflation" nicht nur eine Begleiterscheinung ist, die auf die Wirtschaftsentwicklung keinen konkreten Einfluss hat. So meint Andreas Scheuerle, Volkswirt der Dekabank:

    " "Wir wissen ja, dass Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie ist, Und das gilt umso mehr für den Konsumenten. Wenn der Konsument sich ärmer fühlt als er ist, dann wird er dennoch möglicherweise weniger ausgeben. Das kann eine ganz entscheidende Sache sein."

    Doch sind nicht nur die Preise gestiegen. Es hat in diesem Jahr nach langen Jahren der Lohnzurückhaltung auch kräftige Lohnzuschläge gegeben - und es wurden Jobs geschaffen. Im Oktober gab es noch 3,4 Millionen Arbeitslose, das waren 650.000 weniger als noch ein Jahr zuvor.

    Doch gerade diese hohen Einkommenszuwächse rufen die Europäische Zentralbank auf den Plan: Denn sie gefährden die Preisstabilität: Wenn mehr nachgefragt wird, steigen auch die Preise schneller. Diese Entwicklung beobachten die Währungshüter mit Argusaugen. In einer normalen Wirtschaftsumgebung würden sie deshalb wohl den wichtigsten Leitzins anheben, meint Schneider, aber ganz so einfach ist die Lage derzeit nicht:

    "Wir haben auf der einen Seite die Probleme an den Kreditmärkten, die Finanzmarktturbulenzen, die längst nicht ausgestanden sind, auf der anderen Seite ist die Geldpolitik auch durch die Ölpreissteigerung in Sorge um Inflationsrisiken, auch solche Risiken sind vorhanden und die Geldpolitik muss sie berücksichtigen. Meine Auffassung ist, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen unverändert lassen sollte, anders wäre es allerdings, wenn die amerikanische Wirtschaft in eine Rezession geht und wenn wir von der weltwirtschaftlich Seite dann doch eine nachhaltige Konjunkturverlangsamung haben sollten, dann wäre es auch angemessen, dass die EZB die Zinsen senkt."

    Das aber würde die wirtschaftliche Entwicklung wieder ankurbeln, weil Investitionen preiswerter finanziert werden könnten. Zu viel des Guten bläht jedoch die Menge des verfügbaren Geldes auf, dann geht der Zyklus von vorn los: bei zu starker Nachfrage steigen die Preise - und die Geldpolitik müsste wieder gegensteuern.

    Für die Notenbanken ist die Inflationsmessung immens wichtig: Eine Inflationsrate um die zwei Prozent, das wäre für die Geldpolitiker noch akzeptabel. Im September aber waren es in Deutschland 2,4 Prozent, nach der europäischen Statistikmethode, die leicht von der deutschen abweicht, sogar 2,7 gegenüber dem Vorjahr. Und im gesamten Euro-Währungsgebiet waren es im September 2,1, im Oktober aber schon 2,6 Prozent.

    Ein wenig hilft derzeit der starke Euro der Europäischen Zentralbank bei ihrer Geldpolitik. Sein momentaner Höhenflug ist wesentlich begründet in der Dollarschwäche: Die amerikanische Wirtschaft wächst nicht mehr so stark wie noch vor einigen Jahren, sie hat die Rolle der Konjunkturlokomotive an die Asiaten abgegeben. Das schwächt den Dollar, der Euro eilt deshalb in diesen Tagen von Rekord zu Rekord. Doch das hat auch sein Gutes, erklärt Rolf Schneider:

    "Also angesichts dieses Ölpreisschubes, den wir derzeit erleben, ist es natürlich ein glücklicher Umstand für die Verbraucher, dass der Euro so stark ist. Und wir haben derzeit, trotz der nun wirklich gigantischen Preissteigerung bei Öl, eine Situation, in der die deutschen Importpreise, was importiert wird aus dem Ausland nur 1 oder 2 Prozent über den Vorjahr liegt, das ist zu guten Teilen dem sehr starkem Euro zu verdanken. Das heißt, ohne diese Entwicklung wäre die Inflationsrate sicherlich nicht - wie wir im Augenblick haben 2,4 Prozent - sondern vermutlich nahe bei 3 Prozent."

    Das erspart der EZB also eine Zinserhöhung, die im wirtschaftlich unsicheren Umfeld an den Finanzmärkten derzeit nicht gut ankäme. Es ist überhaupt die Frage, ob eine Zentralbank mit ihren Mitteln, mit der Zinspolitik also, die aktuelle Inflation bekämpfen kann. Sie kann vielleicht die so genannten Zweitrundeffekte eindämmen, kann verhindern, dass Unternehmer und Tarifpartner die steigenden Öl-, Rohstoff- und Lebensmittelpreise zum Anlass nehmen, um Endverbraucherpreise und Löhne zu erhöhen und noch was draufzuschlagen.

    Gegen solche Zweitrundeneffekte kann eine Zentralbank indirekt vorgehen. Aber die Ursachen - zum Beispiel des hohen Ölpreises - zu bekämpfen, dürfte ihr kaum möglich sein.

    Derzeit gibt es zwei wesentliche Ursachen für die Inflation: die Spekulation und ein Umkehreffekt bei der Globalisierung.

    Experten sind sich einig, dass etwa der Ölpreis derzeit nicht nur steigt, weil es großen Ländern wie China und Indien gut geht, weil es also neue große Nachfrager nach Öl gibt und die Weltwirtschaft wächst. Ganz wesentlich drücke derzeit auch die Spekulation auf steigende Preise den Ölpreis immer weiter nach oben, sagt Klaus Holschuh, der Chefvolkswirt der DZ Bank.

    "Es ist jede Menge Spekulation. Dieser Dollarpreis ist ja der Preis an Terminmärkten. Und diese Terminmärkte werden heute zu 80, 90 Prozent von Finanzinvestoren bestimmt und nicht von den sogenannten Professionals, also die Leute, die im Ölgeschäft sind, als Förderer, als Raffinerieunternehmen, als Großhändler. Und hier wird dann drauf spekuliert, der Preiswert der steigt. Diese Spekulation geht so lange bis die Blase mal wieder platzt. Dann kriegen wir eine Korrektur. Wir gehen im nächsten Jahr durchaus von einem Ölpreis zwischen 65 und 70 Dollar aus, dass heißt also, wir haben schon eine Korrektur verdient. In diesen Preisen steck deutlich zuviel Erwartung drin. "

    Auch Alfred Roelli, Anlagestratege der Schweizer Privatbank Pictet, erklärt den hohen Ölpreis nicht nur mit der bevorstehenden Heizperiode, sondern in erster Linie mit dem risikoreichen Tun von Spekulanten:

    " "Die Hedgefonds haben zum Beispiel jetzt die Rohstoffmärkte erkannt. Früher waren nur einige wenige beteiligt. Jetzt machen sie zum Teil die Märkte. Also da ist sehr viel Spekulation dabei. Ich glaube nicht, dass die Ölpreise permanent auf diesen Niveaus bleiben werden, weil die Substitution, die Suche nach neuen Methoden der Energieproduktion, ist voll im Gang. "

    Diese Suche nach Alternativen wirkt aber andererseits auch wieder preistreibend. Denn Biodiesel und Bioethanol, Treibstoffe aus pflanzlichen Rohstoffen also, konkurrieren um die Anbaufläche, die zur Produktion von Lebensmitteln gebraucht wird. Die wird zunehmend knapper, auch weil mehr Menschen in der Welt besser leben wollen - und es sich auch leisten können. David Milleker, Chefvolkswirt von Union-Invest:

    " Das ist so ein bisschen die Kehrseite der Globalisierung, die wir im Augenblick erleben. Globalisierung heißt Industrialisierung in Entwicklungsländern, heißt dann natürlich auch, billige Importgüter, nur um diese Industrieproduktion in den Entwicklungsländern machen zu können, brauchen die halt sehr, sehr viel Rohstoffe. Das treibt die Preise enorm nach oben und das Entwickeln einer Mittelschicht heißt halt ganz banal: Die Leute essen mehr Fleisch. Und Fleisch braucht ungefähr zehnmal soviel an Ressourcen, wie wenn Sie dieselbe Nahrungsmenge an Getreide zu sich nehmen. "

    Der Schweizer Privatbanker Roelli stellt sich darauf ein, dass dies nicht nur ein kurzfristiger Trend ist. Er glaubt an eine Trendwende hin zu wieder mehr Inflation:

    Seine Begründung: Die Schwellenländer drücken nicht mehr auf die Löhne und Preise, liefern nicht mehr nur billige Produkte, zahlen nicht mehr nur dramatisch niedrigere Löhne, wollen nicht mehr nur wachsen - ohne Rücksicht auf die Umwelt, sondern treten vielmehr selbst als Nachfrager auf. Als lohn- und damit inflationstreibender Faktor komme außerdem die demographische Entwicklung in den meisten Industriestaaten, zumindest in den europäischen, hinzu, so Roelli,:

    " Wenn wir eine Übelalterung haben, haben wir wenige Arbeitskräfte. Wir sehen das bereits jetzt. Wir haben Knappheit bei qualifizierten Arbeitskräften überall. Das heißt, die Lohnkosten können auch nicht mehr gedrückt werden, wie das ja auch der Fall war über die letzten 10, 20 Jahre tendenziell. Die Lohnkosten haben keinen Fortschritt mehr gemacht. Also auch da sogar interne Faktoren in unseren eigenen Ländern, die zu Veränderungen von Kapital- und Arbeitspreis führen werden. Und letztlich sind ja die Lohnkosten - das ist das gefährliche, was die Inflation wirklich treibt. Wenn die Lohnkosten beginnen zu steigen, dann schlägt das voll durch. "

    Wenn es so kommt, werden Bevölkerung und Politik damit leben müssen. Aber ein Leben mit der Inflation birgt Risiken, sagt Professor Helmut Siekmann vom Institut für Währungs- und Finanzstabilität an der Universität Frankfurt:

    " Eine Hyperinflation, wie nach dem ersten und nach dem zweiten Weltkrieg ist mit Sicherheit auch politisch destabilisierend. Eine schleichende Inflation, wie wir sie seit den Fünfzigerjahren erlebt haben, wirkt nicht gleichermaßen. Ab einer bestimmten Schwelle, der Preissteigerungsraten, ist aber anzunehmen, da sie sich destabilisierend auswirken, wenn sie sich über mehrere Jahre hinziehen. "

    Vielleicht ist es ja noch nicht so weit. Zwei Monate mit einer Inflationsrate von 2,4 Prozent in Deutschland oder 2,6 Prozent in Euroland sind statistisch nicht relevant genug, um eine grundlegende Trendwende zu beweisen. Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, geht deshalb erst einmal von einem so genannten Inflationsbuckel aus:

    " "Wir müssen uns der Tatsache bewusst sein, dass wir einen Buckel haben. Und das hat einige Gründe, die wir beachten müssen. Deshalb wird die Preissteigerung ganz deutlich über 2 Prozent liegen. Ich erwarte, dass sie sich nach und nach im kommenden Jahr wieder zurückbilden wird, wir sollten diese Inflationsrate also nicht als dauerhaft ansehen. Sie wird eine vorübergehende Erscheinung sein und wir werden dafür sorgen, dass sie vorübergehend ist."

    Und das wird die Zentralbank tun, indem sie die Entwicklung sehr genau beobachten wird und notfalls den Leitzins anhebt.