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Spielbetrieb mit Risiko
Die maroden Frankfurter Bühnen

Die maroden Bühnen werden zum Wahlkampfthema in Frankfurt am Main, wo im Februar gleich drei kulturbegeisterte Frauen um das Oberbürgermeister-Amt kandidieren. Sanieren für rund 900 Millionen Euro oder neu bauen, ist die Frage. Aktuell passiert allerdings recht wenig.

Von Ludger Fittkau | 26.11.2017
    Oper und Schauspiel in Frankfurt am Main (Hessen), aufgenommen am 09.12.2013. Schauspiel und Oper teilen sich in Frankfurt ein Gebäude, das an Schlichtheit kaum zu überbieten ist. Mitte Dezember 1963 wurde es eröffnet.
    Extrem teuer zu sanieren und ein Politikum angesichts der bald anstehenden Oberbürgermeister-Wahlen: die vor 54 Jahren eröffneten Städtische Bühnen Frankfurts (picture alliance/dpa - Daniel Reinhardt)
    Die mehr als ein halbes Jahrhundert alte Doppelbühne für Oper und Schauspiel ist in die Jahre gekommen, die Haustechnik ist marode, das Dach undicht. Doch nachdem das Architekten- Gutachten im Sommer den ungeheuren Finanzbedarf für das große kommunale Theater festgehalten hatte, war in Frankfurt am Main eine Art "Schockstarre" eingetreten. Die will Bernadette Weyland nun auflösen. Sie ist ehemaliges Mitglied des documenta-Aufsichtsrates und nun CDU-Kandidatin für die Oberbürgermeister-Wahl im Februar 2018:
    "Ich glaube, man kann nicht wegschauen und das Thema rausschieben. (...) Frage: Ist Umbau im Bestand möglich? Was fällt realistisch an. Denn die fast eine Milliarde, die genannt werden, ist ja keine valide Zahl. Und drittens, wie sieht es aus, wenn wir einen anderen Standort haben möchten."
    Einen anderen Standort für die städtischen Bühnen, den möchten aber bisher die wenigsten in Frankfurt am Main. Die Intendanten von Schauspiel und Oper nicht und auch zwei von drei Parteien der regierenden Koalition nicht, betont Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD):
    "Das ist zumindest in meiner Fraktion, in der SPD Konsens und auch bei den Grünen und ich hoffe, dass die CDU sich (…) auch für den Erhalt dieses wunderbaren Standorts erwärmen wird am Ende des Tages."
    Aufsichtsrätin (Grüne): "Standort unwahrscheinlich wichtig"
    Das hofft auch Nargess Eskandari-Grünberg. Die in Teheran geborene Politikerin der Grünen sitzt im Aufsichtsrat der Städtischen Bühnen von Frankfurt am Main und ist die aktuelle OB-Kandidatin ihrer Partei:
    "Für mich persönlich, die seit 30 Jahren als Kulturliebhaberin in Frankfurt lebt ist dieser Standort unwahrscheinlich wichtig im Herzen der Stadt. Aus meiner Sicht muss das hier bleiben. Ich würde mir wünschen, dass es saniert wird."
    Nein, eine Sanierung sei wohl nicht möglich. Das sagt Janine Wissler. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei und Mitglied im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst des hessischen Landtages. Janine Wissler vertritt die Linken im Frankfurter OB-Wahlkampf:
    "Wir als Linke hatten vor einigen Wochen einen Termin mit dem Betriebsrat der Städtischen Bühnen. Und ich finde, da sollte man auch am besten die fragen, die das Gebäude am besten kennen und die die Arbeitsbedungen dort kennen. Und wir haben über die verschiedenen Konzepte gesprochen auch über die Frage, ist eine Sanierung möglich und die haben mich überzeugt, dass eine Sanierung des Gebäudes nicht möglich ist."
    Kulturdezernentin (SPD) fordert Geduld
    Neubau oder Sanierung - der Frankfurter Opernintendant Bernd Loebe fordert, dass der Entscheidungsprozess beschleunigt wird. Er wirft dem amtierenden Oberbürgermeister vor, er wolle die Zukunft der städtischen Bühnen vor der Wahl im Februar 2018 nicht mehr öffentlich diskutieren, um die Wähler nicht zu verprellen. Dadurch gehe jedoch wertvolle Zeit verloren. Der SPD-Oberbürgermeister Peter Feldmann, der wiedergewählt werden will, bezieht zu diesem Thema gegenüber dem Deutschlandfunk keine Stellung. Feldmann verweist an die SPD-Kulturdezernentin Ina Hartwig, die Geduld fordert:
    "Bei allem Verständnis für die Äußerung der Intendanz, denn sie müssen bedenken, dass sind ja diejenigen, die am Ende den Prozess stemmen müssen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der städtischen Bühnen, die müssen das dann stemmen, alltäglich. Und ich habe großes Verständnis dafür, dass sie sich Planungssicherheit wünschen. Auf der anderen Seite handelt es sich um eine so komplexe Aufgabe, die wirklich wohl bedacht sein muss, bevor wir hier zu einer Lösung kommen (…) Wir sind im Moment dabei, das stadtintern mit der stadtinternen Expertise zu prüfen. Es wird dann irgendwann auch den Schritt geben müssen, externe Berater und Beraterinnen hinzuzuziehen."
    OB-Kandidatin der CDU: dringende Auseinandersetzung nötig
    Warum aber werden diese externen Berater nicht sofort hinzugezogen? Das fragt wiederum Bernadette Weyland, die Oberbürgermeister-Kandidatin der CDU:
    "Und ich glaube dringend, dass sich ein Kreis von Experten bilden muss, das fordere ich nicht alleine, die sich mit dieser Thematik dringend auseinandersetzen müssen."
    Nargess Eskandari-Grünberg von den Grünen will jedoch eines nicht den Experten überlassen: Die öffentliche Debatte darüber, welche gesellschaftliche Funktion das Theater heute habe. Die Diskussion um die Zukunft der Städtischen Bühnen Frankfurt am Main dürfe nicht auf den Geldaspekt reduziert werden, unterstreicht die Grüne Kulturpolitikerin:
    "Wir müssen häufiger über Kultur diskutieren, über das Theater. Was bedeutet Publikumswille, was Kultur in einer Großstadt? Diese Debatte sollten wir nicht stoppen, wenn das Finanzproblem da ist, sondern diesen Prozess sollten wir in Gang bringen."