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Strahlender Abfall

Umwelt. - Früher diente das Bergwerk Asse in Wolfenbüttel der Gewinnung von Kali- und Steinsalz. 1965 wurde der Salzstock umgewandelt in ein Lager für strahlenden Abfall aus deutschen Forschungseinrichtungen. Doch das Lager hat einen Pferdefuß: der Schacht ist instabil. Dagmar Röhrlich berichtet im Gespräch mit Ralf Krauter über die jüngsten Erkenntnisse.

    Ralf Krauter: Seit Jahren bringen beträchtliche Mengen Wasser in die Grube und drohen, eine radioaktive Suppe in das Grundwasser zu spülen. Lösungsvorschläge liefern soll ein Gutachten für das niedersächsische Umweltministerium, das morgen veröffentlicht wird. Meine Kollegin Dagmar Röhrlich weiß heute schon Bescheid und ist jetzt bei uns im Studio. Um wie viel radioaktiven Müll geht es denn eigentlich?

    Dagmar Röhrlich: Bis 1978 sind da 125.000 Fässer mit schwach aktivem Müll eingelagert worden. Und man weiß jetzt nach dem Gutachten, dass da so plus minus 135 Fässer verdächtig sind. Denn es hat Fässer gegeben, die für die Asse gepackt worden sind, dann aber nie dort eingelagert wurden. Das ist später kontrolliert worden und da hat man gemerkt, dass bei einigen dieser Fässer nicht das darin ist, was auf der Liste steht, sprich schwach radioaktiver Müll. Sondern, dass dieser Müll höher aktiv ist, also mittelradioaktiver Müll, der höhere Konzentrationen an radioaktiven Substanzen enthält. Wenn man davon ausgeht, dass davon noch einmal 135 Fässer drinnen sind, die nicht so sind wie gedacht, kann man bei dem Rest ja nur glauben, dass es wirklich alles so ist. Zu diesen schwach aktiven 125.000 kommen noch einmal 1000 mittelaktive.

    Ralf Krauter: Warum macht man sich jetzt aktuell solche Sorgen? Das kocht ja jetzt ein bisschen hoch, auch medial. Dieser Wassereinbruch, der da mit Grund zur Sorge macht, den gibt es ja schon seit Jahren. Warum gerade jetzt so viel öffentliche Aufmerksamkeit?

    Röhrlich: Hochgekocht ist das Ganze, weil 80 Kubikmeter radioaktiv belasteter Lauge in diesem Bereich, wo die Fässer eingelagert worden sind, austreten beziehungsweise dort noch drin sind. Diese Lauge macht Sorgen und man hatte, weil man für den Verschluss dieses Bergwerks, was jetzt sozusagen endgültig abgewickelt werden soll, dort verschiedene technische Barrieren einrichten wollen, um es sicher auf lange Zeit zu machen. Und damit die Leute dort arbeiten konnten, hat man es einfach runter gepumpt. Nach Bergrecht ist das auch gar kein Problem, man hat es von 750 auf 950 Meter Sohle herunter gebracht. Aber nach Atomrecht hätte es da Genehmigungen geben müssen und das hat man einfach nicht eingeholt. Und deshalb ist das hochgekocht. Man hat versprochen, die Abwicklung dieses Bergstocks läuft nach Atomrecht und jetzt ist doch in vielen Fällen an das Bergrecht, das ganz andere Anforderungen hat, maßgeblich gewesen.

    Krauter: Das klingt ja nun erst einmal nach einem juristischen Streit. Das wird ja nicht der Grund sein, dass die Anwohner wirklich besorgt sind. Wie akut ist denn der Handlungsbedarf?

    Röhrlich: Der Handlungsbedarf ist deshalb akut, weil wir dort eben diesen Laugeneinbruch haben. Jeden Tag sickern - auf der 500-Meter-Sohle hat es damit angefangen - 12,5 Kubikmeter Wasser herein. Und inzwischen arbeitet sich diese Flüssigkeit, das ist salziges Grundwasser, immer weiter nach unten vor. Jetzt ist es auch schon 100 Meter tiefer als es anfangs gewesen ist, das heißt, es kommt so langsam in die Nähe der Einlagerungskammern, die auf der 750 Meter-Sohle sind.

    Krauter: Das heißt, der Schacht läuft allmählich voll?

    Röhrlich: Das Bergwerk läuft so allmählich voll, das ist die Befürchtung. Und deshalb muss man handeln. Man hat mal ausgerechnet, wie lange ist das eigentlich standsicher, das heißt, wie lange kann man dort unten arbeiten, ohne dass es zusammenbricht. Das ist bis 2014 der Fall, plus minus vielleicht ein paar Jahre. Aber durch diesen Wassereinbruch ist es einfach nicht vorherzusagen, der kann auch 2011 sein. Das macht das Ganze ziemlich riskant.

    Krauter: Das heißt, man muss dringend etwas tun. Welche Optionen stehen denn jetzt zur Debatte?

    Röhrlich: Um den Verschluss zu gewährleisten, ist es so, dass das Helmholtz-Zentrum einen Plan vorgelegt hat, der jetzt aber erst einmal, weil er nicht vollständig war, nachgebessert werden muss. Man möchte dort Strömungsbarrieren aus Beton einbauen, um diese Kammern herum, so dass das, falls das Grundwasser von außen eindringt, es quasi wie an einem Damm abgeleitet wird, so dass es innen trocken bleibt. Dazu möchte man dann auch diese Zonen, wo das Gestein um die Kammern herum, in denen der Müll eingelagert wurde, aufgelockert ist, möchte man ein Schutz-Fluid einbringen, damit es da halt nicht eindringen kann und auch diese Kammern nicht weiter zusammen gepresst werden können, so dass es da wirklich eine Rinde, die sicher ist, um ein trockenes Herz geschaffen wird. Im Modell sieht das auch ganz toll aus, aber das Problem ist eben, es ist ein altes Bergwerk, das schon immer Probleme gemacht hat. Da hat es schon immer Wassereinbrüche gegeben. Man hatte dort Bergbau betrieben, hat das Salz rausgeholt, Strecken gebaut, dazu den Untergrund aufgelockert, nachher wieder zugemacht, zugekippt, man hat Bohrlöcher gehabt, wo dann das Salz von der einen Sohle auf die andere herunter gekippt wurde. Sprich, man weiß gar nicht, wo über alle die Wege sind, die eine Flüssigkeit nehmen kann, und deshalb ist es wirklich die Frage, dieses schöne Konzept mit dieser Rinde um die Kammern herum, die sie trocken hält, ist das wirklich so oder findet die Flüssigkeit, dieses Grundwasser, was von außen hereinkommt, nicht doch einen Weg hinein.

    Krauter: Wäre es bei solchen Unsicherheiten nicht cleverer, den strahlenden Müll an die Oberfläche zu holen und woanders sicher zu verstauen?

    Röhrlich: Die Frage ist, ob das geht. Bei den mittelaktiven Fässern könnte das gehen, die sind nicht zugeschüttet worden, die stehen in den Kammern und die könnte man wahrscheinlich wieder herausholen. Bei den schwach aktiven hat man einfach Salz darauf gekippt und die sind zum Teil schon durchgerostet, da ist ja auch die radioaktive Lauge ausgetreten. Man weiß einfach nicht, wie das aussieht, man hat 135 Überraschungseier da drinnen, also Fässer, wo man gar nicht weiß, in welchem Zustand die sind, aber weiß, die sind höher belastet. Und dann müssten die Leute in Vollschutzanzügen arbeiten, da läuft einfach die Zeit weg. Man muss jetzt eh erst einmal geophysikalisch untersuchen, wie sieht der Stock genau aus, wie ist die Kammer geschützt, was muss ich alles machen, und man hat wahrscheinlich einfach nicht die Zeit, die 125.000 Fässer herauszuholen.

    Krauter: Wie geht es jetzt weiter, was ist der weitere Zeitplan?

    Röhrlich: Jetzt ist es so, dass bis Anfang des Jahres nachgeschaut werden soll, ist dieser eine Plan wirklich so gut, dass erer nachgebessert wird mit dieser Rinde um die Kammer herum, oder was sind die anderen Optionen. Gibt es da vernünftige, gibt es da zeitlich machbare, denn da arbeitet man jetzt wirklich gegen die Zeit. Und im schlimmsten Fall könnte es passieren, dass der Wassereinbruch so ist, dass sich große Teile des Salzstocks auflösen, die dann nachkippen, unten einstürzen und dann kontaminiertes Wasser dann hoch gepresst wird und in den Grundwasserleiter gerät. Man arbeitet dann wirklich gegen die Zeit.