Archiv

Streit um die Hagia Sophia in Nizäa
Historisches Gebäude der frühen Christenheit in der Türkei wurde in eine Moschee umgewandelt

Bis zur osmanischen Eroberung im 14. Jahrhundert war die Hagia Sophia im türkischen Iznik eine christliche Kirche - danach eine Moschee. Seit der Gründung der Türkischen Republik wurde das Gebäude als Museum genutzt - bis vor einigen Wochen plötzlich Lautsprecher auf das Minarett gehievt wurden.

Von Susanne Güsten |
    Kirche, Moschee, Museum - und jetzt wieder Moschee: Die Einwohner von Iznik fühlen sich überrumpelt.
    Kirche, Moschee, Museum - und jetzt wieder Moschee: Die Einwohner von Iznik fühlen sich überrumpelt. (picture alliance / imageBROKER)
    Eine deutsche Besuchergruppe in der Hagia Sophia von Nizäa, türkisch Iznik. Christliche Besucher aus aller Welt pilgern in die türkische Kleinstadt, um die alte Kirche zu besuchen, in der einst Religionsgeschichte geschrieben wurde. So auch diese deutsche Reisegruppe, die im vergangenen Jahr in der Hagia Sophia ihr Dankeslied anstimmte.

    Doch lange währte der Lobgesang nicht. Schon nach wenigen Strophen tauchten türkische Behördenvertreter am Schauplatz auf. Ein Problem gebe es hier, erklärte der Landrat von Iznik den verdutzten Touristen: Gottesdienste seien in der Hagia Sophia von Nizäa verboten, ebenso wie in der großen Schwesterkirche in Istanbul. Die Regel stammt von Staatsgründer Atatürk, der damit religiösen Unfrieden zwischen Christen und Moslems verhindern wollte: Nachdem sie Jahrhunderte lang als Kirche und weitere Jahrhunderte lang als Moschee genutzt wurde, sollte die Hagia Sophia in der modernen Republik nur noch als Museum dienen.

    Umso überraschter waren die Bewohner von Iznik, als vor einigen Wochen plötzlich Lautsprecher auf das osmanische Minarett an der Hagia Sophia gehievt wurden. Dann ging alles ganz schnell. Das Schild mit der Aufschrift "Hagia Sophia Museum" wurde ausgetauscht gegen ein Schild, das den Bau als Moschee ausweist – und bevor die Kleinstadt sich versah, wurde die Hagia Sophia im vergangenen Monat mit einem feierlichen Gebet als Moschee in Betrieb genommen. Der türkische Vize-Ministerpräsident Bülent Arinc persönlich verkündete die Botschaft:

    "Heute ist ein wichtiger Tag, denn wir haben das Erbe unserer Vorfahren angetreten und die Hagia-Sophia-Moschee in Iznik wieder eröffnet."

    Applaus von seinen Anhängern erntete Arinc in seinem Wahlkreis für diesen Coup, doch in Iznik raufen sich Einwohner, Geschäftsleute und Lokalpolitiker die Haare. Iznik lebe schließlich vom christlichen Glaubenstourismus, erinnerte die Handelskammer der Kleinstadt, die scharf gegen die Entscheidung der Behörden in Ankara protestierte. An Moscheen gebe es in Iznik keinen Mangel, kritisierte auch die Lokalpresse, wohl aber an alternativen Attraktionen für den Tourismus. Gürhan Akdogan, der örtliche Oppositionschef, richtet bittere Vorwürfe an den Vize-Ministerpräsidenten:

    "Iznik bemüht sich seit längerer Zeit um den christlichen Glaubenstourimus – da ist viel investiert worden. Unser Gouverneur hat sich sogar mit dem Vatikan in Verbindung gesetzt, um den Glaubenstourismus zu fördern und auszubauen. Aber dann hat Herr Arinc einmal Iznik besucht und der Behörde in Ankara aufgetragen, sofort eine Moschee daraus zu machen. Und die haben das getan."

    Die Kleinstadt sei von Ankara völlig überrumpelt worden, kritisiert Akdogan:

    "Diese Entscheidung ist handstreichartig von oben verfügt worden, ohne dass die örtlichen Behörden und Vereine und die Öffentlichkeit auch nur davon wussten, geschweige denn gefragt worden sind. Da wird ein Museum über Nacht kurzerhand zur Moschee erklärt - so einfach soll das gehen."

    Vize-Ministerpräsident Arinc verbittet sich die Kritik an seiner Initiative. Christen gebe es in Iznik schließlich schon lange nicht mehr, sagte er:

    "Der osmanische Eroberer Orhan hat diesen Bau zu einer Moschee gemacht, als er die Stadt vor 700 Jahren einnahm. Das war sein Recht als Eroberer. Nun gibt es heute Leute, die sagen oder schreiben, die Hagia-Sophia-Kirche werde zur Moschee gemacht. Wenn sie das aus Unwissenheit tun, dann müssen wir sie belehren: Dieses Haus ist Gott sei Dank seit fast 700 Jahren eine Moschee; dieses Haus könnt ihr nicht als Kirche bezeichnen."

    Dass die Hagia Sophia von Nizäa wieder zur Kirche werden solle, das verlangen freilich nur die wenigsten in Iznik. Viele fordern aber die Rückkehr zum bisherigen Status Quo eines Museums, das allen Besuchern gleichermaßen offensteht. Das wünscht sich auch das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel, das die Umwandlung in eine Moschee ausdrücklich bedauerte. Doch Ankara zeigt sich unbeugsam. Einen Kompromissvorschlag der Handelskammer von Iznik, wonach außer moslemischen auch christliche Gottesdienste in der Hagia Sophia erlaubt werden sollten, lehnte die zuständige Behörde dort rundweg ab. Das komme nicht in Frage, sagte Behördenchef Adnan Ertem:

    "Dies ist eine Moschee, und sie wird als Moschee genutzt werden. Neben Moslems auch Christen hier ihre Gottesdienste verrichten zu lassen, erscheint uns unpassend."