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Streit um Erdogan
Morddrohungen gegen "Spiegel"-Korrespondenten

Der Streit zwischen den Anhängern und Gegnern des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat dazu geführt, dass das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" seinen Korrespondenten aus dem Land zurückholt. Neben unzähligen Hassmails erhält dieser wegen eines kritischen Artikels auch Morddrohungen.

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    Das Spiegel-Gebäude in Hamburg (Bild: dpa / Bodo Marks) (Bodo Marks/dpa)
    Hasnain Kazim ist 39 Jahre alt, Vater eines kleinen Jungen. Seit Ende letzten Jahres berichtete er für "Spiegel Online" aus der Türkei. Seine vorherige Station als Korrespondent war Pakistan: "Ich dachte, ich komme in ein ruhiges Land, aber hier läuft eine Kampagne gegen mich, die deutlich schlimmer ist als alles, was ich in Pakistan erlebte", sagte Kazim der "Frankfurter Rundschau". Der Journalist sieht sich Anfeindungen bis hin zu Todesdrohungen ausgesetzt. Er habe inzwischen rund 10.000 E-Mails, Tweets und Facebook-Nachrichten erhalten. Darunter seien Drohungen wie "Wenn wir Dich auf der Straße sehen, schneiden wir Dir die Kehle durch".
    Seine Chefs zogen nun die Reißleine und zogen ihn aus Sicherheitsgründen ab: "Wir holen ihn nur für einige Tage zurück", sagte der stellvertretende Chefredakteur Florian Harms "Zeit online". Zugleich betonte er, Kazim werde in den kommenden Tagen auch von Hamburg aus weiter über die Türkei berichten: "Es geht um die Sicherheit unseres Korrespondenten. Die geht immer vor.".
    Auf Twitter hatte unter dem Hashtag #ScherDichZumTeufelDerSpiegel eine Kampagne gegen Kazim und das Magazin begonnen. Der Korrespondent hatte einen Bergmann nach dem Unglück in Soma in einer Überschrift bei "Spiegel Online" vor einer Woche mit den Worten zitiert: "Scher Dich zum Teufel, Erdogan!" Regierungsanhänger und regierungsnahe Medien erweckten danach den Eindruck, "Der Spiegel" selber wünsche Erdogan zum Teufel.
    "Sie zeigen Erdogan-Porträtbilder in ihrem Account"
    Wer oder was sich genau hinter diesen Attacken verbirgt, weiß auch Hasnain Kazim nicht, "aber viele Schreiber geben zu erkennen, dass sie AKP-Anhänger sind oder zeigen Erdogan-Porträtbilder in ihrem Account." Der gebürtige Stader mit indisch-pakistanischen Wurzeln ist im Grunde ein Profi, was Hassmails betrifft. Seit einiger Zeit tourt er zusammen mit Journalisten-Kollegen, die ebenfalls einen Migrationshintergrund haben, durch Deutschland und präsentiert "Hate Poetry". Bei diesen Veranstaltungen lesen wechselnde Protagonisten aus Zuschriften vor.
    Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) reagierte empört auf die Morddrohungen. "Es ist unerträglich, dass Parteigänger Erdogans mit Einschüchterungen versuchen, die Pressefreiheit abzuschaffen", kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken.
    Beim schwersten Grubenunglück in der Geschichte des Landes waren in der vergangenen Woche nach Angaben der Regierung 301 Menschen getötet worden. Die Polizei nahm weitere Mitglieder der Unternehmensführung der Betreibergesellschaft Soma Holding fest, darunter der Vorstandsvorsitzende Can Gürkan.