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Studentenbetten für Fußballfans

Die Technische Universität Danzig hat die Fußball-EM als Geldquelle entdeckt: Sie will Fans in ihren Studentenwohnheimen einquartieren und damit Geld verdienen. Für die 24.000 Studentinnen und Studenten ein Problem, denn die angehenden Ingenieure werden früher in die Ferien geschickt und müssen mehr Stoff in kurzer Zeit lernen.

Von Holger Lühmann | 01.06.2012
    Schon lange vor der ersten EM-Partie gab es eine Verlängerung. Nicht für die Fußballstars, sondern für die Studentinnen und Studenten der Politechnika Gdanska, der Technischen Universität in Danzig. Die Studierenden müssen jede Stunde nachsitzen.

    "Wir haben im Senat entschieden, jede Unterrichtsstunde des Semesters um drei Minuten zu verlängern, damit die Studenten als Helfer oder Fußballfans an der EM 2012 teilnehmen können und auch, damit Platz ist für Fans aus anderen Ländern", "

    erklärt Katarzyna Leszewicz von der Danziger Politechnika. Nur durch die zeitliche Dehnung der einzelnen Kurseinheiten konnte der Plan gelingen: Das Semester endet nun schon am 6. Juni statt wie sonst zwei Wochen später. Was nicht alle Studenten freut: Marcin und Lukasz sind gerade auf dem Weg in die Bibliothek - Lernen für Elektronik- und Physikprüfung gleichzeitig.

    Marcin: " "Zwar ist der Vorteil, dass wir mehr Ferien haben und während der EM nicht vor den Büchern sitzen müssen, aber der Nachteil: Wir haben jetzt weniger Zeit fürs Studium."

    Lukasz: "Das, was wir sonst in 15 Wochen lernen müssen, müssen wir nun in 13 Wochen vorbereiten."

    Doch nicht nur das hohe Lernpensum nervt die Studierenden. Manche ärgert vielmehr die Ursache dieser Situation: die Zimmervermietung an Sportfans. Zum Ferienbeginn müssen die Studierenden ihre Wohnheime verlassen, um sie Fans zur Verfügung zu stellen. Nur Prüfungskandidaten und Praktikanten dürfen bleiben, müssen aber umziehen. Das Studentenwohnheim von Biotechnologiestudent Karol etwa liegt nah am Stadion und ist modernisiert. Darum ist es für Fans gedacht.

    "Ich bin nicht einverstanden damit, weil ich ins Wohnheim Nr. 2 umziehen muss. Dort gibt es schlechteren Komfort. Es geht darum, dass ich hier einfach bessere Wohnverhältnisse habe, auch wenn der Preis höher ist. Schade, dass es so wenig Platz gibt für uns Studenten."

    Das Uni-Rektorat betont bei Kritik den finanziellen Vorteil. Denn Urlaubsgäste zahlen allein für drei Nächte 100 Euro - so viel Miete also, wie Studenten der Uni im Monat zahlen. Das Rektorat hofft so 600.000 Zloty zusätzlich einzunehmen. Das wären über 150.000 Euro. Katarzyna Leszewicz:

    "Das Geld, das wir mit unserer Sommer-Aktion verdienen, fließt in die Renovierung unserer Studentenwohnheime. Und noch was: Dank der Mehreinnahmen können wir die Zimmermieten für unsere Studenten während des Semesters sehr niedrig halten."

    Die Vermietung von Gästezimmern während der Semesterferien ist in Polen üblich. Hochschulen bessern dadurch jedes Jahr ihr Budget auf. Eine Semesterverkürzung, um noch mehr zu verdienen, ist aber neu. An der Humanistischen Uni Danzig, der großen Schwesterhochschule der Politechnika, wäre man aus Rücksicht auf die Studierenden nicht auf so eine Idee gekommen. Uni-Sprecherin Beata Czechowska:

    "Viele unserer Studenten arbeiten in der EM-Zeit in Pressebüros oder im Logistik- und Transportbereich. Sie hätten sich extra für einen Monat ein Zimmer in der Stadt suchen müssen, wenn wir das Semester auch verkürzt hätten. Wir wollten das nicht und so können alle im Wohnheim bleiben."

    Am Ende bleibt offen, ob sich die EM-Aktion der Politechnika gelohnt hat. Denn noch ist die Nachfrage nach Betten gering. Vielleicht liegt das an den Turnierteams: Alle drei Gruppenspiele in Danzig bestreiten die Spanier. Fraglich ist, ob die schlechte Wirtschaftslage zwischen Barcelona und Sevilla überhaupt viele Fans zum Reisen animiert.