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Studie
Aspirin als Hilfsmittel gegen Krebs-Rückfall?

Können Schmerzmittel wie "Aspirin" das Rückfallrisiko bei Krebserkrankungen mindern? Hinweise darauf gibt es schon länger. Britische Ärzte versuchen nun in einer Studie mit 11.000 Probanden erstmals, die positive Nebenwirkung des Kopfschmerz-Medikaments direkt nachzuweisen.

Von Katrin Zöfel | 06.01.2016
    Ein Briefchen mit Aspirin-Tabletten
    Aspirin-Tabletten (dpa / Soeren Stache )
    Genau wie viele andere Krebsforscher hat auch Ruth Langley vom University College London mit der Zeit gelernt, geduldig auf Erfolge zu warten. Das gilt ganz besonders für die Studie, die sie gerade beginnt.
    "Die Daten, die wir bisher zu Acetylsalicylsäure (ASS) haben, zeigen, dass es lang dauert, bis seine Wirkung offensichtlich wird. Wir müssen mindestens fünf, wahrscheinlich zehn Jahre warten, bis wir Ergebnisse haben."
    11.000 Probanden, die Krebs in der Brust, der Prostata, im Darm oder Magen oder in der Speiseröhre überstanden haben, werden mindesten fünf Jahre lang täglich entweder eine niedrige ASS-Gabe bekommen oder ein Placebo.
    "Wir wissen, dass diese Patienten ein hohes Risiko haben, noch einmal Krebs zu bekommen."
    Kann ASS das Risiko eines Rückfalls senken?
    Die Frage ist, ob ASS dieses Risiko senken kann. Es ist die erste Studie weltweit, die versucht, das direkt nachzuweisen. Hinweise, dass das tatsächlich klappen könnte, gibt es schon länger.
    "Die erste große Studie kam 2010 heraus. Sie wertete die Daten von Studien zur Wirkung von ASS bei Herzkreislauferkrankungen neu aus. Wenn man die Patienten über zehn oder 20 Jahre nachverfolgte, wurde deutlich: Die Patienten, die ASS nahmen, erkrankten seltener an Krebs, und bekamen, wenn sie erkrankten, seltener Metastasen."
    Doch diese Daten sind im Nachhinein gewonnen aus klinischen Studien, die andere Ziele verfolgten. Das reicht nicht aus, um ASS für Krebspatienten zu empfehlen. Ruth Langley hofft, dass sie mit ihrer eigens dafür konzipierten Studie endlich ein für allemal den Effekt von ASS auf Krebserkrankungen nachweisen kann. Völlig ungeklärt ist dabei, wie und warum ASSwirken könnte. Eine der einleuchtendsten Vermutungen hat mit seinem Einfluss auf die Blutplättchen zu tun, also auf die Partikel im Blut, die dafür sorgen, dass es gerinnt.
    "Blutplättchen heften sich an Krebszellen, wenn diese frei im Blut schwimmen, und bedecken ihre Oberfläche. Dadurch werden die Tumorzellen quasi unsichtbar für das Immunsystem. ASS macht die Blutplättchen weniger klebrig, dadurch haften sie schlechter an den Krebszellen und umhüllen sie nicht mehr komplett. Das Immunsystem kann die Tumorzellen dann erkennen und unschädlich machen."
    ASS könnte Helfershelfer des Immunsystems sein
    ASS greift die Krebszellen demnach nicht direkt an, sondern wäre nur Helfershelfer des Immunsystems. Und es würde vor allem auf Tumorzellen wirken, die einzeln im Körper unterwegs sind. Wenn das alles zutrifft, hieße das, ASS könnte helfen, zwei Dinge zu verhindern. Erstens, dass sich frühe, noch vereinzelte Krebszellen, überhaupt über die Blutbahn verbreiten, sich im Gewebe festsetzen und dann erst zu großen Tumoren entwickeln. Zweitens, dass ein schon etablierter Tumor streut und Metastasen bildet.
    Ein großer Teil des Geldes, das Ruth Langley für ihre Studie ausgibt, stammt von Cancer Research UK, einer gemeinnützigen Stiftung. ASS findet Aine McCarthy, die für die Stiftung arbeitet, nicht zuletzt deshalb so interessant, weil es helfen könnte, die horrenden Kosten in der Krebsmedizin zu senken. Denn wer durch ASS gar nicht erst an Krebs erkrankt, braucht auch keine teure Therapie.
    "Es könnte sich also wirklich lohnen. Deshalb haben wir diese Studie gefördert. ASSist verfügbar und billig, das sind erst einmal große Vorteile. Aber es wäre fatal, wenn Patienten jetzt auf eigene Faust anfangen, ASS zu nehmen. Wir müssen erst klären, wie viel es braucht und wie lange man es nehmen sollte."
    Mit anderen Worten: Das gute alte ASS könnte tatsächlich als Mittel gegen Krebs in Frage kommen. Doch bis das wirklich nachgewiesen ist, brauchen Forscher, Ärzte und Patienten noch einige Geduld.