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Studie zu Schulklassengrößen
"Weniger Schüler führen zu besseren Leistungen"

In kleineren Klassen erzielen Schüler bessere Leistungen - diese Annahme ist weit verbreitet. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat dafür jetzt auch klare Belege gefunden. Effekte seien bei einer Klassengröße von 20 Schülern zu beobachten, sagte Studienautor Stephan Sievert im Dlf.

Stephan Sievert im Gespräch mit Michael Böddeker |
    Schülerinnen und Schüler nehmen am 20.05.2015 in einem Klassenzimmer im Theodor-Heuss-Gymnasium in Esslingen (Baden-Württemberg) während des Englischunterrichts der Klasse 5e an einer Gruppenarbeit teil. Foto: Marijan Murat/dpa | Verwendung weltweit
    Die Verkleinerung von Klassen lohne sich auch finanziell, meint Stephan Sievert. (dpa / Marijan Murat)
    Michael Böddeker: Mehr Lehrer und dadurch kleinere Klassen – diese Forderung von Lehrern- und Elternverbänden ist uralt, denn klar scheint zu sein, je weniger Schülerinnen und Schüler ein einzelner Lehrer hat, desto besser kann er sich um jeden einzelnen kümmern. Aber ist das wirklich so eindeutig? In der letzten OECD-Untersuchung stand dazu noch, insgesamt gebe es kaum eindeutige Belege für die Auswirkungen unterschiedlicher Klassengrößen auf die Leistungen der Schüler. Wie groß also ist der Nutzen tatsächlich, wenn zum Beispiel statt 27 nur 22 Kinder in einer Klasse sind? Das hat jetzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung untersucht, und mehr darüber weiß Stephan Sievert, einer der Autoren der Studie. Guten Tag!
    Stephan Sievert: Guten Tag!
    Auf den einzelnen Schüler heruntergerechnet
    Böddeker: Sie haben das Ganze ja bis auf den einzelnen Schüler runtergerechnet. Wie viel besser ist es denn für einen Schüler, wenn die Klasse kleiner ist?
    Sievert: Also zunächst einmal ist das Hauptergebnis, dass es besser ist. Das ist in der Wissenschaft in Deutschland bisher sehr umstritten gewesen, und wir haben jetzt anhand einer neuen Methodik herausgefunden, dass es sich wirklich so sagen lässt, dass weniger Schüler in einer Klasse zu besseren Leistungen führen. Um das anschaulich zu machen, wie groß dieser Effekt ist, ist es immer ganz gut, das umzurechnen in Leistungszuwächse, die Schüler ansonsten während eines Schuljahres erlangen oder während einer Woche. Wir haben herausgefunden, dass zum Beispiel im Fach Deutsch es jeder Schüler weniger in der Klasse dazu führt, dass Schüler so viel mehr lernen, wie sie es sonst in einer Woche tun. Wenn wir das in großen Klassen uns anschauen, da ist der Effekt noch größer. Da führt jeder Schüler weniger sogar dazu, dass Schüler so viel mehr lernen, wie sie es sonst in etwa zweieinhalb Wochen tun.
    Böddeker: Okay, also zwei Wochen Zuwachs pro Schüler weniger, der in der Klasse ist. Das heißt, noch ein bisschen weiter gerechnet, wenn fünf Schüler weniger in der Klasse sind, sind das knapp drei Monate schon.
    Sievert: Das ist richtig, und fünf Schüler weniger mag sich viel anhören, ist aber durchaus noch im realistischen Bereich, denn wir sehen, dass die Klassengrößen in unserer Stichprobe doch deutlich sich unterscheiden und auch die Vorgaben zur Klassengrößenbildung innerhalb von Deutschland sich deutlich unterscheiden teilweise.
    Verkleinerung von Klassen lohnt sich
    Böddeker: Wobei der Durchschnitt ja gar nicht so weit von dem weg ist, was Sie sich da in der Studie vorstellen. In der Grundschule sind es nach den letzten Zahlen, die ich gefunden habe, so ungefähr 21 Schülerinnen und Schüler pro Klasse, Sekundarstufe Eins, da sind es ein bisschen mehr, je nach Schulform auch mal so um die 25, aber Sie haben da eine große Varianz auch offenbar festgestellt. Also das weicht oft stark ab vom Durchschnitt?
    Sievert: Genau darum geht es. Der Durchschnitt ist nach unseren Daten 20,8 Schüler in der Grundschule, aber es gibt natürlich viele Klassen, die deutlich größer sind, und da nicht jede Klasse dem Durchschnitt entspricht, lohnt es sich gerade in diesen Klassen, die größer sind, unseren Ergebnissen zufolge, diese zu verkleinern, um die Leistung zu verbessern.
    Böddeker: Was ist denn dann Ihrer Meinung nach die ideale Klassengröße?
    Sievert: Ganz genau können wir das nicht so richtig ermitteln. Was wir aber herausfinden ist, dass bei etwa 20 Schülern sich der Effekt verändert. Das heißt, Klassen, die größer sind, in denen sehen wir einen großen Effekt in Deutsch und in Mathe in Form von besseren Leistungen, wenn sie verkleinert werden. Klassen, die schon kleiner sind als etwa 20 Schüler, da sehen wir kaum noch Effekte. Das heißt, ein weiteres Ergebnis der Studie wäre, dass in ohnehin recht kleinen Klassen es sich aus Leistungsgründen kaum lohnen dürfte, mehr Geld in die Hand zu nehmen, um diese Klassen weiter zu verkleinern.
    Böddeker: Jetzt sprechen wir gerade noch so ein bisschen abstrakt über Zahlen und über die Theorie, aber in der Praxis, in der Realität kann es ja auch so sein, dass leistungsschwache Schülerinnen und Schüler auch gerne mal in kleinere Klassen gesteckt werden. Würde sowas dann den Effekt, den Sie gefunden haben, wieder zunichtemachen?
    Sievert: Zunächst einmal ist es absolut richtig, dass leistungsschwächere Schüler in kleinere Klassen gesteckt werden, überproportional häufig. Das finden wir auch heraus in der Studie, und das ist ein Problem, was viele bisherige Studien zum Thema nicht adäquat lösen konnten. Die haben häufig einfach kleine und große Klassen verglichen, und häufig noch eine oder andere Variable kontrolliert, aber sie konnten nicht komplett diese Verzerrung herausrechnen, die sich dadurch ergeben, dass es eben nicht zufällig ist, wer in Deutschland in welcher Klasse landet. In unserer Studie nicht, weil wir das ausgleichen können, indem wir diese Parallelklassen nicht miteinander vergleichen, sondern nur verschiedene Jahrgänge, und die Parallelklassen konstant halten. Insofern wirkt das unserem Effekt nicht entgegen. Es ist aber der Grund dafür, dass viele bisherige Studien keine Effekte der Klassengröße gefunden haben, weil sie eben diesen Effekt, dass in kleineren Klassen im Schnitt schlechtere Schüler sind, nicht komplett herausrechnen konnten.
    Bessere Schülerleistungen = mehr Einnahmen für den Staat
    Böddeker: Was leiten Sie jetzt aus Ihren Ergebnissen ab? Müsste die Politik sich einsetzen für kleinere Klassen oder müsste es eine Art Obergrenze geben, eine maximale Anzahl von Schülern pro Klasse?
    Sievert: Zunächst einmal müssen wir sagen, dass wir Daten aus dem Saarland nutzen. Wir haben im Saarland Informationen über alle Grundschulen und alle Grundschüler. Das heißt, das ist eine solide Basis, aber es ist nicht hundertprozentig klar, ob das nun auch für ganz Deutschland gilt. Es ist auch nicht klar, warum es nicht gelten sollte, aber wenn es gilt, dann ist die Implikation davon, dass es sich lohnt, Geld zu investieren in ein besseres Lehrer-Schüler-Verhältnis, um die Leistungen von Schülern zu verbessern, und ich habe gerade gesagt, es kostet Geld, ob das nun aus fiskalischer Sicht sinnvoll ist oder ob sich das rentiert, das können wir anhand unserer Studie nicht sagen, weil wir für derlei Kosten-Nutzen-Analysen nicht die richtige Datenbasis haben. Zweifelsohne ergeben sich durch bessere Schülerleistungen mehr Einnahmen für den Staat, etwa über höhere Steuereinnahmen später oder auch – und das finden wir auch in der Studie raus –, über weniger Klassenwiederholer, denn kleinere Klassen führen auch dazu, dass weniger Schüler sitzen bleiben, und diese Sitzenbleiber sind ein erheblicher Kostentreiber derzeit im deutschen Schulsystem.
    Böddeker: Stephan Sievert ist Autor einer neuen Studie, die zeigt, wie viel mehr Leistungen Schülerinnen und Schüler zeigen können, wenn die Klassen kleiner sind. Vielen Dank für das Gespräch!
    Sievert: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.