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Studienschwemme erwartet

Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg will die Wehrpflicht aussetzen. Das heißt: Diejenigen jungen Männer, die im nächsten Jahr Abitur machen, drängen früher als geplant an die Hochschulen. Eine Herausforderung - zumal im nächsten Jahr auch doppelte Abiturjahrgänge entlassen werden.

Von Claudia van Laak |
    Nicht mehr in 13, sondern nur noch in 12 Jahren zum Abitur – in Bayern und Niedersachsen werden im nächsten Jahr doppelte Abiturjahrgänge entlassen. Bayern wirbt bei den Abiturienten, doch bereits zum Sommer- und nicht erst zum Wintersemester mit dem Studium zu beginnen. Damit nicht alle gleichzeitig an die Hochschulen drängen und die bereits jetzt schon vollen Hörsäle, Mensen und Studentenwohnheime nicht endgültig aus allen Nähten platzen.

    Womit keiner gerechnet hatte: Sollte die Aussetzung der Wehrpflicht tatsächlich im nächsten Sommer greifen, wird es bundesweit zusätzlich etwa 60.000 Studienberechtigte geben. Um das abzufangen, brauchen die Hochschulen mehr Geld, sagt Peter-Andre Alt, Präsident der Freien Universität Berlin.

    "Ich glaube, Berlin ist als Hochschulstandort so attraktiv, dass wir das mit einiger Wucht abbekommen. Wenn wir dann wirklich Überlasten in gewaltigem Umfang auf uns zukommen sehen, dann müssen wir handlungsfähig bleiben, dann plädiere ich dafür, dass wir uns rasch mit der Senatsverwaltung zusammensetzen um zu sehen, dass es dafür einen Zusatzausgleich gibt."

    Die Kultus- und Wissenschaftsminister der Länder rechnen bei einer Aussetzung der Wehrpflicht mit zusätzlichen Kosten von rund 1,5 Milliarden Euro – dieses Geld hätten sie gerne vom Bund, schließlich sei die Aussetzung der Wehrpflicht ein Beschluss der Bundesregierung. Benötigt werden zusätzliche Räume und vor allen Dingen: mehr Personal. Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner, SPD:

    "Das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Selbst die willigsten Hochschulen, selbst wenn Geld da ist, da kann man nicht innerhalb von 14 Tagen solche Kapazitäten schaffen."

    Berlins Wissenschaftssenator hat die Bundesregierung deshalb nun aufgefordert, schnell Klarheit über die Aussetzung der Wehrpflicht zu schaffen - die Hochschulen brauchten Planungssicherheit. Heute beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern mit diesem Thema. Ein Vorschlag der Wissenschaftsminister: Die Wehrpflicht nicht zum 1.7.2011 aussetzen, sondern den Termin um drei Monate oder ein halbes Jahr verschieben. Andernfalls sei der Ansturm auf die Hochschulen nicht zu bewältigen.

    Diese Verschiebung löst das Problem nicht, meint dagegen der Bildungsforscher Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie.

    "Also das was wir sehen können, ist, dass 2011, 2012, 2013 die großen, starken Bundesländer die doppelten Abiturjahrgänge haben, und insofern würde die Verzögerung auf 2012 nur dazu führen, dass die Spitze sich verschiebt, das macht den Kohl nicht fett, das hilft nicht wirklich."

    Dieter Dohmen hält die etwa 60.000 zusätzlichen Studienberechtigten durch die Aussetzung der Wehrpflicht nicht für das größte Problem. Seiner Ansicht nach müssen die offiziellen Studienanfängerprognosen grundsätzlich nach oben korrigiert werden. Nach seinen Berechnungen sind eine halbe Million zusätzlicher Studienplätze für die nächsten fünf Jahre nötig, nicht nur 275.000 wie vorgesehen – und damit weit größere finanzielle Anstrengungen als der Hochschulpakt vorsieht, mit dem sich Bund und Länder auf den Ausbau von Studienplätzen verständigt hatten.

    "Er müsste im Prinzip fast doppelt so gut finanziell ausgestattet sein wie er es im Moment ist und dafür sind die Mittel nicht vorgesehen, wenn ich das richtig einschätze."