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Superfeste Spinnenfäden

Chemie. - Spinnenfäden tragen bei gleicher Dicke mehr als Stahldrähte, sie sind elastischer als Kautschuk, können soviel Wasser wie ein Wollfaden aufnehmen und werden selbst bei Minusgraden nicht brüchig. So viele positive Eigenschaften erregen naturgemäß die Neugier der Wissenschaftler. Jetzt überrascht eine Meldung aus dem Hallenser Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik: Dort haben Wissenschaftler Spinnenfäden mit Metallatomen verstärkt.

Von Hartmut Schade |
    Dass er mit Spinnenfäden arbeitete, war letztlich ein Zufall sagt Mato Knez. Der Chemiker suchte nach einem geeigneten Material für seine Forschungen, als er im Institutsgarten eine Spinne beim Abseilen von einer Eiche beobachtete.

    "Da bin auch der Spinne sehr dankbar dafür, dass sie genau zu dem Zeitpunkt ihren Faden gesponnen hat. Also es war einfach ein biologisches Material, das zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort war."

    Zumindest aus Sicht der Spinne, denn sie war ihr Netz los. Für Mato Knez hingegen erwies sich die Spinnenseide als das richtige Material für seine Forschungen. Der kroatische Chemiker wollte die so genannte "Atomlagenabscheidung" an neuen Stoffen ausprobieren. Bei der "Atomlagenabscheidung" werden einzelne Atomlagen auf ein anorganisches Material aufgedampft. Alltag in der Mikroelektronik oder für den Korrosionsschutz. Mato Knez wollte dieses Verfahren auf biologische Stoffe übertragen. 2006 gelang es ihm erstmals, einen organischen Stoff mit einer metallischen Atomschicht zu überziehen. Jetzt hat er diese Methode, bei der das Material im Wechsel Wasserdampf und einem Gas aus Metallionen und organischen Molekül-Resten ausgesetzt wird, nochmals verändert.

    "Im Normalfall braucht es da nur Bruchteile von Sekunden, während wir die Einwirkzeit bis zu 40 Sekunden ausgedehnt haben. Und damit dem Gas die Möglichkeit gegeben haben, in die Spinnenseide einzudringen."

    Im Faden lagern sich die Titan-, Aluminium- oder Zinkatome an Proteinmoleküle an und verbinden diese. Gewöhnlich übernehmen Wasserstoffatome diese Brückenbildung. Diese brechen aber viel leichter als die Verbindungen aus Metall. Mit den Metallbrücken erhöht sich die Festigkeit im Vergleich zum normalen Spinnenfaden um das drei bis vierfache. Und nicht allein die Festigkeit wächst. Metallisierte Spinnenfäden sind doppelt so elastisch wie natürliche. Ihre Dehnbarkeit verdanken die Fäden bestimmten Proteinen, die sich wie Wollknäuel zusammenkringeln. Werden die Spinnenfäden mit Metallatomen infiltriert, wächst die Zahl dieser Knäuel im Protein. Der Spinnfaden wird elastischer. Da er gleichzeitig auch fester geworden ist, steigt seine Zähigkeit, das heißt seine Fähigkeit Energie aufzunehmen.

    "In der Größenordnung um den Faktor zehn etwa. Das Ungewöhnliche ist, das sowohl die Festigkeit als auch die Eigenschaft, wie weit man das ausdehnen kann, dass die beide nach oben gehen, was normalerweise nicht so ohne weiteres der Fall ist","

    sagt Professor Ulrich Gösele vom Hallenser Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik. Der metallisierte Spinnenfaden ist also der Superfaden schlechthin. Problem: Bis heute kann die Spinnenseide nicht industriell gesponnen werden. Für ihre Experimente mussten die Hallenser Forscher die Fäden daher regelrecht aus den Bäumen pflücken. Ulrich Gösele setzt deshalb auf andere organische Stoffe.

    ""Wir versuchen jetzt, ob Kollagen und andere biologische Materialien bessere mechanische Eigenschaften durch dieses Verfahren erlangen können. Das sieht im Moment auch so aus. Wir können uns natürlich auch überlegen, ob nicht direkt künstliche Fasern oder auch natürliche Fasern, die für Kleidung oder sonst was oder Fallschirme eingesetzt werden, ob die nicht verbessert werden können."

    Auch wenn der Spinnfaden für Spiderman auf absehbare Zeit Science Fiction bleiben wird, die Infiltration mit Metallatomen verspricht Materialien ganz neue Eigenschaften zu geben. Das Spektakuläre ist in diesem Fall die Methode, nicht die Spinnenseide. Auch wenn die schon seit Jahrtausenden die Fantasie anregt.