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Syrisches Kunstzentrum in Istanbul
Der Künstler im Mittelpunkt

Istanbul hat sich in den letzten Jahren zum Zentrum syrischer Exil-Künstler entwickelt. Doch das Überleben ist hart für die Flüchtlinge. Mit dem Künstlertreffpunkt ARThere versuchen sie, sich selber zu helfen - mit wachsendem Erfolg.

Von Kristina Karasu |
    Die Künstler von ARThere in ihrem Ausstellungsraum
    ARThere unterstützt syrische Exil-Künstler in Istanbul (Arthere Istanbul)
    Eine schmale Holztreppe führt hinauf ins Atelier. Auf zwei Tischen türmen sich Pastellkreiden und Skizzen, der Boden ist bedeckt von bunt bespritzten Plastikplanen. Der syrische Maler Ali Omar hat seine Leinwand mit Klebestreifen an die Wand geheftet. Darauf prangt ein hageres, zerfurchtes Gesicht mit eindringlichen Augen. Gezeichnet in groben Strichen auf roter Acrylfarbe, besprenkelt mit Tinte. Ein Motiv, das den Künstler schon lange beschäftigt:
    "Seit sieben, acht Jahren arbeite ich an dem gleichen Porträt, immer und immer wieder. Mein Ziel ist es, die Menschheit zu verstehen. Ich versuche, tiefer zu gehen, die wirklichen Sehnsüchte der Menschheit zu ergründen. Was motiviert uns, zu leben - warum leben wir?"
    Ali Omar studierte in Damaskus Malerei, vor dreieinhalb Jahren flüchtete er vor dem syrischen Bürgerkrieg nach Istanbul. Seine Kunst wollte und will er nicht aufgeben, auch wenn das finanzielle Überleben damit schwer ist. Staatliche Förderung für moderne Kunst gibt es in der Türkei kaum, der Kunstmarkt ist klein. Zudem haben die meisten Syrer hier keinen Flüchtlingsstatus und damit keine Arbeitsgenehmigung; und kaum Anrecht auf staatliche Unterstützung.
    "Wir versuchen, einen alternativen Kunstmarkt zu entwickeln"
    Auch Ali Omar wird in der Türkei nur geduldet. Als er einen Platz zum Malen suchte, empfahlen ihm Freunde das Künstlerzentrum ARThere im jungen Szeneviertel Yeldeğirmeni. Im Erdgeschoss ist es Café, Galerie und Treffpunkt. Im Obergeschoss beherbergt es ein Gemeinschaftsatelier, im Keller eine Dunkelkammer. Gegründet wurde das Zentrum 2014 vom syrischen Fotografen und Medienkünstler Omar Berakdar. Seine Idee: ein Ort der Kunst, an dem sich syrische Künstler im Exil selber helfen können.
    "Wir suchten nach Wegen, die Künstler in ihrer Arbeit zu ermutigen. Und gleichzeitig wollten wir ihnen eine Art von Einkommen bereitstellen. So versuchten wir, einen alternativen Kunstmarkt und eine alternative Künstlerresidenz zu entwickeln. Und da wir fast alle Syrer sind, verstehen wir genau den Hintergrund: was diese Menschen brauchen, wie sie denken. Wir stellen sogar psychologische Hilfe bereit, damit wir die Konsequenzen dieses Exils besser verstehen können. Denn das ist ein großes Thema, mit dem sich die meisten von uns aber nicht beschäftigen wollen."
    "Von außen kann man nicht sehen, dass es ein syrischer Ort ist"
    In Arthere sollen die Künstler zur Ruhe kommen, die Gemeinschaft und ein Stück Normalität genießen können. Ein Holzofen heizt das Café, in der Mitte baumelt eine Schaukel, um die Tische streunen Katzen. Die Wände sind übersät mit Bildern - Schwarzweißfotos von Ausstellungsbesuchern, comicähnliche Zeichnungen einer männersammelnden Medusa, und immer wieder Ali Omars Porträt mit dem hageren Gesicht. Kriegskunst sucht man in ARThere vergeblich. Omar Berakdar sagt:
    "Viele fragen uns: wie hat der Krieg Deine Kunst beeinflusst? Sie erwarten, dass ich als Fotograf zum Beispiel jetzt nur noch Panzer und Tote fotografiere. Doch als Künstler funktioniert man in der Regel nicht so. Meist dauert es lange, bis man das Erlebte verdaut und verstanden hat und sich dann darüber ausdrücken kann."
    ARThere ist voller Spuren von Künstlern, die kamen und gingen. Viele bezahlten mit dem hier verdienten Geld ihre Fahrt nach Europa oder die USA, manche kehrten nach Syrien zurück. Diejenigen, die noch hier sind, werden wohl dauerhaft bleiben. Von ihrer Herkunft machen sie dabei kein großes Aufsehen, erklärt ARThere-Gründer Berakdar:
    "Wer hier einfach vorbeikommt registriert nur selten, dass dieser Ort von Flüchtlingen gegründet wurde. Schlussendlich sind wir alle Menschen, wir definieren uns nicht als Flüchtlinge. Wir sind Menschen, die außergewöhnliche Umstände durchlebt und den Ort gewechselt haben. Von außen kann man nicht sehen, dass dies ein syrischer Ort ist."
    Eine Filiale in Berlin ist in Planung
    In diesen Tagen bedeutet dieser Ort auch Schutz für die Künstler. Denn seit Mitte Januar kämpfen türkische Truppen in Nordsyrien und die Feindlichkeit gegenüber syrischen Flüchtlingen in der Türkei wächst. Doch darüber sprechen die Künstler von ARThere nicht gerne. Sie verweisen lieber auf ihre Kunst und ihre Zusammenarbeit mit türkischen Künstlern. Zum Beispiel auf die mit der Istanbuler Zeichnerin Öykü Doğan. Sie ist seit der Gründung des Zentrums mit an Bord, hilft im Café und organisiert Ausstellungen. ARThere hat auch Einfluss auf ihre Kunst:
    "In der Regel habe ich meine eigenen Geschichten gezeichnet, aber jetzt zeichne ich auch die Geschichten der Menschen hier, meiner syrischen Freunde. Und auch meine Karriere wurde sehr beeinflusst. Dank ARThere konnte ich zum ersten Mal ausstellen und ich konnte meiner Kunst nachgehen. Das hat mein Schicksal verändert."
    Denn Öykü Doğan und andere ARThere-Künstler stellten im Herbst erstmals auf der Kunstmesse Contemporary Istanbul aus. Aktuell plant Gründer Berakdar bereits eine zweite Filiale von ARThere - in Berlin, das ebenfalls ein Zentrum geflohener syrischer Künstler geworden ist.