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Taxi Blues

In New York, so die Statistik, werden jährlich 30-40 Taxifahrer, ermordet. Besonders nachts ist es gefährlich, vor allem für Frauen. Was bringt eine Frau dazu, trotzdem Nacht für Nacht in New York Taxi zu fahren, noch dazu in Harlem?

Marie Wildermann |
    In Iva Pekárkovás Roman "Taxi Blues" hält sich die gebürtige Tschechin Jindra in New York mit Taxifahren über Wasser. Aber sie braucht offensichtlich auch die Herausforderung, sich in den gefährlichsten Gegenden behaupten zu können, als weiße Frau im Schwarzen-Ghetto Harlem zum Beispiel.

    Iva Pekárková hat ihre eigenen Erlebnisse in den USA in ihrem Roman verarbeitet. Die 1963 in Prag geborene Autorin floh Mitte der Achtziger Jahre aus der Tschechoslowakei nach New York. Heute lebt sie wieder in Prag.

    Sehr amerikanisch war schon ihr erstes Buch Truck Stop Rainbows, obwohl es in der Tschechoslowakei spielt. Anfang der 80er Jahre ist es geschrieben und von Jack Kerourac und der amerikanischen beat Generation inspiriert: eine Tramperin reist kreuz und quer durch die marode sozialistische CSSR, immer unterwegs mit Lastwagenfahrern, von einem sexuellen Abenteuer zum nächsten.

    Sexuell tabulos geht es auch in diesem zweiten Buch zu. Die Hauptfigur Jindra hat, um die Green Card zu bekommen, in New York einen Schwarzafrikaner aus Mali geheiratet. Mit dem Ehemann ist zwar kaum verbale Verständigung möglich, dafür aber leidenschaftlicher Sex, den die Autorin ebenso leidenschaftlich in allen Einzelheiten schildert. Der afrikanische Ehemann Talibe ist seit 5 Jahren US-Bürger, ist aber in keiner Hinsicht Amerikaner geworden. Gedanklich lebt er weiterhin in Westafrika, sein Leben wird von Amuletten und Stammesgeistern dirigiert, und natürlich hat er eine klare patriarchalische Vorstellung von der Ehe, die Jindra selbstverständlich nicht teilt.

    Jindras und Talibes Kollegen sind Puertoricaner, Mexikaner oder Schwarze aus Afrika. Für Hungerlöhne arbeiten sie illegal in den schmierigen Garagen der Taxiunternehmer oder lenken klapprige Wagen durch den New Yorker Straßendschungel. Sie manipulieren Taxometer und nehmen die Fahrgäste nach Strich und Faden aus. Unternehmer Alex, Emigrant aus Russland, hat seinen Fuhrpark mit Autos der New Yorker Polizei bestückt, die er am hellichten Tag klauen ließ und kurzerhand von blau auf gelb umlackierte. Für die Neue Welt hat er seine eigene Lebensphilosophie: eine Mischung aus sozialistischem Selbstbedienungsladen und Mafia-Territorium. Jindra läßt sich von ihm den Hintern tätscheln, dann weiß sie, kriegt sie eine gute Droschke, statt einer klapprigen Kiste. Sie will es in New York schaffen, um jeden Preis. Das unausgesprochene Gesetz lautet-.keine vorgegebenen Grenzen und Konventionen akzeptieren, alles ausprobieren, New York ist dafür das richtige Experimentierfeld.

    Die Brutalität und Kriminalität der Metropole wird von Jindra lange erfolgreich verdrängt, so lange, bis der Ehemann Talibe ermordet wird und Angst sich n ihrem Leben breit macht. Es entgleitet ihr die Kontrolle, die Gewalt übernimmt die Regie im Alltag, sie selbst wird zur Täterin. Damit ändert sich die Sicht auf die Metropole radikal. Dennoch: Der Roman ist keine Zivilisationskritik.

    Iva Pekárková erzählt mit Witz und Leichtigkeit - wenn auch sehr konventionell eine Geschichte aus dem New Yorker Milieu der Looser und Nachtexistenzen. Interessant ist dabei, wie die Autorin die Dramaturgie der Geschichte aufbaut: Ihr gelingt die Wendung von leichter Unterhaltung, vom Psychothriller, hin zu ernsten, metaphysischen Reflexionen gegen Ende des Buches. Was bleibt, sind Fragen, die mit Migration und Entwurzelung zu tun haben, mit Grenzverletzungen, mit Schuld, Menschenwürde und der Psychologie des Bösen.