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Theater
Investmentbanker unter Terroristen

"The Invisible Hand", das neue Stück von Ayad Akhtar, handelt von einer Welt, die langsam verstehen lernt, wie die kolonialen Übergriffe westlicher Mächte und die brutale Gewalt eines unbegrenzten Kapitalismus einen Gegner erschaffen, der es satt hat, sich von diesen Kräften demütigen zu lassen - langer Applaus für einen aufregenden Theaterabend.

Von Andreas Robertz |
    Was haben die Gesetze des freien Marktes mit dem Kampf radikalisierter Muslime zu tun? Ayad Akhtars neues Stück "The Invisible Hand" untersucht die Frage nach den Wurzeln des islamistischen Terrorismus und nimmt dabei gleichzeitig die Gesetze des westlichen Kapitalismus unter die Lupe. Herausgekommen ist ein äußerst spannender Politthriller. Das Stück handelt von dem amerikanischen Finanzexperten Nick Bright, einem Manager der Citibank Pakistan, der von einer Gruppe militanter Muslime in Pakistan entführt wird. Um sein Leben zu retten, überzeugt er den Führer der Gruppe davon, dass er mit seinem Insiderwissen sein privates, auf den Cayman Inseln geparktes Kapital für ihn vervielfachen könne. Der in England aufgewachsene, radikalisierte Bashir soll ihm dabei helfen, die Deals online abzuschließen.
    "Nothing happens in your country without a lawyer, no trust in yourselves, in each other. That’s what it means to be American, isn’t it? Nobody’s word means anything."
    "Sir, I used to read what people in my country were doing to the Koran, in Guantanamo. It disgusted me. That’s wrong. Don’t abuse what’s sacred to someone."
    "So tell me Mr. Bright, what is sacred to you? Is it the lawyers, or the fat people?"
    Das Erfrischende und Faszinierende an Ayad Akhtars Figuren ist, das sie allesamt klug sind. Oft haben sie einen beißend ironischen Unterton. Und er hat mit Ken Rus Schmoll einen Regisseur gefunden, der sich der Macht medialer Bilder bewusst ist, ohne sein Publikum damit zu erschlagen. Da muss keine Videoleinwand nahe politische Ereignisse zitieren. Da reicht ein sitzender weißer Gefangener in Handschellen vor einem Wärter mit Kopftuch und Kalaschnikow im Gegenlicht, um die Bilder enthaupteter Journalisten und westlicher Helfer zu evozieren. Dass der Wärter seinem Gefangenen die Fingernägel schneidet, ist eine der vielen subtilen Erfindungen, mit denen Ken Rus Schmoll den Abend mit schwelender Brutalität aufzuladen versteht.
    Eine Wellblechdecke mit kalten Neonröhren überspannt den gesamten Bühnen- und Zuschauerraum; sie wird am Anfang des Stückes bis auf wenige Zentimeter über die Köpfe der Zuschauer abgesenkt. Da muss dann der Schauspieler das klaustrophobische Gefühl nicht mehr spielen.
    Eine einfache lange Betonwand mit einer Eisentür bestimmt den Ort als Gefängnis. Eine immer bedrohlicher werdende Tonkulisse aus Hundegebell, Gewehrsalven, sich langsam nähernden amerikanischen Drohnen und dem Geräusch von schleifendem Metall auf Metall lässt das Publikum buchstäblich auf den Kanten der Stühle sitzen. Und nie weiß man, wer in "The Invisible Hand“ die Oberhand behält. Justin Kirk spielt den Bankmanager Bright als seine Optionen kaltblütig abwägenden Finanzprofi und Usman Ally wechselt als Bashir mühelos zwischen fanatischem Zeloten und einem kleinen Jungen, der mit dem digitalen Handel begeistert ein neues Spiel entdeckt. In einem Schnellkurs in Ökonomie zeigt Bright Bashir, wie durch Vorhersage von politischen oder wirtschaftlichen Ereignissen Zeitfenster auf dem Weltmarkt entstehen, die - richtig genutzt - zu großen Gewinnen führen können. Als unter seiner Anleitung das Guthaben der Terroristen wächst, verschieben sich auch die Machtverhältnisse. Und Bashir ist ein guter Schüler. Am Ende stürzt er den korrupten Führer der Gruppe und lässt durch einen blutigen Anschlag auf die Zentralbank in Karachi die pakistanische Rupie abstürzen. Das Guthaben verzehnfacht sich. Die kaltblütige Logik dieser Tat bringt Brights Glauben in einen freien, sich selbst regulierenden Markt ins Wanken.
    "The Invisible Hand" handelt von einer Welt, die langsam verstehen lernt, wie die kolonialen Übergriffe westlicher Mächte und die brutale Gewalt eines unbegrenzten Kapitalismus einen Gegner erschaffen, der es satt hat, sich von diesen Kräften demütigen zu lassen - eine Einsicht, die die amerikanische und europäische Außenpolitik bisher nicht zu leisten imstande ist. Langer Applaus für einen aufregenden Theaterabend.