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Themenreihe Mittelpunkt Mensch
Ein Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs

Der erste Schritt bei der Entstehung eines Gebärmutterhalskrebses, ist die Infektion mit bestimmten Warzenviren. Unter anderem für diese Erkenntnis erhielt der Mediziner Harald zur Hausen 2008 gemeinsam mit zwei anderen Wissenschaftlern den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Seine Forschung führte letztlich zum Impfstoff vor HPV.

Von Volkart Wildermuth | 27.02.2017
    Der Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen sitzt am 10.06.2016 in Heidelberg (Baden-Württemberg) im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in seinem Büro. Foto: Uwe Anspach/dpa (zu dpa "Expertenstreit: HPV-Impfung auch für Jungs sinnvoll?" vom 01.06.2016) | Verwendung weltweit
    Der Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen: Auch mit 80 ist der Virologe noch extrem neugierig. (dpa / Uwe Anspach)
    Zur Hausen: "Wir haben natürlich mit den Infektionen eine besondere Handhabe um Impfstoffe zu entwickeln, die Krebs verhüten werden oder schon Krebs verhüten können."

    Den Patienten, den Menschen helfen, das steht für Harald zur Hausen immer im Mittelpunkt. Der Weg zur Impfung gegen Krebs war allerdings alles andere als einfach.
    Harald zur Hausen studierte Medizin, um den Ursachen der Krankheiten auf den Grund gehen zu können. In den Sechzigern wurde entdeckt, dass bestimmte Viren ihr Erbgut in Bakterien einbauen können. Dem jungen Studenten kam eine gewagte Idee, die er sein ganzes Leben weiter verfolgen sollte: Könnte es nicht sein, dass Viren auch die menschliche DNA verändern und so Krebs auslösen? Bevor er dieser Spur folgte, arbeitete der angehende Forscher aber erst einmal in der Klinik mit Patienten.
    "Ich muss sagen, die Zeit, wo ich wirklich ärztlich tätig war als Medizinal-Assistent, hat mir unglaublich viel Freude gemacht. Ich bin da sehr gerne dort gewesen."
    Vertiefung in die Biologie der Krebsviren
    Diese Zeit war prägend für Harald zur Hausen; sorgte dafür, dass er immer Forscher und Arzt blieb. Um konkrete Fortschritte für die Patienten zu erzielen, vertiefte er sich in die Biologie der Krebsviren. Und das hieß in den Sechzigern: Umzug in die USA, nach Philadelphia. Hier half Harald zur Hausen zu belegen, dass Eppstein Barr Viren Zellen zum Wuchern bringen.
    Damit war klar: nicht nur Strahlung oder Chemikalien können Tumore verursache, sondern auch Viren. Viele Experten hielten das aber für einen Laboreffekt, irrelevant für die medizinische Praxis. Doch Harald zur Hausen verfolgt seinen Ansatz weiter, ab 1969 in Würzburg, später auch in Erlangen und Freiburg. Übrigens gemeinsam mit der Virologin Ethel-Michele de Villiers, die später seine zweite Frau werden sollte. Die These des Forscherpaars: Papillomviren, also Warzenviren, spielen eine Rolle beim häufigen Gebärmutterhalskrebs.
    "Es waren sicherlich eine ganze Reihe von Kollegen Fachkollegen die hielten das für lächerlich, dass wir uns diesen Viren befassen. Ich muss gestehen es hat tatsächlich ein paar unfreundliche Kommentare gegeben, aber ich komme aus Westfalen, da heißt es, dass man ein dickes Fell hat. Das hat mich überhaupt nicht gestört."
    Anfangs verliefe die Suche nach den Viren in den Krebszellen ergebnislos, aber die Forscher um Harald zur Hausen wiederholten und variierten ihre Tests. Unter bestimmten Bedingungen zeigten sich dann zarte Schatten, Spuren vom Erbgut zweier humaner Papillomviren, kurz HPV.
    "In den beiden Fällen haben wir dann gleich gesehen, dass sie sehr häufig im menschlichen Krebs vorhanden sind. Und das war in gewisser Hinsicht der Durchbruch."
    Zur Hausen: Widerstände sind durch Nobelpreis etwas geringer geworden
    Anfang der 1980er Jahre war klar: die Infektion mit bestimmten aggressiven HPV Varianten ist der erste Schritt bei der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs. Die Mediziner und Wissenschaftler mussten umdenken und Harald zur Hausen erhielt endlich breite Anerkennung. 1983 wurde er mit der Leitung des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg beauftragt. 2006 kam dann der erste HPV Impfstoff auf den Markt, gut verträglich und effektiv.
    Aber noch immer erhalten weniger als die Hälfte der Mädchen in Deutschland den HPV Schutz, bedauert Harald zur Hausen. Mit achtzig Jahren könnte er eigentlich zufrieden auf sein Lebenswerk zurückblicken. Aber nach wie vor ist er neugierig und bereit, ungewohnte Wege zu gehen. Zusammen mit seiner Frau leitet der Virologe noch immer eine Forschergruppe in Heidelberg. Ihr Verdacht: infektiöse DNA in Rindfleisch und Milch könnte mit Darmkrebs, Brustkrebs aber auch mit der Multiplen Sklerose in Zusammenhang stehen. Könnte, die wissenschaftliche Community ist noch nicht überzeugt.
    "Die Widerstände, muss ich sagen, sind vermutlich dadurch, dass ich früher den Nobelpreis gekriegt habe, etwas geringer geworden. Unter der Aussage, er hat früher recht gehabt, vielleicht hat er diesmal auch ein bisschen recht in der ganzen Geschichte."