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Travestiekünstlerin Olivia Jones
Eine Lektion in Sachen Toleranz

Weil er Homosexualität mit Pädophilie in Zusammenhang gebracht hatte, zeigte die Travestiekünstlerin Olivia Jones den AfD-Politiker André Poggenburg wegen Volksverhetzung an. Im Magdeburger Landtag kam es nun zu einer Art Abrechnung zwischen den beiden.

Von Christoph Richter | 17.11.2016
    Travestiekünstlerin Olivia Jones während einer Lesung am 16.11.2016 in Magdeburg im Landtag von Sachsen-Anhalt. Das Thema der Lesung und Diskussionsrunde der Grünen Landtagsfraktion ist die Akzeptanz von Lesben und Schwulen, Bisexuellen sowie Trans- und Intersexuellen.
    Drag-Queen Olivia Jones bei den Grünen im Magdeburger Landtag (dpa / picture alliance / Peter Gercke)
    Großer Bahnhof, Glamour im Magdeburger Landtag. Denn die Hamburger Drag Queen Olivia Jones hat sich angesagt, und will AfD-Landeschef André Poggenburg treffen. Eine Begegnung der etwas anderen Art. Poggenburg im schwarzen Zweireiher, roter Krawatte und AfD-Sticker am Revers. Olivia Jones trägt eine mächtige feuerfarbene Perücke, hat sich die Augen pfauenhaft bunt geschminkt. Gekleidet ist sie mit einer pink-schwarzen Lederkombi und knielangen Stiefeln. Ihre Botschaft:
    "Dass man Kindern nicht früh genug erklären kann, dass es Männer gibt die Männer lieben und Frauen gibt, die Frauen lieben. Und dass das nichts Schlimmes ist. Ohne auch nur einmal das Wort Sex zu verwenden, weil es geht nicht um Sexualisierung, sondern Liebe, Vielfalt und Toleranz."
    In der Hand hält die über zwei Meter große Olivia Jones ihr Kinderbuch "Keine Angst in andersrum". Eine Broschüre, die von der Landesregierung Sachsen-Anhalt in Sachen Homosexualität den Grundschulen und Kitas als Begleitmaterial zum Aufklärungsunterricht empfohlen wird. Für die AfD - die zweitgrößte Fraktion im Magdeburger Landtag - völlig unpassend, weshalb André Poggenburg vor etwa zwei Monaten in einem Facebook-Eintrag Homosexualität und Pädophilie gleichgesetzt hat. Zu viel für die Hamburger Travestie-Künstlerin Olivia Jones, weshalb sie Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef wegen Volksverhetzung angezeigt hat.
    "Herr Poggenburg hat sich entschuldigt, er ist zurückgerudert. Er hat gesagt, mein Buch wäre mehr oder weniger doch geeignet für die Kitas, aber so richtig hat er es noch nicht gelesen. Aber das ist genau das Problem der AfD, weil die AfD leider Gottes nicht so richtig Gesicht bekennt."
    Lieber keine Bilder mit der Drag-Queen
    Für Poggenburg ein sichtlich unangenehmer Termin, weshalb er die Presse beim Gespräch nicht dabei haben will. "Ich hätte mir ein öffentliches Gespräch mit Herrn Poggenburg gewünscht", sagt die Drag-Queen, die AfD habe jedoch auf ein Vier-Augen-Gespräch bestanden. Weshalb Olivia Jones vorab noch scherzte, ob ihr Poggenburg vielleicht einen Heiratsantrag machen wolle. Die Hamburger Künstlerin ergänzte aber schnell, dass ihr das alles ein sehr ernstes Anliegen sei.
    "Diese Termine machen mir keinen Spaß, hätte mir was fröhlicheres gewünscht. Ich war oft in Magdeburg und weiß, dass es eine tolerante Stadt ist, aber ich weiß auch, dass der Kampf um Toleranz sehr wichtig ist."
    Mit aller Macht versuchte die Pressesprecherin der AfD auch gemeinsame Bilder von Poggenburg und der etwa einen Kopf größeren und schrill bunten Reeperbahn-Künstlerin Olivia Jones zu verhindern. Was aber dann doch nicht ganz klappte.
    "Wir haben uns ausgetauscht mal miteinander, persönlich, nicht über Social Media. Das war schon konstruktiv, man hat gehört, was die andere Seite vorzutragen hat, wir haben unsere Position vorgetragen."
    Während AfD-Landeschef André Poggenburg mit den wartenden Journalisten redet, huscht ein Lächeln über dessen Gesicht. So als ob er den ganzen Trubel um die Auseinandersetzung mit Olivia Jones, die ihn öffentlich als "Brandstifter" brandmarkt, nicht ganz verstehen könne. Und Poggenburg bestreitet Homosexualität und Pädophilie jemals gleichgesetzt zu haben.
    "Wir haben eine deutliche Aussage, die Ehe als traditionelle Institution sollte geschützt bleiben, sie sollte zwischen Mann und Frau bestehen, aus einer Partnerschaft, wo Kinder hervorgehen."
    Respekt für Schwule und Lesben
    Genau das hat die AfD am Dienstag erneut deutlich gemacht. Nach einem Treffen von Abgeordneten aller AfD-Landesparlamente wurde eine sogenannte Magdeburger Erklärung verabschiedet, in der zum Ausdruck kam, dass sie sich für die grundgesetzlich geschützte Ehe und gegen die Frühsexualisierung ausspricht, also den Gender-Wahn, wie es die AfD nennt.
    Nach dem Vier-Augen-Gespräch kam es während einer anschließenden Lesung und Diskussionsveranstaltung zu kleinen Scharmützeln zwischen der Travestie-Künstlerin Olivia Jones und weiteren AfD-Landtagsabgeordneten, wie Tobias Rausch.
    Rausch: "Also das ist eine wunderschöne Verkaufsveranstaltung für Ihr Buch. Sie sprechen dauernd von Toleranz, dann akzeptieren Sie doch, tolerieren Sie doch die Meinung der AfD."
    Jones: "Nein, wir sind angetreten gegen Diskriminierung. Es geht nicht um mein Buch, allein schon deswegen, dass ich das allen Kitas kostenfrei zur Verfügung stelle, dass sie es kostenfrei bestellen können."
    Für die außenstehenden Beobachter hat die Veranstaltung etwas von einer Kirchenpredigt. Denn die meisten Gäste stehen klar hinter Olivia Jones, die mit viel Verve um Toleranz und Respekt gegenüber Schwulen und Lesben wirbt. Während die eigentlichen Adressaten, also jene, die damit ein Problem haben, nicht im Saal sind.
    Aber die Hamburger Künstlerin Olivia Jones hält auch nicht mit Kritik an ihrer eigenen Gilde hinterm Berg. Und fragt laut, warum sich andere Kinderbuchautoren wie beispielsweise Cornelia Funke sich nicht mit ihr solidarisieren, wenn es um den - wie sie sagt - volksverhetzenden Umgang der AfD mit Schwulen und Lesben geht.