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Treibhaus ohne Kohlendioxid

Paläontologie. - Die Zeit vor 55 Millionen Jahren ist nicht nur für Urzeitforscher interessant, auch für den Klimawandel heute kann das Zeitalter nach dem Verschwinden der Dinosaurier wichtige Informationen liefern. Denn Geologen und Paläontologen sind auf eine markante Klimaerwärmung zu dieser Zeit gestoßen, nicht unähnlich der jetzigen Entwicklung. Ihre Studie stellen die Forscher im Fachmagazin "Nature" vor.

Von Volker Mrasek | 20.12.2007
    Was denn so besonders sei an der Zeit vor 55 Millionen Jahren? Mit dieser Frage sieht sich der niederländische Biologe und Paläoforscher Appy Sluijs immer wieder konfrontiert.

    " Es ist die Epoche in der Erdgeschichte, die dem heutigen Klimawandel am ähnlichsten ist. Wir verbrennen gegenwärtig große Mengen fossiler Energieträger und erhöhen so den CO2-Gehalt der Atmosphäre. Die Zuwachsrate ist enorm. Wir müssen 55 Millionen Jahre zurückgehen, um auf etwas Vergleichbares zu stoßen. Auch damals stieg der Kohlenstoff-Gehalt relativ schnell an. Deshalb ist es so wichtig, mehr über diese Zeit zu wissen. "

    Die Spuren dieser längst vergangenen Epoche sind heute allerdings verschüttet, tief verborgen unter jüngeren Gesteinsschichten. Doch mit Hilfe moderner Bohrtechnik kann man sie ans Licht holen. Für seine neue Studie untersuchte Sluijs Gesteinsproben aus Nordamerika, gemeinsam mit neun Fachkollegen aus den USA, den Niederlanden und Neuseeland:

    " Die Sedimente stammen aus New Jersey, nicht weit von New York. Vor 55 Millionen Jahren war dort noch ein Meeresbecken, und Sediment lagerte sich am Meeresboden ab. Wenn man tief genug bohrt, kommt man auch heute noch an dieses Material heran. Und man bekommt ein Bild von den Veränderungen des Kohlenstoff-Kreislaufes zu dieser Zeit. "

    Erst kommt das Kohlendioxid, ein Treibhausgas, und dann die Erwärmung der Atmosphäre. So erklären wir uns heute den Klimawandel. Doch vor 55 Millionen Jahren war es offenbar anders - ein überraschender Befund der Forscher. Sie können zwar nicht mehr die historischen Treibhausgas-Konzentrationen in der Atmosphäre ermitteln. Doch der Kohlenstoff-Gehalt in den untersuchten Sediment-Schichten erlaubt gewisse, indirekte Rückschlüsse. James Zachos, Geowissenschaftler an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz.

    " Wir haben Belege dafür, dass es schon vor der Kohlenstoff-Anreicherung zu Umweltveränderungen gekommen ist, die mit einer Erwärmung verbunden waren. Unsere Sediment-Proben sind die ersten, die das dokumentieren. "

    Ein Zeitzeuge dieser Veränderungen war eine subtropische Meeresalge. In den entscheidenden Sediment-Schichten stießen die Forscher auf erhöhte Individuen-Zahlen dieser Art. Es muss also zu Massenblüten der Alge in einem wärmeren Klima gekommen sein. Doch das war rund 3.000 Jahre vor dem Kohlenstoff-Anstieg, wie die Analysen ergaben. Solche Befunde liegen inzwischen auch von einem Bohrkern aus der Nordsee vor. Wodurch die ursprüngliche Erwärmung ausgelöst wurde, das wissen die Paläoforscher nicht. Aber Biologe Sluijs hat eine Vermutung, wie es zu der späteren Kohlenstoff-Freisetzung kam. Demnach reicherte sich nicht Kohlendioxid in der Atmosphäre an, sondern Methan, ein Treibhausgas, das ebenfalls Kohlenstoff enthält:

    " Wir glauben, dass Methan-Hydrate dahinter stecken. Das sind eisartige Gebilde, die im Meeresboden lagern. Wir wissen, dass die Temperaturen im Ozean damals stark zunahmen. Und das könnte zu einer Freisetzung von Methan aus den Hydraten geführt haben. Und damit auch zu einer noch stärkeren Erwärmung. "

    Als Munition für die sogenannten Klimaskeptiker eignet sich die neue Studie übrigens nicht. CO2 ist damit als Treibhausgas keineswegs entzaubert, auch wenn es damals, vor 55 Millionen Jahren, vielleicht nicht der Initialzünder für die Erwärmung des Klimas war. Appy Sluijs sieht nun sogar noch größeren Grund zur Sorge:

    " Es gibt keinen Zweifel daran, dass Kohlendioxid als Treibhausgas wirkt. Unsere Studie zeigt nun, dass es Prozesse im Klimasystem gibt, die zusätzlich große Mengen Kohlenstoff freisetzen können, wenn eine Erwärmung schon in Gang ist. "