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Türkei
Widerstand gegen Islamisierung von Schulen

Immer mehr staatliche Schulen in der Türkei werden in sogenannte Imam-Hatip-Schulen umgewandelt, in denen die Fächer Koran und Leben des Propheten zu den Hauptfächern zählen. Die islamisch-konservative Regierung fördert diese Schulen mit religiöser Orientierung. Viele Eltern und Lehrer aber wehren sich gegen die zwangsweise Umwandlung von Schulen - auch zum Beginn des neuen Schuljahrs.

Von Thomas Bormann | 16.09.2014
    Türkische Schüler tragen Kopftücher.
    Viele Eltern und Schüler fürchten eine schleichende Islamisierung der türkischen Schulen. (AFP / Mehmet Engin)
    Eltern und Schüler der Yesilbahar-Schule im Istanbuler Stadtteil Göztepe feiern ihren Sieg über die Schulbehörde. Ihre Schule bleibt eine ganz normale Schule mit dem üblichen Lehrplan. Sie wird nicht, wie es die Behörde plante, in eine sogenannte "Imam-Hatip-Schule" umgewandelt.
    Imam-Hatip-Schulen - das sind religiös geprägte Schulen: Im Stundenplan stehen drei zusätzliche Fächer, nämlich: Koran; das Leben des Propheten und Arabisch. Und die Mädchen tragen im Unterricht Kopftuch, was an den normalen staatlichen Schulen der Türkei verboten ist. Ilknum Birol von der Lehrergewerkschaft ist empört, dass die islamisch-konservative Regierung immer mehr Schulen in religiöse Schulen umwandelt:
    "Wir werden nicht zulassen, dass unsere Kinder zum Futter für diese rückständige Ordnung werden."
    Sie will, dass auch künftig alle Schüler in der Türkei nicht nach dem Koran erzogen werden, sondern nach den Idealen von Staatsgründer Atatürk. Was das genau bedeutet, bringt eine Musiklehrerin auf den Punkt:
    "Jedes einzelne Kind ist wertvoll. Unsere Kinder sollen in einem aufgeklärten Land groß werden."
    Die Behörde hatte erst unmittelbar vor den Sommerferien angekündigt, dass die Yesilbahar-Schule im Istanbuler Stadtteil Göztepe in eine Imam-Hatip-Schule umgewandelt werden soll. Angeblich hätten viele Eltern den Wunsch geäußert, dass ihre Kinder künftig mehr Religion lernen sollen.
    Widerstand gegen die Umwandlung der Schule
    Stimmt überhaupt nicht, meinten dagegen Hunderte Eltern der betroffenen Schule und organisierten während der Sommerferien ihren Widerstand gegen die Umwandlung der Schule. Ilknum Birol von der Lehrer-Gewerkschaft ist wütend auf die Schulbehörde:
    "Sie gehen mit allen Mitteln ans Werk, damit sie unsere kleinen Kinder in einer Imam-Hatip-Schule einer religiösen Bildung unterwerfen können. Die Kinder sollen dann vor allem eines lernen: gehorchen."
    Auf ihrer kleinen Siegesfeier zählten die Eltern der Yesilbahar-Schule auf, wo in der Türkei es ebenfalls Elternproteste gegen die Umwandlung von Schulen gibt: in Canakkale im Westen der Türkei, in den Istanbuler Stadtteilen Sisli, Beykoz und Acibadem und vielen anderen Orten:
    "Unser Kampf hat erst begonnen. Und er wird wachsen. Denn wir haben es mit einer Ideologie zu tun, die unersättlich ist. Wir müssen mindestens so entschlossen und so hartnäckig sein wie die Vertreter dieser Ideologie."
    Die Gewerkschafterin gibt sich kämpferisch - ihr Feindbild ist die Ideologie der islamisch-konservativen Regierung und des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der als Kind selbst eine Imam-Hatip-Schule besucht hatte und der diese Schulen nach Kräften fördert, gegen den Widerstand mancher Elterngruppen:
    „Das ist erst der Anfang", rufen die Eltern der Yesilbahar-Schule in Göztepe, die die Umwandlung ihrer Schule verhindert haben.
    Hier, im Istanbuler Stadtteil Göztepe, sind sie eindeutig in der Mehrheit. Aber in manchen Gegenden der Türkei sieht das Bild anders aus. Dort sind viele Eltern froh, wenn die Religion eine größere Rolle im Unterricht spielt und wenn die Töchter mit Kopftuch in die Schule gehen.
    Der Streit um die Imam-Hatip-Schulen zeigt erneut, dass die Türkei ein gespaltenes Land ist.