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Türkische Geldpolitik
Die Märkte müssen noch überzeugt werden

Die Zentralbank in Ankara hat angekündigt, ihre Zinspolitik zu vereinfachen. Der dramatische Sinkflug der türkischen Lira ist damit vorerst gestoppt. Noch am Wochenende hatte Präsident Erdogan die Bevölkerung aufgerufen, zur Stützung des Lira-Kurses ihre ausländischen Devisen in die türkische Währung umzutauschen.

Von Brigitte Scholtes | 28.05.2018
    Der türkische Präsident Erdogan hat den derzeitigen OIC-Vorsitz
    Recep Tayyip Erdogan hatte am Wochenende an seine Landsleute appelliert, Bargeldbestände in Euro und US-Dollar in türkische Lira zu tauschen (YASIN AKGUL / AFP)
    Es war ein dramatischer Appell, den der türkische Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Samstag an seine Landsleute richtete, sie sollten die Dollar und Euro unter ihren Kopfkissen in Lira umtauschen: "Wir werden zusammen diesen Komplott vereiteln", hatte er da gesagt. Denn seit Jahresbeginn hatte die Lira gegenüber dem Dollar und dem Euro mehr als 20 Prozent an Wert verloren. Die Schuld für den Verfall einer Währung werde in solchen Krisen häufig nicht bei sich selbst gesucht, sagt Ulrich Leuchtmann, Devisenexperte der Commerzbank:
    "Man findet so etwas in vielen Krisen in solchen Phasen, und da ist natürlich so ein Appell an das Nationalgefühl dann hilfreich in der Argumentation, man müsse sich gegen ausländische Spekulanten stemmen, um abzulenken von den eigenen Taten, die dazu geführt haben, dass wir diese Schwäche der Lira sehen und diese Krise der Lira."
    Ein solcher Appell habe tatsächlich in anderen Krisen schon Erfolg gezeigt, hat Leuchtmann beobachtet: "In der Asienkrise war es so, dass es tatsächlich einen Appell gab, der auch sehr erfolgreich war, dass südkoreanische Haushalte ihre Goldbestände der Zentralbank übertragen haben, die dadurch ihre Goldreserven aufstocken konnte. Auch da war das Volumen nicht das entscheidende, sondern da war das entscheidende, dass der Markt sah, dass die südkoreanische Gesellschaft insgesamt bereit war, gewissen Schmerz hinzunehmen, um aus der Krise wieder rauszukommen. Das war quasi die Nachricht, die dadurch an den Markt gesandt wurde, die dann positiv dazu beigetragen hat, dass die Krise in Südkorea dann auch wieder abebbte in den Neunzigern."
    Märkte haben sich wieder beruhigt
    Doch ob das nun auch im Fall der Türkei helfen kann, davon ist der Devisenexperte noch nicht überzeugt: "Das Problem ist allerdings, dass wir in der Türkei momentan in einer Situation sind, wo diese langfristige Aussicht auf die Geldpolitik, dass sie langfristig vernünftig bleibt, erschüttert ist. Und dieses Vertrauen wiederherzustellen ist viel schwieriger als diese Appelle, die wir gerade gesehen haben von Herrn Erdogan, heimische Devisen, Fremdwährungsbestände aufzulösen."
    Die Märkte haben sich zwar heute wieder etwas beruhigt, denn sie hoffen auf die Zusicherungen, die der türkische Notenbankchef und der stellvertretende Ministerpräsident auf einer Investorenkonferenz gegeben hatten. Danach wolle die Türkei doch wieder zu einer konventionelleren Geldpolitik zurückkehren. Denn angeblich will die Notenbank nun doch wieder den Repo-Zinssatz, zu dem die Zentralbank den Banken Geld leiht, zum Schlüsselzinssatz machen – so wie das eben die meisten anderen Notenbanken der Welt auch handhaben. Ob sich damit nun die Lage stabilisiert, davon ist Ulrich Leuchtmann jedoch noch nicht überzeugt:
    "Letztendlich wird entscheidend sein, ob die türkische Regierung und die türkische Zentralbank den Markt davon überzeugen können, dass sie weiterhin ein attraktiver Platz für ausländisches Kapital sind. Denn das ist die große Menge über die wir hier reden, und nicht die kleinen Beträge, die der ein oder andere türkische Haushalt unter seinem Kopfkissen hat."
    Denn ob die Versprechen vom Wochenende, wieder eine konventionellere und transparentere Geldpolitik zu betreiben, auch nach der Wahl am 24. Juni Bestand haben, davon müssen die Märkte noch überzeugt werden.