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Turnhallen als Herberge für Flüchtlinge
Eine ganz andere Weihnachtsgeschichte

Die Not ist groß. Hunderttausende Flüchtlinge kommen nach Europa, ein Dach über dem Kopf bieten oft nur Turnhallen, zum Beispiel die an der Kölner Mainstraße. Vier Wochen haben wir sie beobachtet vom Umbau über den Einzug der Flüchtlinge bis zum ersten Willkommensfest. Eine Dokumentation über Gedanken und Gespräche, Sorgen und Hoffnungen und die Suche nach einer Herberge.

Von Andrea Schültke |
    Das Welcome ist mit Handabdrücken auf ein gelbes transparent geschrieben.
    Willkommens-Schild an der Turnhalle Mainstraße in Köln (Andrea Schültke )
    Sonntag, 1. Advent. Ein ruhiges Wohngebiet im Kölner Süden. Viele Mehrfamilienhäuser. Mittendrin ein Schwimmbad. Gleich daneben eine moderne Dreifachturnhalle.
    Ein Blick durch ihre großen Fenster zeigt Menschen in dunklen weiten Hosen und weißen Kitteln. Sie halten ungewöhnliche Bogen, am Ende der Halle stehen Zielscheiben. Hier trainiert die Kyudogruppe Köln. Japanisches Bogenschießen. Es wird ihr vorerst letztes Training in der Mainstraße sein. Denn zwei Tage vorher hat die erste Vorsitzende Karin Körner erfahren: die Halle wird zur Notunterkunft für Flüchtlinge.
    "Das war insofern auch etwas emotional fordernd, weil wir überlegt haben können wir überhaupt weitermachen. Wenn Sie das nicht regelmäßig machen, nicht oft genug machen, was hat das für Folgen für Ihren Sport? Es ist eine Körper-Geist-Seele-Geschichte. Diese Bewegungen, die man im Kyudo macht sind keine Alltagsbewegungen . Das heißt, man muss sie sich immer wieder abverlangen, weil Kyudo entwickelt sich kontinuierlich. Das heißt, man kann es nicht irgendwann und dann macht man das eben immer, sondern man entwickelt sich pro Training, pro Training, pro Training. Es ist nicht so einfach für eine lange Zeit diese Bewegungen nicht zu machen. Man fängt natürlich nicht bei null wieder an, aber es ist schon eine sehr anspruchsvolle Körpertechnik, die da zu exerzieren ist und deswegen ist die Kontinuität der Übungen sehr, sehr wichtig."
    Und von dieser Kontinuität kann am 1. Advent keine Rede sein. Das gilt auch für die Cologne Kangaroos. Die Handballer tragen sonntags in der Halle Mainstraße immer ihre Ligaspiele aus. Am 1. Advent zum letzten Mal. Verständnis bei Bernd Rölle, dem 1. Vorsitzenden der Cologne Kangaroos: "Am 1. Advent haben wir unser letztes Meisterschaftsspielwochenende dort gehabt und haben schon gesagt: ab Montag ist es zu. Es war natürlich sehr kurzfristig aber die Flüchtlinge kommen kurzfristig und man kann nicht sagen: jetzt schlaft mal zwei Wochen unter freiem Himmel und dann haben wir die Halle auch soweit und wir haben noch ein bisschen trainiert. Es geht nicht anders. Man muss es leider so hinnehmen wie es ist."
    Bernd Rölle sitzt in einem Büro.
    Bernd Rölle (Andrea Schültke )
    Außer den Handballern und der Kyudogruppe haben drei weitere Vereine die Halle an der Mainstraße nachmittags und an den Wochenenden genutzt, so die Stadt Köln. Tagsüber war die erst kürzlich renovierte Dreifachturnhalle reserviert für 1 400 Kinder und Jugendliche der drei benachbarten Schulen und für ihren Sportunterricht.
    Vorbereitungen für den Einzug laufen
    Sonntag, 2. Advent. Die katholische Kirche in der Nähe lädt zum Adventsgottesdienst. Die Vögel zwitschern, sonst ist es ruhig in der Mainstraße.
    Ein Blick in die Turnhalle ist von außen jetzt nicht mehr möglich. Auf den großen Fenstern klebt inzwischen eine blickdichte Folie. In der Halle brennt Licht. Mehr ist von den Vorbereitungen für den Einzug der Flüchtlinge nicht zu erkennen. Das ändert sich am nächsten Tag: Seit einer Woche ist die Halle für den Sport geschlossen. Nun werden auch außen die Vorbereitungen sichtbar für den Einzug der Flüchtlinge. Drei Männer errichten einen mobilen Bau-Zaun. Zu zweit tragen sie die zwei Mal drei Meter großen Stahlelemente und stecken sie in Betonfüße. "Können Sie mir sagen, was hier passiert? - Ich bin nicht berechtigt, Ihnen Antworten zu geben, am besten gehen Sie zur Schulleitung rein. Danke. Gerne."
    Außenansicht mit Scheibe.
    Blickdichte Folie auf den Fenstern (Andrea Schültke )
    Eine der drei benachbarten Schulen, eine Grundschule, grenzt direkt an die Turnhalle. Die Rektorin dort werde ich später noch treffen. Am Nachmittag ist klar: der Bauzaun soll den Eingang zur Schule abgrenzen von dem Eingang zur Turnhalle. Dafür sorgt eine weiße Plastikplane. Sie ist über die Stahlelemente gespannt.
    Der Bauzaun als Sichtschutz.
    Der Bauzaun als Sichtschutz. (Andrea Schültke )
    Am nächsten Morgen schauen die Kinder auf dem Weg zur Schule neugierig den neuen Zaun an. Eine Tür zur Turnhalle steht offen, gibt den Blick frei auf das, was in den vergangenen Tagen dort passiert ist. Die Sporthalle ist zur Notunterkunft geworden.
    Keine Privatsphäre
    Nagelneue, dunkle Feldbetten stehen dicht an dicht auf dem hellen Holz, das den eigentlichen Hallenboden schützend abdeckt. Trennwände zwischen den Betten gibt es nicht, aus Brandschutzgründen. Keine Privatsphäre in der Schlafstatt für 200 Menschen. Wann sie kommen ist unklar. Es kann nicht mehr lange dauern.
    Die geöffnete Hallentür mit Feldbetten.
    Die geöffnete Hallentür mit Feldbetten. (Andrea Schültke )
    Mittlerweile hat die Stadt Köln nach eigenen Angaben 14 Turnhallen als Notunterkünfte für Flüchtlinge bereitgestellt, drei weitere kommen bis zum Jahresende hinzu, heißt es.
    Zehn Toiletten und zehn Duschen
    Turnhallen, die zur Notunterkunft werden, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, schreibt die Stadt. Wichtig sind demnach Zustand und Anzahl der Sanitäranlagen. In einer Dreifachturnhalle müssen für Männer und Frauen jeweils mindestens zehn Toiletten und zehn Duschen zur Verfügung stehen. Gibt es die nicht, muss auf dem Außengelände Platz da sein, für zusätzliche mobile Sanitärcontainer. Außerdem ist Raum für die Essensausgabe nötig.
    Die Halle soll möglichst am Rand des Schulgeländes liegen, damit der Schul- und Pausenbetrieb reibungslos ablaufen kann. So die Infos der Stadt Köln. Offenbar erfüllt die Turnhalle Mainstraße diese Kriterien. Aber wie sieht das in der Praxis aus? Wie wird aus einer Turnhalle eine Notunterkunft für Flüchtlinge? Und wie leben die Menschen dort? Ich bekomme die Erlaubnis, Antworten zu finden. Darf in die Notunterkunft.
    Und das, obwohl am Morgen tatsächlich die ersten Flüchtlinge in der Mainstraße angekommen sind. "Keine Töne, keine Fotos, Sie stehen mitten im Wohnzimmer dieser Menschen". Diese Infos gibt mir die Dame vom sozialen Dienst der Stadt noch am Telefon. Dann nennt sie mir einen Ansprechpartner vor Ort.
    Das Herzlich-Willkommen-Schild an der Tür.
    Freundliche Begrüßung an der Tür (Andrea Schültke )
    Dort angekommen melde ich mich beim Wachdienst in der Eingangshalle. Der bringt mich zum Heimleiter: "Mein Name ist Alfred Hungenbach, ich arbeite für das DRK hier in Köln und betreue die Mainstraße. Das ist eine Dreifachturnhalle, das ist Standard hier in Köln bei den Turnhallen als Notunterkünfte für 200 Menschen."
    "Was sehen wir, wie sieht das aus?"
    "Man sieht eine leere Turnhalle gefüllt mit Feldbetten und Spinden. Heute sind die ersten Flüchtlinge angekommen. Heute 37 Flüchtlinge."
    "Woher kommen die Menschen?"
    "Aus anderen Notunterkünften in NRW und aus den Ländern her in der Hauptsache aus Syrien und Afghanistan."
    "Wie verständigen Sie sich?"
    "Ich hab zwei Hände und komme ganz gut klar, es war noch nie ein Problem mit der Verständigung.
    "Das ist jetzt so aufgeteilt, eine Dreifachhalle dazwischen Wände runterlassen mehr gibt es nicht?"
    "Wir werden die aufteilen für Familien, hier werden nur Familien untergebracht, keine allein reisenden Männer und wir werden gleich die Betten so zusammenschieben, dass eine Familie vier, fünf, sechs Betten so eine Art Block haben, so ein bisschen separat sind aber ohne Sichtschutz so sechs Betten zusammen, so dass sie ein bisschen wissen, wo sie hingehören. Dann bekommen die Bettwäsche von uns, alles neu und dann richten sie sich ihre Liege ein und ein Spind da können sie ihre Privatsachen abschließen und dann gibt es was zu essen und zu trinken und dann heißt es erst mal warten."
    "Worauf?"
    "Auf die nächsten Akte, die jetzt passieren müssen, die sind alle neu nach Köln gekommen, müssen registriert werden, zum Sozialamt Krankenscheine und Geld holen, müssen angemeldet werden, das sind die nächsten Gänge, die hier in Köln passieren."
    Essen nach Ampelsystem
    Unter den 200 Menschen in einer Notunterkunft Turnhalle seien in der Regel 80 Kinder von null bis achtzehn Jahren, erzählt Heimleiter Hungenbach weiter. Wir gehen in Richtung Essensausgabe. Ein Cateringdienst beliefere alle Notaufnahmen des Roten Kreuzes in Köln
    "Wir sehen den dritten Teil der Dreifachturnhalle. Zwei Teile mit Betten belegt , im dritten Teil... der dritte Teil ist teilweise auch noch mit Betten belegt und der Rest ist für die Essensausgabe vorgesehen."
    "Hier sehen wir jetzt Menschen, die da sitzen, teilweise auch mit dem Kopf auf dem Tisch sich ausruhen vielleicht können Sie mir die Essensausgabe zeigen..."
    "Wir haben hier ein Ampelsystem entwickelt mit 5 verschiedenen Farben, weil nicht alle auf einmal kommen sollen, sondern immer 30/40 Personen. Die kriegen von uns Bändchen in einer Farbe und dann können die zu den Zeiten eine halbe Stunde in Ruhe essen und dann kommt die nächste Gruppe dran. Abendessen die Farbe Grün hat ...von 16.30 bis 17 Uhr, die Farbe Gelb als letzte von 18.30 bis 19 Uhr. Dasselbe gibt es auch für Frühstück und Mittagessen.
    Ein grünes Armband
    Ein grünes Armband für die Essensausgabe (Andrea Schültke )
    So also hier ist jetzt der Bereich der Umkleiden. Jetzt sind wir bei den Frauenduschen, da sind Schilder, da steht in verschiedenen Sprachen drauf. Englisch, deutsch, arabisch, Farsi, zwei Toiletten, drei Duschen nebeneinander, manchmal fünf Duschen, das ist bei jeder Turnhalle anders."
    "Für Frauen und Kinder stehen jetzt zwei Toiletten und drei Duschen zur Verfügung?"
    "Hier in diesem Duschraum, es gibt noch separate Toiletten , die haben nichts mit dem Duschraum zu tun."
    "Drei Duschen, mehr gibt es nicht?" "Sechs Duschen zweimal, für die Herren also 12 Duschen insgesamt."
    "Gibt es da auch Bändchen und Pläne?"
    "Nein, das können die Menschen 24 Stunden rund um die Uhr benutzen, die stehen einfach offen."
    Grundversorgung sicherstellen
    Hausmeister seien bis nach Mitternacht in der Unterkunft im Einsatz. Sie würden auch die Sanitäranlagen reinigen. Ein Wachdienst ist rund um die Uhr vor Ort. Er selbst bleibe nur zwei oder drei Tage Heimleiter der Notunterkunft Mainstraße, erzählt Alfred Hungenbach:
    "Weil dann mache ich die nächste Turnhalle auf diese Woche, die Westerwaldstraße und nächste Woche noch zwei andere Turnhallen."
    "Sie sind dann immer der Heimleiter für den Anfang."
    "Ich bringe das zum Laufen und dann geht es in die nächste Turnhalle."
    "Turnhallen sind ein Notbehelf, wenn man ganz schnell viele Menschen unterbringen muss, richtig?"
    "Die Turnhallen sind einfach unter dem Gesichtspunkt zu sehen 'Vermeidung von Obdachlosigkeit' Wir bieten einen warmen Platz an, ein Bett, etwas zu essen und sorgen mit der Sozialberatung für medizinische Versorgung, Krankenschwester vor Ort oder Ärzten. Mehr darüber hinaus ist schön, aber mehr ist im Moment nicht möglich."
    Respekt vor Leistung der Flüchtlinge
    Davon konnte sich auch Karin Körner ein Bild machen. Die Kyudogruppe Köln hat ihre Gerätschaften noch in einem separaten Raum in der Halle Mainstraße gelagert. Daher war sie auch dort, nachdem die Flüchtlinge eingezogen waren. "Zunächst haben wir gesehen, dass unser Verlust, der Verlust unserer Räumlichkeiten anderen Menschen zu Gute kommt. Und mit solchen Verlusten kommt man immer besser zu Recht wenn man weiß, dass das für etwas gut ist und nicht einfach nur vergebens. Und insofern hat dann der Geist, dass wir jetzt helfen müssen und vor allem der Respekt vor den Leuten, was die eigentlich leisten um dort untergebracht zu werden, das hat die Sache dann nochmal in ein ganz anders Licht gebracht."
    "Sie waren in Halle, und haben sich einen Eindruck verschaffen können von den Menschen und der Situation - was haben sie bemerkt, festgestellt?"
    "Uns hat schon schockiert, dass eine für unsere Vorstellungen unendlich große Zahl von Menschen da Feldbett an Feldbett und Schrank an Schrank miteinander leben müssen, bar jeder Intimität, jeder Privatheit und haben uns schon vorgestellt: Was ist das für eine Herausforderung für diese Leute mit dieser Situation fertigzuwerden. Und vor diesem Hintergrund sind fast unsere Ängste und Bedenken und unser Ärger, Ärger war es durchaus auch, dass wir diese Halle verlieren, diese Bedenken sind etwas gewichen zugunsten des Respekts der Leute, die dort mit dieser Lebenssituation zu Recht kommen müssen."
    Stadt lädt zur Infoveranstaltung
    Bestimmt 200 Personen sind in die Aula des Gymnasiums neben der Turnhalle gekommen. Die Stadt hat die Anwohner und alle von der Hallenschließung Betroffenen zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Schulleiterinnen sind da, viele Eltern von Kindern und Jugendlichen der drei Schulen, die sonst in der Turnhalle Sportunterricht haben. Auch viele Mitglieder der örtlichen Willkommensinitiative. Sie haben schon am Eingang Infoblätter verteilt.
    Nach der Begrüßung durch den Moderator hält Josef Ludwig seinen Einführungsvortrag. Er ist kommissarischer Leiter des Kölner Amtes für Wohnungswesen und zuständig für die Unterbringung von Flüchtlingen. Er zeigt den Zuhörern viele Tabellen, Listen und Grafiken. Darauf, die Zahlen der Flüchtlinge, die in diesem Jahr nach Köln gekommen sind - doppelt so viele wie im Vorjahr.
    "Obdachlosigkeit vermeiden"
    Bis zum Monatsende werden es 10 500 Menschen sein. Allein im Dezember erwartet Josef Ludwig jede Woche 400 Flüchtlinge, die ein Obdach brauchen. Dann berichtet er noch von den Schwierigkeiten, Grundstücke für den Bau von Heimen zu finden und warum welcher leerstehende Baumarkt nicht für die Unterbringung genutzt werden kann.
    Am Ende habe ich den Eindruck die Turnhallen würden nicht zur Notunterkunft umfunktioniert, wenn sie nicht wirklich gebraucht würden. Die Sportvereine ärgert allerdings, dass sie von der Schließung ihrer Halle immer erst ganz kurzfristig erfahren. Im Interview nach dem Infoabend schildert Josef Ludwig den Grund: "Wir haben eine Notsituation wir müssen Obdachlosigkeit vermeiden und ich muss abwägen zwischen dem hohen Gut ein Obdach zu haben und dem Gut Schulsport und Vereinssport ausüben zu können. Und dieses tu ich immer dann, wenn diese Abwägung notwendig ist und nicht schon Wochen vorher und die Abwägung fällt regelmäßig für das Obdach aus. Obdachlosigkeit darf es nicht geben in Köln im Flüchtlingsbereich und deshalb nehme ich dann in Notsituationen Turnhallen."
    "Bieten Sie einen Ersatz an den Vereinen oder den Schulen, die in diesem Fall davon betroffen sind?"
    "Es wird von der Stadt von anderen Ämtern , dem Amt für Schulentwicklung, dem Bürgeramt und dem Sportamt geprüft, ob es Ersatzangebote geben kann, aber realistischerweise muss man zugeben, dass mit der Vielzahl von Turnhallen, die wir zurzeit belegen, keinen hundertprozentigen Ersatz anbieten kann. Es gibt Einschnitte im Schulsport und auch im Vereinssport. Auch außerhalb von Turnhallen kommen einige Unterbringungen wieder in die Belegung rein und wir werden sehen müssen, ob wir genug produzieren um die Flüchtlingszahlen im Januar auffangen zu können, ohne Turnhallen zu belegen."
    "Ein Dach über dem Kopf wird es immer geben"
    "Viele Turnhallen sind baufällig und möglicherweise auch deshalb nicht geeignet für die Unterbringung von Flüchtlingen. Kommt das jetzt noch hinzu, der Renovierungsstau?"
    "Wir haben von den 270 städtischen Turnhallen knapp 170 ausgeschlossen, weil sie aus vielfältigen Gründen nicht in Frage kommen, nur ca. 100 Turnhallen stehen aus baulichen Gründen für die Belegung mit Flüchtlingen zur Verfügung. Und es gibt natürlich noch einen Renovierungsstau in einigen Hallen, einige sind gesperrt. Das erhöht natürlich noch den Druck auf die Vereine und auf den Schulsport."
    "Eine logistische Frage. Da stehen ganz viele Feldbetten, die neu waren. Wenn Sie sagen, es ist ganz schwierig überhaupt noch an diese Materialien zu kommen - woher bekommen Sie dann überhaupt noch Feldbetten?"
    "Wir arbeiten hier sehr eng mit der Feuerwehr zusammen, die auch für den Katastrophenschutz Feldbetten vorrätig hält und wir bestellen in tausender Chargen diese Feldbetten, lagern die selber und ziehen sie dann heran, wenn es notwendig ist. Also da haben wir mittlerweile auch längere Lieferzeiten aber wir haben eine Vorratshaltung, die uns jetzt zu Gute kommt."
    "Also ein Bett bekommt jeder Flüchtling?"
    "Ein Bett und ein Dach über dem Kopf wird's in Köln immer geben, ja."
    Hilfsbereitschaft ist groß
    Das erinnert irgendwie an die Weihnachtsgeschichte. Es muss ein Obdach gefunden werden. Aber das war den meisten der 200 Zuhörer in der Aula ohnehin schon vorher klar. Sie waren aber offenbar mit einem ganz anderen Anliegen gekommen: Sie wollten helfen. Ganz viele Wortmeldungen drehten sich um die Frage: Was können wir tun, an wen müssen wir uns wenden, wie können wir mit den Flüchtlingen Kontakt aufnehmen und wann?
    Auch Hildegard Höhfeld-Kalter war nach der Veranstaltung umringt von Menschen. Alle wollten der Direktorin einer der drei benachbarten Schulen ihre Hilfe anbieten wollten. Unterstützung für die Schulkinder, die nun keinen Sportunterricht in der Halle mehr haben.
    "Wann haben Sie erfahren, dass Sportunterricht ausfällt und wie haben Sie darauf reagiert?"
    "Wann spielt 'finde ich' keine Rolle, weil wir alle wussten irgendwann kann das passieren, aber wir haben so reagiert, dass unsere Sportfachkonferenz sich sofort zusammengesetzt hat und wir haben das Thema 'Sport gibt's auch ohne Halle' ausgegeben und jetzt sind wir mal kreativ und überlegen, wie wir mit den Kindern Sport ohne Halle machen können. Zum Beispiel eine Kollegin im ersten Schuljahr hat mit den Erstklässlern Übungen in der Pausenhalle mit Bällen gemacht. Wir haben so kleine gute Bälle, die dann auf den Füßen und Balancierübungen und Ballwerfen hoch also das geht wir haben Schwimmunterricht nach wie vor das Schwimmbad ist ja hier also unsere Lehrer sind einfach kreativ, es gibt so viel Bewegungsmöglichkeiten für Grundschüler, die man nicht unbedingt in der Halle machen muss. Und wir haben jetzt auch noch mal herausgekramt - es gab ja früher nicht überall Hallen an Schulen, da gibt's ein kleines Büchlein "Sport im Klassenraum". Das haben wir für alle kopiert und daraus kann man auch nochmal was machen. Und wir haben noch die Idee gehabt, Sportprojekttage zu machen also wir fahren einen Tag in die Kletterhalle, also einmal im Monat einen Sportprojekttag. Das sind so, was mir spontan einfällt."
    "Auch die Eltern rennen Ihnen nicht die Tür ein und schimpfen?"
    "Sie rennen nicht die Tür ein. Es sind wirklich nur ganz, ganz Wenige, Vereinzelte, die sich ein bisschen kritisch äußern. Aber die kann man wirklich an einer Hand abzählen. Die meisten sind ungeheuer positiv wollen helfen und sehen einfach die Lage als, die ist jetzt so an und wir müssen damit fertig werden. Also ich hab eben noch mit einem Vater unserer Schule gesprochen der gesagt hat, ich weiß noch, was meine Großmutter, die geflohen ist in der Nachkriegszeit mir erzählt hat. Wir sind doch so glücklich, dass wir eine Generation sind, die ohne Krieg und Flüchtlingssituation aus einem Erleben aufwachsen konnten also wir sind positiv eingestellt."
    Wir sind positiv eingestellt heißt: Wir machen das Beste aus der Situation. Und das scheint für die Schulen wesentlich einfacher als für die Vereine. Denn wenn es um Ersatz-Hallenzeiten geht, haben die Schulen Vorrang. Die Stadt ist nämlich nicht nur verpflichtet Obdachlosigkeit zu vermeiden. Sie muss auch den Schulunterricht sicherstellen, in diesem Fall im Fach Sport. Das bedeutet für die Mitarbeiter des Schulamtes: freie Kapazitäten in umliegenden Turnhallen finden oder auch Räume bei kommerziellen Anbietern anmieten.
    Ersatz gefunden
    Zehn Tage nach der Hallenschließung: Auch für die Kyudogruppe Köln hat sich die Situation ein wenig entspannt. Die schlimmsten Befürchtungen von Karin Körner haben sich nicht bestätigt. Für ihre 40 Bogenschießkünstler gibt es einen kleinen Ersatz. Immerhin eine Trainingseinheit anstatt der bisher drei ist möglich:
    "Hilft Ihnen das denn?"
    "Das hilft uns enorm, weil wir erst mal überhaupt weiter bestehen können, wir hatten ja anfangs überlegt, das war's jetzt. Wer weiß, wann wir wieder irgendwann mal Kyudo machen können. Das hat uns sehr ermutigt und gefreut und ein Drittel ist besser als gar nichts. Das haben wir erst gar nicht zu hoffen gewagt. An drei Plätzen haben wir jetzt also Ausweichmöglichkeiten. Das Problem ist, dass wir in unserer Bogenschießkunst auf 28 Meter schießen. Das heißt wir brauchen mindestens eine Distanz von 35 Metern, weil wir haben Sicherheitsbedingungen für die Räume, wir müssen auch noch bestimmte Bewegungen durchführen um überhaupt zum Schießen zu kommen, bestimmte Zeremonien. Kyudo ist also nicht nur schießen sondern auch eine Bewegungskunst und es ist auch eine Bewegungsform damit verbunden, deswegen brauchen wir diesen großen Platz und Plätze diesen Umfangs sind einfach nicht so schnell und so leicht zu bekommen."
    Auch kleine Vereine ernst genommen
    "40 Personen sind in Ihrer Gruppe und wenn ich die Stadt Köln höre, die im Dezember jede Woche 400 Flüchtlinge aufnehmen muss. Haben Sie den Eindruck gehabt, Sie sind trotzdem mit Ihrem Anliegen ernst genommen worden? Oder haben Sie vielleicht den Eindruck gehabt, die haben gerechnet 40 Kyudoleute, die sollen sich nicht so anstellen?"
    "Ich war sehr überrascht weil ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass dieser kleine exotische Verein von dem noch nicht mal alle Leute wissen, was die da überhaupt treiben, vielleicht eine Sekte oder Ähnliches, wer weiß, was die da für Rituale haben. Ich hatte fast damit gerechnet dass es heißt: erst Mal kommen die großen Vereine, da war ich sehr angenehm überrascht, dass die Stadt Köln uns gleichwertig behandelt hat. Ich war auch zugegen als die Pläne ausgehandelt wurden wer macht was. Das hat mich sehr gefreut, dass wir doch eben nicht hinten runtergefallen sind."
    Doppeltes Flüchtlingserlebnis
    "Jetzt ist Weihnachtszeit, ich denke an Maria und Josef, Obdach und Herberge - Ihre Gruppe kann sich jetzt ja mit sagen, wir haben mit anderen dafür gesorgt, dass kurz vor Weihnachten viele Menschen eine Herberge haben, ein Dach über dem Kopf."
    "Interessanterweise war das ja ein doppeltes Flüchtlingserlebnis. Wir sind gewichen, um Flüchtlingen einen Raum zu geben und wir waren selber Flüchtlinge und suchten ein Obdach und haben das von der Stadt bekommen. Insofern haben wir nun beide Aspekte dieser Flüchtlingsidee erlebt das haben wir uns dann irgendwann auch gesagt und konnten irgendwann darüber lachen."
    Die Cologne Kangaroos sind der kleinste Handballverein Kölns, mit 70 Mitgliedern, erzählt ihr 1. Vorsitzender Bernd Rölle. Auch für sie gibt es ein Ausweichquartier. Die erste Herrenmannschaft hat für ihre Liga-Spiele in der Handball-Kreisklasse Zeiten in einer anderen Halle bekommen. Aber die sechs bis acht Trainingsstunden pro Woche in der Halle Mainstraße fallen für seinen Verein aus, so der 1. Vorsitzende der Handballer:
    "Was machen Ihre 70 Mitglieder – wie gehen die mit der Situation um?"
    "Ich hab am Anfang gedacht, da wird bestimmt der ein oder andere sich beklagen und sagen, das geht doch nicht und die Flüchtlinge sollen da bleiben wo sie sind. Hab ich so ein bisschen mit gerechnet, ist aber nicht passiert. Also tatsächlich haben die Leute, mit denen ich gesprochen habe, von denen ich gehört habe alle ein Einsehen und sagen jawohl wir müssen helfen, es geht ja nicht anders, die Leute können ja nicht unter freiem Himmel schlafen und ich habe dann auch mal die Gegenfrage gestellt bei dem ein oder anderen wollt ihr vielleicht tauschen? Und dann sagen alle besser nicht, das ist kein Leben, die haben's schon schwer genug. Wenn das für eine bestimmte Zeit ist – und das muss die Maxime sein – es kann nur für eine bestimmte Zeit sein, müssen wir uns damit arrangieren, dass wir die Halle nicht zur Verfügung haben. Es darf nur keine Dauerlösung sein, aber ich habe nicht das Gefühl, dass das eine Dauerlösung werden soll. Es wird ja überall gebaut und gewerkelt und versucht andere Unterkunftsmöglichkeiten zu finden und ich hab das Gefühl, das wird bald greifen. Hier im Kölner Norden entstehen gerade einige Flüchtlingsunterkünfte. Vielleicht ist das ein Modell für noch mehr Lösungen dieser Art, dass die Turnhallen den Vereinen wieder zurückgegeben werden, weil das kann man eine Zeitlang kompensieren aber nicht dauerhaft, dann gehen die Vereine kaputt."
    "Warum gehen die Vereine kaputt?"
    "Wenn man nicht mehr trainieren kann fällt die ganze Sache auseinander. Man kann nicht einen Meisterschaftsbetrieb machen ohne dass man die nötigen Trainingszeiten hat, ohne dass man sich darauf vorbereiten kann. Sobald man nicht vernünftig trainiert beginnt man die Spiele zu verlieren und nach und nach steigt man ab. Und die Leute verlieren die Lust und hören auf."
    Handballer sind solidarisch
    "Haben auch schon Mitglieder Ihres Vereins angedeutet, wenn das länger dauert, trete ich aus?"
    "Nein, das nicht. Da ist auch die Solidarität unter den Handballern so groß, dass man nicht solche Entscheidungen fällt. Im Übrigen, wenn man zu einem anderen Verein geht kann es sein, dass da morgen die Halle auch geschlossen wird. Handballer sind in der Regel so eingestellt, dass sie sehen wo ist Not und das auch akzeptieren und sagen, da müssen wir helfen. Natürlich hätten wir gern unsere Halle noch, aber man muss auch der Realität ins Auge schauen."
    "Fühlen Sie sich von Behörden gut informiert und gut aufgefangen?"
    "Also wir sind sofort informiert worden sobald die Stadt wusste was passiert. Das ist umfassend gemacht worden, es hat eine Infoveranstaltung gegeben man hat sofort nach Lösungen gesucht, wie der Spielbetrieb weitergehen kann, hat uns sofort eine Alternativhalle zur Verfügung gestellt für Meisterschaftsspiele am Wochenende. Trainingszeiten, da kann man halt nichts machen, aber ich habe das Gefühl, dass die Stadt da die Mitarbeiter sich sehr bemühen zu helfen und nicht zu sagen ist mir doch egal, die Vereine interessieren uns nicht, uns interessieren nur noch die Flüchtlinge ich hab schon das Gefühl, dass die Mitarbeiter der Stadt sich sehr bemühen."
    "Wenn Sie sich in Sachen Sport und Flüchtlinge etwas wünschen könne, was wäre da ihr Wunsch?"
    "In Sachen Sport natürlich klar, dass wir unsere Halle irgendwann wiederbekommen und für die Flüchtlinge, dass sie irgendwo unterkommen und menschenwürdig leben können und was das wichtigste ist, dass ihnen in ihrer Heimat so geholfen wird, das sie dableiben können weil ich glaube nicht, dass die meisten der Flüchtlinge große Lust haben ihre Heimat zu verlassen, weil Heimat ist was Wichtiges und ich glaube nicht, dass die Leute aus einer fixen Idee heraus die verlassen. Sondern die Not muss schon sehr groß sein dass man sagt: ich lasse alles zurück nehme meine zwei Kinder und eine Handtasche und gehe Richtung Westen."
    "Ist der Sport solidarisch?"
    "Auf jeden Fall ist er solidarisch man muss nur aufpassen, dass er über der Solidarität nicht kaputt geht. Da muss man natürlich Lösungen finden. Alle ziehen an einem Strang aber man muss natürlich sehen: Was kann man machen und wie kann man die Situation für die Verein verbessern ohne die Flüchtlingsproblematik außer Acht zu lassen."
    "Situation für Verein verbessern – was wäre das? Wie könnte das aussehen?"
    "Die Situation kann man natürlich nur verbessern indem man den Weg zurück in die Hallen findet, das heißt für die Flüchtlinge vernünftige, menschenwürdige Unterkünfte schnell errichtet, ich weiß nicht wie das schnell gehen soll, aber so müsste es sein, so dass die Hallen wieder ihrer ursprünglichen Nutzung zugeführt werden können. Dafür sind sie ja gemacht und die Unterkunft für Flüchtlinge in den Turnhallen kann nur eine kurzfristige Lösung sein."
    "Ist ihrem Verein bisher schon finanzieller Schaden entstanden?"
    "Nein solange wie unsere Mitglieder nicht sagen wir verlassen den Verein entsteht uns dadurch erst Mal kein Schaden. Das befürchte ich auch nicht, wir müssen als kleiner Verein natürlich sehen , wo wir bleiben, wir haben schon mit Hallennutzungsgebühren zu kämpfen, die wir jetzt hoffentlich nicht bezahlen müssen, weil wir die Halle ja nicht nutzen können, aber ich denke mal, da wird sich eine Lösung finden und der Verein wird mit dieser Situation zu Recht kommen und irgendwann werden wir in die Hallen zurückkommen und dann geht wieder normal weiter."
    Für bedrohte Vereine soll es nun einen Notfalltopf der Stadt in Höhe von 110 000 Euro geben. Damit sollen Verbandsstrafen wegen Spielabsagen im Ligabetrieb ausgeglichen werden. Oder auch Honorarforderungen von Trainern und Übungsleitern aufgrund ausgefallener Kurse oder auch Einnahmeverluste durch Vereinsaustritte. Jeder betroffene Verein kann aus diesem Topf maximal 4000 Euro bekommen. Alle Kommunen in Deutschland stehen zurzeit vor einer riesengroßen Aufgabe.
    "Obdachlosigkeit vermeiden" höre ich immer wieder. Das ist die Pflicht der Behörden. Aber nicht alle Kommunen greifen in dieser Notsituation auf Turnhallen zurück.
    Freie Sportplätze als Lösung
    Andreas Bomheuer ist Dezernent für Kultur Sport und Integration der Stadt Essen. Bei einem Telefonat erzählt er, die Ruhrgebietsmetropole habe als Ultima Ratio vorübergehend drei Turnhallen als Notunterkunft herrichten müssen. Das sei im Vorfeld mit den Betroffenen besprochen worden - zwei Schulen und neun Vereine. Mitte Dezember seien aber bereits zwei der drei Turnhallen wieder für den Sport frei gewesen, dank mobiler Unterkünfte auf Sportplätzen: "Wir haben freie Sportplätze gehabt vor dem Hintergrund, dass die Stadt Essen in den letzten Jahrzehnten sehr viele Einwohner verloren hat. Wir hatten mal 750tausend Einwohner nun sind wir bei 580tausend Einwohnern. Vor diesem Hintergrund fahren wir eine Strategie dass wir sagen, wir wollen Sportvereine auf einem Platz konzentrieren, damit wir die Plätze sinnvoll nutzen. Aus zwei Sportplätzen machen wir einen und da das System längere Zeit läuft, haben wir freie Sportplätze gehabt. Die Sportplätze haben insofern den Vorteil, als Erschließungskosten mit Elektro, Wasser Abwasser natürlich schon liegt."
    Also keine weiteren Kosten entstehen. Die Situation scheint nicht vergleichbar mit der in Köln. Die viertgrößte Stadt Deutschlands bekommt im Gegensatz zu Essen immer mehr Einwohner dazu und sucht nach Darstellung der verantwortlichen Behörde händeringend nach Grundstücken für mobile Unterkünfte. Diese Flächen scheint es in Essen zu geben. Turnhallen als Notbehelf waren daher in der Ruhgebietsstadt offenbar nur kurzzeitig ein Thema: "Vor allen Dingen haben wir dadurch, dass wir die Hallen sehr schnell freigezogen haben an Glaubwürdigkeit gewonnen. Auch bei den Sportvereinen. Ich glaube, die würden das wieder mit uns machen. Und sich darauf verlassen, dass wir nicht hinterher die Vereine hängen lassen und sagen OK, jetzt haben wir mal Eure Halle und wir holen die Menschen, die wir da einquartiert haben nicht wieder raus und bringen sie anders unter. Ich glaube, wir haben diese Glaubwürdigkeit gewonnen weil wir sehr schnell gehandelt haben und immer deutlich gemacht haben, wir möchten euch so schnell wie möglich diese Hallen wiedergeben."
    Innerhalb von nur drei Tagen hätten die Hallen wieder für den Sport zur Verfügung gestanden.
    Bremen: Turnhallen als letztes Mittel
    Die Hallen wiedergeben. Davon kann in Bremen noch längst keine Rede sein. Bei einer Diskussion des Nordwestradios erklärte auch Petra Kodré, Leiterin des Referats für Auswandererangelegenheiten wie ihre Kollegen in anderen Kommunen: Obdachlosigkeit vermeiden sei das große Ziel und die Verpflichtung. Die Belegung der Turnhallen sei bei dem rasanten Anstieg der Flüchtlingszahlen das einzige Mittel gewesen: "In unseren Plänen ist es so, dass wir im März/April die Hallen wieder verlassen, aber das Problem ist nur, ich habe schon so viele Pläne gemacht, da kamen nie Turnhallen vor, aber die Flüchtlinge halten sich nicht an meine Pläne. Wir versuchen alles um die Hallen schnell wieder dem Sport zur Verfügung zu stellen."
    In Bremen seien derzeit 18 Turnhallen belegt, das seien zwei Drittel aller Dreifachturnhallen des Stadtstaates erklärte Andreas Vroom im Nordwestradio.
    Vereinssterben befürchtet
    Der Präsident des Landessportbundes Bremen malte am 9.Dezember in der Diskussion des Senders ein düsteres Bild von der Situation des Sports. Seine größte Sorge war eine nicht kalkulierbare Zahl möglicher Vereinsaustritte:
    Wenn zehn Prozent der Mitglieder austreten ist der Verein fertig. Das ist nicht zu kompensieren. Wir haben Fixkosten und dann fängt das Vereinssterben an und das wäre ein extrem hoher Preis für die Belegung von Turnhallen.
    Konkrete Zahlen über Vereinsaustritte gebe es nicht, schreibt der Deutsche Olympische Sportbund, DOSB, auf Anfrage. Laut einer Hochrechnung des Dachverbandes seien knapp 4000 der 90 000 Vereine in Deutschland von der Belegung der Sporthallen durch Flüchtlinge betroffen. Bis zum Jahresende geht der DOSB von 1000 Hallen in Deutschland aus, die als Notunterkünfte für Flüchtlinge dienen.
    Große Erwartungen
    Von all diesen Zahlen, Sorgen und Befürchtungen des Sports, bekommen die Flüchtlinge in der Turnhalle im Kölner Süden nichts mit. Sie haben ganz andere Nöte und Probleme.
    Sonntag, 3. Advent. Es regnet, die Tropfen prasseln auf den Schirm, kein Mensch auf der Straße. In der Halle brennt Licht. Langsam wird es hell.
    Am Zaun zur Turnhalle hängt mittlerweile ein riesengroßes Plakat. Knallgelb der Untergrund, darauf steht ganz groß "Welcome". Bei genauerem Hinsehen wird klar: farbige Kinderhände haben sich zu den großen Buchstaben zusammengefügt.
    Seit fünf Tagen wohnen die Flüchtlinge mittlerweile in der Turnhalle Mainstraße. Vor dem Eingang der Halle drei Männer, sie rauchen. Einer von ihnen spricht englisch und ist bereit mit mir zu reden. Er heiße Imat erzählt er und komme aus Syrien. Er wirft einen Blick auf das große bunte Plakat. Willkommen fühlt er sich offenbar nicht, versteht nicht, warum er zusammen mit so vielen anderen Menschen in einer Turnhalle übernachten muss: "All People here, is a Problem. Why Germany go me and sleep here, why?"
    Schnell wird klar: Imat und seine Familie sind mit sehr großen Erwartungen nach Deutschland gekommen: "The Germany good. I come Germany very, very good, you help me, no sleep here. Germany help me I come here help me why no sleep, why no home. I need small home no big home I need close door for family."
    Er hat auf Hilfe gehofft hier in Deutschland und auf eine abgeschlossene Unterkunft mit Privatsphäre für seine Familie und sich. Daraus geworden sind Feldbetten in einer Turnhalle mit 200 Menschen. Imat kennt die Flüchtlings-Zahlen in Köln nicht. Woher soll er wissen, dass im Dezember jede Woche 400 Menschen wie er in Köln ankommen. Offenbar hat ihm niemand gesagt, dass die Alternative zu seinem Feldbett in der Turnhalle das Schlafen auf der Straße bedeutet hätte. Und dass in Deutschland händeringend gesucht wird nach menschenwürdigen Unterkünften für Menschen wie Imat und ihre Familien. Das kurze Gespräch macht deutlich: Es gibt hier eine riesengroße Kluft zwischen den Erwartungen und Hoffnungen mit denen die Menschen nach Deutschland gekommen sind und der Realität in einer Notunterkunft.
    Es gebe keinen Arzt für sein Baby, sagt Imat. "I need doctor no doctor go, go you doctor the ticket, ticket bus, no me go you why? Germany good. Why speek me this speek. I need doctor."
    Imat zeigt ein Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel. Wundert sich, dass er allein mit seinem Kind per Bus oder Bahn zu einem Arzt fahren soll und dass er dabei keine Unterstützung bekommt. Allerdings ist das so gewollt.
    Das System sei auf Hilfe zur Selbsthilfe ausgerichtet, erklärt Hanna Machulla vom Deutschen Roten Kreuz auf Nachfrage. Die Flüchtlinge seien in der Turnhalle nicht eingesperrt, könnten sich frei bewegen. Sie sollen sich so weit wie möglich eigenständig um ihre Angelegenheiten kümmern, etwas tun und nicht warten, bis sie etwas präsentiert bekommen. Zeitnah werde es auch eine Krankenschwester in der Unterkunft geben und die Sozialarbeiter vor Ort seien ansprechbar. Aber in den ersten Tagen nach Ankunft der Flüchtlinge könne es durchaus schon mal an der ein oder anderen Stelle haken.
    Es geht um die Grundversorgung hatte auch Heimleiter Hengenbach vor einigen Tagen erzählt: Dach über dem Kopf, ein Platz zum Schlafen, Essen und Trinken. Mehr ist nicht möglich hatte er gesagt.
    Infos kommen zu spät
    Diese Situation ist auch Klaus Hoffmann vollkommen klar. Der ehemalige Sportlehrer ist Vorsitzender des Stadtsportbundes Köln mit seinen etwa 800 Vereinen.
    Bei einem Ortstermin an der Halle Mainstraße wirkt auch er hin- und hergerissen: "Einmal finde ich es ganz toll, dass man hier geschafft hat, Willkommenskultur zu leben, dass man Flüchtlinge, die aus Ländern kommen, wo man um das Leben bangen muss, dass man hier zunächst eine Unterkunft gefunden hat. Andererseits, was machen jetzt meine Sportvereine, ich sag einfach meine weil der Sport in der Stadt mir sehr am Herzen liegt."
    Klaus Hoffmann vor dem Willkommes-Schild.
    Klaus Hoffmann vor dem Willkommes-Schild. (Andrea Schültke )
    "270 Sporthallen gibt es in Köln, 17 davon sollen bis Jahresende belegt sein. Das hört sich nicht viel an - was bedeutet es für Sport in der Stadt?"
    "Es muss auf jeden Fall zusammengerückt werden, aber es ist auch möglich und ist in einigen Stadtteilen so, dass Vereine nicht von heute auf morgen eine Bleibe finden so wie Weihnachten Maria und Josef auf der Suche. Die Stadt ist zwar sehr bemüht aber es wird immer schwieriger werden."
    "Gibt es Vereinsaustritte, haben Sie gehört, dass die Mitglieder das nicht mehr mittragen?"
    "Ich habe davon gehört, wir hatten die betroffenen Vereine abgefragt und da waren auch Hinweise, dass es zu Austritten gekommen ist. Dem gehen wir nach und wenn das der Fall ist, müssen wir diese Vereine unterstützen. Mir liegt besonders am Herzen, dass wir Solidarität zeigen, dass Vereine auffordern "bleib bei deinem Verein wir helfen gerne aus unterstütze den Verein", der jetzt, wenn das so ist die Mitglieder nicht laufen gehen."
    "Wie klappt die Zusammenarbeit mit Behörden/Stadt?"
    "Die Information kommt einfach zu spät, wie hier Mainstraße haben die Vereine sogar die Schule erst am Freitag erfahren, dass am Montag kein Schul- Vereinssport stattfinden kann. Ich war lange Sportlehrer, habe mit Plänen zu tun gehabt, den Sportplan mit erstellt und das ist schon wahnsinnige Logistik, wenn man von Freitag auf Montag sagt, die Halle kann nicht mehr benutzt werden."
    "Jetzt sagt die Stadt: Im Dezember kommen jede Woche 400 Flüchtlinge und Turnhallen sind die letzte Möglichkeit um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Was sagen Sie aus Sicht des Sports?"
    "Wir können und werden uns nicht dagegen wehren, dass Hallen als Notunterkunft dienen, aber es kann nur eine Notunterkunft sein weil für meine Person unvorstellbar mich wirklich für mehrere Tage, Wochen mich in so einer großen Halle aufzuhalten wo es soviel ich weiß es keine Privatsphäre gibt und gerade in dem Zusammenhang auch wo Flüchtlinge aus Ländern kommen, die ja auch traumatisiert sind durch die Ereignisse, ist das wirklich nur eine Notlösung, das sagt der Sport und dafür lässt er sich die Sporthallen auch wegnehmen. Ich weiß nicht wie das weitergeht im Dezember das wird sehr eng, ich hätte gern aber schon mal gewusst, welche die nächsten Hallen sind."
    Kinder der Schule auf Ausflug?
    Kinder machen sich für Ausflug bereit, Ersatzveranstaltung für ausgefallenen Sport. Ein Blick auf die Internetseite der Stadt zeigt: soviel Sportstunden fallen gar nicht aus. Fast überall können die betroffenen Schulen für ihren Sportunterricht auf Turnhallen von Nachbarschulen ausweichen. Wenn darüber hinaus noch Sportzeiten fehlen gibt es manchmal zusätzlichen Schwimmunterricht. Oder Schulsport in Kletter – Soccer- und Bechvolleyballhallen, in Fitness-Studios oder Tanzschulen.
    Indoorkletterhalle in Berlin.
    Eine Kletterhalle (picture alliance / dpa Foto: Hans Wiedl)
    Für Vereine sieht das anders aus. Alternativen häufig Fehlanzeige. Das macht Klaus Hoffmann vom Stadtsportbund Köln Sorgen: "Für mich als derjenige, der sagt Vereine sind ein wichtiger Faktor in der Gesellschaft, die das Ehrenamt praktizieren, die eine ganze Menge für Integration tun wir haben ja hier im Sport die Möglichkeit auch nonverbal mit wenigen Regeln Menschen zusammenzubringen im Spiel in der Bewegung, beste Voraussetzungen und jetzt nehmen sie uns auch noch die Grundlage, wo man das tun kann. Fußball kann man draußen tun aber wenn's regnet wird das auch schwierig."
    "Haben Sie Informationen über Vereine die ganz spezielle Sportangebote für Flüchtlinge in den Hallen, die jetzt noch offen sind?"
    "Die Sportjugend fährt mit einem Spielmobil zu den Hallen wo Flüchtlinge sind aber auch zu den Vereinen, die kooperieren oder Unterkünften und macht dort diese Angebote. Man überlegt sogar, dass es ein zweites Spielmobil gibt, was dann auch mit eingesetzt werden kann."
    Willkommenskultur im Sport
    "Willkommen im Sport" So heißt ein neues Projekt, das der Deutsche Olympische Sportbund ins Leben gerufen hat. Finanzielle Unterstützung kommt von der Bundesbauftragten für Migration und Flüchtlinge und vom Internationalen Olympischen Komitee. Insgesamt knapp eine halbe Million Euro. Interessierte Vereine können damit zum Beispiel Bewegungsangebote in Flüchtlingsunterkünften machen oder bieten Flüchtlingen einen Platz in ihren Kursen oder Mannschaften an. Auch Übungsleiter können sich mit dieser finanziellen Unterstützung auf Sportkurse mit Flüchtlingen vorbereiten.
    Eine Willkommenskultur in den Vereinen sieht Klaus Hoffmann vom Stadtsportbund auch in Köln:"Sie haben vorhin schon von Weihnachten gesprochen und Obdach, Sie klingen sehr moderat, also schon Weihnachtsstimmung und Verständnis für die Menschen die ein Dach über dem Kopf brauchen?"
    "Die Grundstimmung bei den Vereinen ist so, das finde ich ganz toll und das passt auch gut in die Zeit rein."
    "Was wünschen Sie sich für Sport und für Turnhallen für Zukunft?"
    "Man hat uns ja versprochen, dass Turnhallen Ende des Jahres wieder frei werden. Das scheint nicht der Fall zu werden. Flüchtlingszahlen werden weiter bleiben oder steigen. Ich wünsche mir, dass auf jeden Fall Ersatzmöglichkeiten, bessere Möglichkeiten gefunden werden für Unterbringung von Flüchtlingen, dass man sie schneller aus den Hallen in normale Unterkünfte bringt in Leichtbauhallen, die auch möglich sind. Die sind versprochen worden und sind wohl Anfang nächsten Jahres zur Verfügung und ich hoffe, dass dann die ersten Hallen wieder dem Sport zurückgegeben werden. Das wäre nämlich ein schöner Neujahranfang, wenn es im Januar heißt 'ok, wir geben die erste Halle wieder zurück'."
    Mehr als ein Dach über dem Kopf
    Sonntag, 4. Advent. Es ist was los. In der Grundschule gleich neben der Notunterkunft. Die örtlichen Willkommensinitiativen haben zum Fest eingeladen.
    Vor zweieinhalb Wochen sind die Menschen in die Turnhalle eingezogen. Jetzt die erste Annäherung zwischen den Anwohnern und ihren neuen Nachbarn aus der Notunterkunft. Es gibt Musik, Kinderschminken und etwas zu Essen.
    Das Willkommensfest für die Flüchtlinge in der Grundschule Köln-Rodenkirchen.
    Das Willkommensfest für die Flüchtlinge in der Grundschule Köln-Rodenkirchen. (Andrea Schültke )
    Viele Flüchtlinge von nebenan sind gekommen. Und viele, die helfen wollen. Die können sich gleich am Eingang in Listen eintragen, und ihren Fähigkeiten entsprechend Angebote machen: Sprachunterricht, Sport, medizinische Betreuung oder Hilfe bei Behördengängen. Die Listen füllen sich schnell.
    Imat habe ich nicht mehr getroffen, weiß nicht, ober er Hilfe bekommen hat für sein Baby. Mein Eindruck ist aber: Die Herberge Turnhalle kann manchmal doch mehr sein als ein Dach über dem Kopf, ein Feldbett, etwas zu essen und zu trinken