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Überlebenscamp für Sonnenstrom

Solarlobbyisten setzen sich ein für sauberen Sonnenstrom. Der macht die Energiewende teurer, weil Solaranlagen gefördert werden. Das kommt beim Verbraucher nicht gut an. Und die Konkurrenz aus China schläft nicht. Zeit also für ein Krisentreffen.

Von Philip Banse |
    "Angespannt" trifft die Stimmung der Solar-Branche wohl ganz gut. Auf der heutigen Konferenz waren heute Morgen Wörter zu hören wie "Überlebenscamp" und "dramatischer Wandel". Denn die Solarbranche hatte in diesem Jahr nicht viel zu lachen. Vor allem wegen chinesischer Konkurrenz machten reihenweise deutsche Solarunternehmen Pleite; Tausende wurden entlassen. Die Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde drastisch gekürzt - ja, es steht sogar fest, dass neue Solaranlagen bald gar nicht mehr gefördert werden: nämlich wenn in Deutschland 52 Gigawatt Solar-Leistung am Netz sind. Das wird noch ein paar Jahre dauern, aber die Solarbranche ist jetzt schon im Vollwaschgang. Karl-Heinz Remmers vom Beratungsunternehmen Solarpraxis AG.

    "Das war ein Jahr wie zehn Jahre sonst. Das war ein Wechselbad der Gefühle, was ich so noch nicht erlebt habe. Zwischen totaler Dramatik, Absturz, vielen, vielen Firmen, die es leider nicht geschafft haben, vielen, vielen Arbeitsplatzverlusten. Auf der anderen Seite mit sich international öffnenden Märkten, die aufgrund der massiv gesunkenen Kosten einfach da sind und jede Menge Chancen offerieren, die man allerdings auch erst erschließen muss."

    Um seine teils etwas desperaten Kollegen zu motivieren, gab der Solarunternehmer das Ziel aus: 200 installierte Gigawattstunden bis 2025. Das ist rund das Achtfache der heute installierten Leistung:

    "Die Aufgabe – ja, wir werden sie schaffen. Genauso wie es geklappt hat, die Rakete auf den Mond zu schießen. Denken Sie daran: Das ist das Ziel. Und nicht: aufhören."

    Holger Krawinkel vom Verbraucherzentrale Bundesverband sieht hierzulande ganz gute Chancen für Sonnenstrom. Als Verbraucherschützer hat Krawinkel immer wieder auf die hohen Kosten der Photovoltaik hingewiesen.

    "Das ist aber so was wie verschüttete Milch. Das ist jetzt so. Jetzt muss man die Zukunft sehen. Die Belastungen durch die Solarenergie sind überschaubar in den nächsten Jahren. Man muss jetzt eben sehen, dass möglichst schnell tatsächlich dieser geschützte Markt verlassen wird und Wettbewerbsfähigkeit entsteht. Und dann sehe ich große Chancen für die Solarenergie."

    Geschützter Markt, also garantierte Abnahmen und garantierte Preise für Sonnenstrom: Das wird wie gesagt in einigen Jahren vorbei sein. Wenn Solarpanele dann noch effektiver sind, sieht Verbraucherschützer Krawinkel für Sonnenstrom sehr viel Potenzial im Eigenverbrauch, wenn sich also Privathaushalte, aber auch kleine Unternehmen, mit Sonnenstrom selbst versorgen. Sonnenstrom sei die erneuerbare Energie, die am nächsten an den Verbrauchern dran sei, sagt Krawinkel. Die Preise würden sinken und Solarstrom bekäme ein ganz neues Image:

    "Man wird Energie völlig anders definieren, weil wir mit der Solarenergie in so eine Strom-Überschuss-Gesellschaft wechseln können."

    Sonnenstrom im Überfluss durch Selbstversorgung? Dazu braucht es noch bessere Speichertechniken, aber die Industrie sieht da durchaus Chancen, sagt Karl-Heinz Remmers von der Solarpraxis AG:

    "Da fängt eine ganze Menge bei Leuten an, zu ticken: Machen wir jetzt eine Solarstrom-Anarchie? Jeder baut sich eine Anlage? Schraubt sich an den Balkon so kleine Plug-and-Play-Systeme aus dem Media-Markt, ab in die Steckdose damit – dann haben wir auch bei den Millionen Wohneinheiten, die wir haben, ganz schnell eine Menge Leistung, die woanders nicht da ist. Das habe ich ein bisschen zugespitzt gesagt. Aber das kann ich mit einem Krankenhaus genauso machen, das kann ich mit einem Industriebetrieb genauso machen."

    Natürlich ist dann immer noch die Frage: Wird diese Solartechnik in Deutschland produziert oder in China? Da muss man wohl abwarten. Umweltminister Altmaier verspätete sich heute zwar, sodass ich ihn nicht mehr hören konnte. Aber immerhin: Er kam noch.