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Uferfiltration

Wer sich das Wasser von Spree und Havel ansieht, der mag kaum glauben, dass die Berliner dieses Wasser trinken. Wie viele Großstädte hat Berlin nicht genug Grundwasser und bezieht deshalb sein Trinkwasser aus den Seen, durch die eben Havel und Spree fließen. Wannsee, Müggelsee, Tegeler See - nicht sehr appetitlich. Und dabei zählt das Berliner Trinkwasser bundesweit zu den sehr guten. Das Zauberwort heißt "Uferfiltration". Und das Berliner Know how könnte ein Exportschlager werden.

Von Eva Firzlaff | 18.06.2004
    Bundesweit kommen 70 Prozent des Trinkwassers aus dem Grundwasser, der Rest aus geschützten Talsperren. Nur nicht in Berlin. Hier ist das meiste Trinkwasser ehemaliges Flusswasser. Aber auch an Elbe, Rhein und Ruhr spielt die Uferfiltration eine Rolle. Das funktioniert so: Ein Stück ab vom Ufer sind Trinkwasserbrunnen installiert. Deren Sog zieht das Wasser aus Fluss oder See in das Grundwasser. Das darf nicht zu schnell gehen, denn unterwegs wird gereinigt. Der Sand filtert Bakterien, Viren, organische Feststoffe. Die Mikroorganismen im Boden beseitigen chemische Verbindungen. Selbst Arzneimittelrückstände. Dr. Thomas Heberer von der TU Berlin:

    Die Uferfiltration ist ein wichtiger Schritt zur Entfernung von Bakterien, von organischem Material, aber auch von Arzneimittelrückständen. Wir haben eine ganze Reihe von Verbindungen, die sehr gut mit Hilfe der Uferfiltration entfernt werden. Vor allem die, die besonders im öffentlichen Interesse stehen, wie z.B. Antibiotika-Rückstände und Rückstände von Hormonen, werden sehr effektiv bei der Uferfiltration entfernt.

    Im Oberflächenwasser sind etwa 100 Verbindungen aus Arzneimittelrückständen nachgewiesen, in winzigen Spuren. Davon bleiben letztlich nur zwei Wirkstoffe im Trinkwasser. Ein Epilepsie-Medikament und ein Schmerzmittel. Allerdings in weniger als homöopathischer Konzentration. Man müsste 70 Jahre lang täglich zwei Liter Wasser trinken und hätte dann den Wirkstoff für nicht mal eine Tablette intus.

    Das Kompetenz-Zentrum Wasser in Berlin vereint Wasserbetriebe und viele Forschungseinrichtungen. In einem groß angelegten Forschungsvorhaben wurde über zwei Jahre die schon lange bewährte Uferfiltration bis in die Einzelheiten erforscht. Dieses Know-how könnte ein Exportschlager werden, denn - wenn wir über Deutschland hinaus gucken - gutes Trinkwasser ist knapp. Schlechtes Rohwasser muss mit viel Technik und Chemie aufbereitet werden. Prof. Martin Jekel von der TU Berlin sieht in Uferfiltration oder Grundwasseranreicherung wirtschaftliche Alternativen. Grundwasser-Anreicherung bedeutet, wenn das Ufer nicht durchlässig ist, entnimmt man das Wasser, lässt es an anderer Stelle versickern und kann es später als Grundwasser wieder fördern, nach den gleichen Reinigungsmechanismen wie bei der Uferfiltration.

    Man muss dann nur untersuchen, ob es überhaupt geht. Das heißt man braucht Untersuchungen über die Zustände im Untergrund. Man braucht die Erfahrungen hier, wie man dort das technisch machen kann, wie man die Brunnen baut, wo man sie baut, wie lange das Wasser unterwegs sein muss. Ob die Grundwasserleiter ausreichen. Selbst in den USA findet das ein sehr starkes Interesse. Die Amerikaner haben viel mehr Flusswasser in der Wasserversorgung als wir und tun sich doch recht schwer, mit rein technischen Verfahren ein gutes Trinkwasser herzustellen.
    Technische Verfahren heißt: Chemische Behandlung, Aktivkohle-Filter, Chlor. Weltweit wird Flusswasser gechlort und zwar so, dass der Verbraucher auch was davon hat. Er schmeckt es. Die Uferfiltration ist viel kostengünstiger und kommt ohne Chlor aus. Das internationale Interesse jedenfalls ist groß, sagt Francis Luck, Geschäftsführer des Kompetenz-Zentrums Wasser.

    Wir bereiten nun ein Folgeprojekt in Brasilien vor, um dort auch eine Art Demonstrationsanlage aufzubauen. Es ist dort noch nicht genutzt und noch nicht erforscht. Und mehr und mehr Z.B. Südamerika, Nordamerika gibt es Interesse, weil dieses Verfahren ist natürlich viel kostengünstiger, naturnäher und benötigt nicht soviel Investitionen im Vergleich mit Membranen oder Ozon-Verfahren.

    Und eben kein Chlor. Das Berliner Wasser wurde vor 20 Jahren noch gechlort. Dann hat man das als überflüssig erkannt, denn es hat die Qualität eines guten Grundwassers, und das wird - weil keimfrei - auch nicht gechlort.