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Ukraine-Krise
Krimtataren blockieren Lebensmittel-Lieferungen

In Paris treffen sich morgen Angela Merkel, François Hollande, Wladimir Putin und Petro Poroschenko, um über die aktuelle Lage in der Ukraine zu beraten. Auf der Krim spitzt sich derweil die Lage zu: Seit Tagen schon blockieren die Krimtataren Lebensmittel-Lieferungen aus der Ukraine.

Von Florian Kellermann | 01.10.2015
    Mit ihren eigenen Autos kamen die Bürger und parkten sie einfach quer auf der Straße. Lastwagen kamen nicht mehr durch, sie standen in einer hunderte Meter langen Schlange. So begann vor über einer Woche die Blockade der Krim. Von ukrainischer Seite kommen seitdem keine Lebensmittel mehr auf die Halbinsel, inzwischen hindern Betonklötze die Lastwagen an der Durchfahrt.
    Refat Tschubarow, Vorsitzender des Medschlis, einer Vertretung der Krimtataren, erklärte das vor Ort so:
    "Unser Ziel ist es, die Okkupation der Krim zu beseitigen und die territoriale Integrität der Ukraine wieder herzustellen. Wir werden dabei Schritt für Schritt vorgehen."
    Die Lastwagenfahrer sind aufgebracht. Sie wollen eine Genehmigung für die Aktion sehen. Doch die gibt es nicht. Eigentlich ist es illegal, was die Organisatoren tun, unter ihnen der Meschlis der Krimtataren und die nationalistische Gruppierung "Rechter Sektor".
    Der ukrainische Staat lässt sie jedoch stillschweigend gewähren. Für den Soziologen Serhij Taran ist das eine intelligente Strategie.
    "Russland und sein Präsident Putin stehen vor dem Problem, dass ihre Vorwürfe gegen die ukrainische Regierung ins Leere laufen. Wenn sich die Menschen illegal versammeln, dann ist das eine interne Angelegenheit der Ukraine. Das ist rechtlich nichts anderes als ein Bauernprotest in Paris."
    Blockade könne die Halbinsel empfindlich treffen
    Russland bemüht sich seit der Annexion der Halbinsel zu beweisen, dass diese unabhängig von der Ukraine existieren kann. Menschen und Waren werden seitdem mit Fähren vom russischen Festland auf die Krim gebracht.
    Doch schon bei der Wasserversorgung gibt es Schwierigkeiten. Die Ressourcen der Halbinsel reichen nur für den privaten Verbrauch der Menschen - nicht aber für die Landwirtschaft. Diese verzeichnet erhebliche Einbußen, weil die Ukraine einen extra für die Krim gebauten Kanal austrocknen ließ.
    Auch die aktuelle Blockade könne die Halbinsel empfindlich treffen, meint der Historiker Serhij Homenko, der von der Halbinsel stammt.
    "Wenn sie den ganzen Winter hindurch bestehen bleibt, wird deutlich werden, dass die Krim ohne die Ukraine nicht ausreichend versorgt werden kann. Dann wird die Unzufriedenheit der Menschen dort wachsen. Schon jetzt heben manche Händler die Preise an - mit Verweis auf die ausfallenden Importe, erst mal nur, um ihren Profit zu erhöhen."
    Schwierigkeiten mit Stromlieferungen
    Russische Medien zeigen dagegen Fotos mit prall gefüllten Ladentheken. Es gebe auf der Krim keinen Mangel an Fleisch, Milch und Brot, melden die Nachrichtenagenturen. Nicht ein Bewohner werde die Blockade auch nur spüren, versprach der Vorsitzende der von Moskau installierten Krimregierung Sergej Aksjonow. 90 Prozent der Lebensmittel stammten aus heimischer Produktion oder aus Russland, so Aksjonow.
    Ukrainische Experten nennen ganz andere Zahlen. Und Reaktionen aus Russland deuten zumindest an, dass eine längerfristige Blockade für die Krim unangenehm wäre. So erklärte die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau Maria Sacharowa, die russische Regierung werde das Thema auf internationaler Bühne zur Sprache bringen.
    Die Ukraine könnte die Krim aber noch weit empfindlicher treffen, sagt der ukrainische Politologe Taras Beresowetz:
    "Die Ukraine könnte auch die Stromlieferungen auf die Krim abstellen. Das würde dann auch das russische Militär dort beeinträchtigen und etwa die Luftabwehr schwächen. So ein unsinkbarer Flugzeugträger könnte dann nicht einmal aus dem Hafen auslaufen."
    So eine Maßnahme würde aber unmittelbar auch die Bürger treffen: Erst vor Kurzem gingen überall auf der Krim wieder für einige Stunden die Lichter aus, weil vom Festland kein Strom mehr geliefert wurde.