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Umstrittener Besuch
Die Bundeswehr in Brandenburgs Schulen

35 Millionen Euro gibt die Bundeswehr für Nachwuchswerbung aus, so viel wie nie zuvor. Auch an Schulen ist die Armee aktiv: Knapp 100 Jugendoffiziere besuchen bundesweit Schulen, halten dort Vorträge. Zur Information, nicht als Werbung für eine Karriere bei der Truppe, betonen die Referenten. Doch die Grenze ist schwammig.

Von Vanja Budde |
    Soldaten des Wachbataillons der Bundeswehr gehen am Schloss Bellevue in Berlin an ihren ausgelegten Gewehren vom Typ Karabiner 98 k vorbei.
    "Also ich finde es total geil." (dpa / picture alliance / Wolfgang Kumm)
    Stefan Menzel macht eine gute Figur in der hellgrauen Uniform mit den drei Sternen auf den Schulterklappen. Schneidig, dabei locker mit seinem gepflegten Fünftagebart. Menzel ist einer von fünf Jugendoffizieren der Bundeswehr, die durch Brandenburger Schulen touren. Nur auf Einladung und als "Referent für Sicherheits- und Verteidigungspolitik", wie er betont, nicht als Werber für eine Karriere bei der Truppe. Doch können seine Informationen wirklich neutral sein, wenn die Bundeswehr auf freiwillige Nachwuchskräfte angewiesen ist?
    Die Berufsschüler am Oberstufenzentrum 2 in Potsdam sind angehende Veranstaltungs- und Sport-Kaufleute. Menzel bindet die jungen Frauen und Männer ein in seinen Vortrag: Hängt Fotos an die Wand, die verschiedene Aufgaben der Bundeswehr zeigen. Die Schüler sollen die Bilder beschreiben. Lehrerin Sylvia Harms sitzt am Rand und beobachtet das Geschehen.
    Kaum Kritik im Klassenzimmer
    EU-Missionen, NATO-Bündnisverteidigung, Hilfseinsätze in Krisenländern, Sandsäcke füllen gegen Hochwasser-Fluten: Der Jugendoffizier zeichnet ein positives Bild der Truppe. Und die Schüler machen es ihm leicht: Niemand fragt nach dem prinzipiellen Sinn von Militäreinsätzen im Ausland oder nach der aktuellen Debatte um das Sturmgewehr G 36.
    "Aber es war gut, weil, es gab mal ein neues Bild über die Bundeswehr. Auf diese Hilfsebene bezogen. Dass man halt mehr über das Helfen der Bundeswehr erfährt."
    Menzel fordert zwar niemanden auf, bei der Bundeswehr anzuheuern. Dafür seien Karriereberater zuständig. Der Bundestagsfraktion der Linken sind solche Veranstaltungen dennoch ein Graus: Es könne nicht sein, dass die Bundeswehr ihre Personalprobleme dadurch löst, dass sie in Klassenzimmern Militärpropaganda verbreite.
    In einer Fragestunde des Landtages verwies die Brandenburger Linken-Abgeordnete Kerstin Kaiser unlängst darauf, dass Sachsen-Anhalt und Thüringen die Armeewerbung an Schulen einschränken wollten. Wie Brandenburg dazu stünde, wollte sie von Bildungsminister Günter Baaske wissen. Der SPD-Politiker verwies auf eine Verwaltungsvorschrift, die den Einbezug von Sachkundigen in den Unterricht erlaube, betonte aber auch:
    "Es darf auch keine einseitige Beeinflussung der Schüler stattfinden und die Lehrkraft hat auf die notwendige Ausgewogenheit und das Verbot politischer Werbung zu achten. Es darf natürlich keine Werbung stattfinden und erst recht keine Nachwuchswerbung."
    Soldat als Beruf
    Solches würde sie in ihrem Klassenzimmer auch nicht zulassen, betont Sylvia Harms, Berufsschullehrerin für Wirtschafts- und Sozialkunde:
    "Es geht einfach darum, dass Jugendoffiziere der Bundeswehr auch die Möglichkeit haben, über internationale Konflikte, über politische aktuelle Entwicklungen aus erster Hand zu informieren. Und ich habe es noch nie erlebt, dass Jugendoffiziere Nachwuchswerbung oder Ähnliches betrieben haben."
    Der Übergang sei schleichend gewesen, meint dagegen ein Schüler nach dem Vortrag Menzels.
    "Es war schon etwas gemischt. Es war jetzt halt auch dargestellt die Karrieremöglichkeiten der Bundeswehr, aber auch informativ über die einzelnen Aufgabenbereiche."
    Andere Schüler aber sind begeistert nach dem Auftritt Menzels. Propaganda sei das nicht gewesen.
    "Also ich finde es total geil. Seitdem der Grundwehrdienst abgeschafft wurde, gibt's kaum noch Nachfragen für die Bundeswehr. Deswegen finde ich so was ganz wichtig, weil man ansonsten ja wirklich bloß denkt: Krieg, schießen, ne? Und hier ist die Aufklärung auf jeden Fall sehr speziell. Ich fand es super, ich würde es auf jeden Fall auch beibehalten."