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Folien mit Strukturfarben
Retroreflektoren lassen Schilder strahlen

Auf manchen Verkehrsschildern leuchten nachts helle Zeichen auf dunklem Grund auf, etwa um auf Gefahrenstellen hinzuweisen. Doch das ist aufwendig und teuer, denn dafür sind besondere Leuchtmittel und ein Stromanschluss nötig. Chinesische Forscher haben nun eine günstige Alternative entwickelt.

von Lucian Haas | 24.09.2019
Illustration eines Tempolimit-Verkehrsschildes mit Lichtreflektorfolien
Die neu entwickelte Strukturfarben-Folie reflektiert das Licht in alle Richtungen (Fudan University / Wen Fan)
Farben lassen sich nicht nur durch farbige Pigmente erzeugen. Regelmäßige physikalische Strukturen an der Oberfläche von Objekten können ebenso dafür sorgen, dass von einem einfallenden Lichtstrahl nur eine bestimmte Wellenlänge, das heißt: eine bestimmte Farbe, reflektiert wird. Solche Farben werden dann nicht Pigment-, sondern Strukturfarben genannt. Chinesische Materialforscher haben eine neue Technik entwickelt, mit der man auf besonders einfache Weise Strukturfarben erzeugen kann. Limin Wu von der Fudan Universität in Shanghai:
"Wir nutzen einfach ein transparentes Klebeband. Auf die klebrige Rückseite setzen wir viele Mini-Kunststoff-Kügelchen dicht nebeneinander. Der so beschichtete Klebefilm erzeugt dann ganz besondere retroreflektierende Strukturfarben."
Mikrokügelchen erweitern den Blickwinkel
Retroreflektierend - das bedeutet: Das Material strahlt einfallendes Licht in die Richtung zurück, aus der es gekommen ist. Das ist für viele Strukturfarben typisch. Sie verhalten sich wie die Augen von Katzen. Allerdings haben Strukturfarben dadurch den Nachteil, dass ihre farbige Reflektion häufig nur aus einem engen Blickwinkel sichtbar wird. Limin Wus Strukturfarben-Klebefilm ist da anders: Man kann ihn aus allen möglichen Richtungen anstrahlen und darauf schauen, stets bekommt man die Strukturfarben zu sehen. Der Forscher erklärt das damit, dass die eingebetteten, zwischen fünf und 20 Mikrometer großen Kügelchen durch ihre runde Form einen Spiegeleffekt besitzen, der in alle Richtungen wirkt. Die Farben entstehen wiederum durch physikalische Beugungs- und Interferenzeffekte des Lichts an den Materialübergängen der einzelnen Lagen. Denn diese unterscheiden sich darin, wie stark sie das Licht brechen.

"Der Strukturfarben-Film hat zwei Lagen. Zum einen die Mikrokügelchen, zum anderen das Klebeband. Zwischen den Kügelchen und dem Klebeband bleibt zudem noch ein ganz feiner Luftspalt erhalten, weil die Kügelchen nicht komplett aufliegen, sondern von feinen Polymerketten auf Abstand gehalten werden."
Reflektion in allen Farben denkbar
Nach den Erkenntnissen der Forscher bestimmen die Breite des Luftspalts und die Größe der Mikrokugeln zusammen die sichtbar werdende Strukturfarbe. Und die lässt sich in einem weiten Bereich variieren. Rot, grün, blau, violett, gelb, magenta. Limin Wu hält theoretisch alle Farben für denkbar.
"Möglicherweise können wir auch Kügelchen aus unterschiedlichen Materialien verwenden, oder verschiedene Größen miteinander kombinieren. So könnten wir sogar spezielle Mischfarben erzeugen."
Die Forscher sehen auch schon praktische Anwendungsmöglichkeiten für die Strukturfarben-Filme. Damit ließen sich zum Beispiel Verkehrszeichen, Straßenbegrenzungspfosten oder Werbetafeln beschichten. Sie würden dann nachts im Scheinwerferlicht der Autos in unterschiedlichen Farben aufscheinen und so viel besser sichtbar werden. Eine extra Beleuchtung wäre nicht mehr nötig. Somit ließe sich auch Strom sparen. Limin Wu glaubt, dass die Technik sehr bald schon die Marktreife erlangen könnte.
"Diese Technik lässt sich problemlos auch im größeren Maßstab realisieren. Sie kostet auch nicht viel. Wir haben bereits in China und den USA ein Patent angemeldet. Das könnte sich sehr leicht am Markt etablieren."