Sonntag, 28. April 2024

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Ungewöhnliche Methoden

Die ehemalige Sowjetrepublik Kirgistans hat mit vielen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Achtzig Prozent des Landes liegen über 1600 Meter und die meisten Bewohner sind Nomaden und Kleinbauern. Reich ist es allerdings an Naturschönheiten und seltenen Tieren, wie beispielsweise dem Schneeleoparden. Zu Sowjetzeiten wurden Schneeleoparden gegen Devisen an Zoos verkauft. Seit dem Zusammenbruch der SU gibt es keine Kontrolle mehr vor Ort. Das Wildern ist deshalb an der Tagesordnung. Im Norden Kirgistans ist seit zwei Jahren eine vom Nabu finanzierte Wildhüter-Einheit unterwegs, um den legendären Schneeleoparden vor der Aussterben zu bewahren. Ihre Methoden, Wilderer und Händlerringe abzuschrecken, sind ungewöhnlich, wie ein jüngster Fall zeigt.

von Ingrid Norbu | 03.01.2001
    Birga Dexel: "Und zwar lief das so ab, dass wir über einen Informanten erfahren hatten, dass eine Händlerfamilie einen kleinen Schneeleoparden bei sich zu Hause hat und versucht, den zu verkaufen. Daraufhin hat sich dann einer unserer Kollegen wieder als potenzieller Käufer ausgegeben, als Mercedes. Mitarbeiter in Kirgistan und dann haben sie natürlich gehört Deutscher, aha, d.h. viel Geld und dann wurden die ersten Kontakte hergestellt. Und diese kleine Schneeleopardin wollten sie für 10 000 $ verkaufen. Dadurch dass wir zwei Tage Zeit hatten, das vorzubereiten, haben wir das kirgisische Fernsehen informiert, die sind dann gleich mitgekommen.

    Was wie Routinearbeit anlief, ließ wenige Tage später das Büro des Naturschutzbundes Deutschland, kurz Nabu, in Berlin-Mitte Kopf stehen. Birga Dexel ist die Leiterin des Projekts Schneeleopard, innerhalb dessen seit zwei Jahren eine Wildhütereinheit unterstützt wird, die dem Umweltministerium von Kirgistan untersteht. Die fünf Männer gehen im Issyk-Kul Biosphärenreservat im Nordosten Kirgistans regelmäßig auf Patrouille. Bisher konnten sie 80 Wilderer verhaften, 150 Waffen beschlagnahmen, 200 Tierfallen vernichten und zahlreiche Schneeleopardenfelle sicher stellen. Sie müssen sich in die Rolle der Wilderers hineinversetzen können, um ihnen auf die Schlichte zu kommen, und sich gegebenenfalls als Käufer verbotener Waren ausgeben, um an die Händler heranzukommen. Gelegentlich springt auch mal ein deutscher Mitarbeiter vor Ort ein, wie im Fall des kleinen Schneeleoparden.

    Birga Dexel: "Mein Kollege hat dann gesagt: OK, kauf ich, und in dem Augenblick, das war das Stichwort, sind dann die Männer unserer Wildhütertruppe eingesprungen und haben praktisch die Festnahmen dann vorgenommen, wie gesagt, das kirgisische Fernsehen war auch dabei.Bei den Asiaten ist also die Wahrung des Gesichtes, ein ganz wichtiger Aspekt. Man will nicht in der Öffentlichkeit praktisch als Krimineller dargestellt werden. Das will man hier auch nicht, aber in Asien hat das noch mal eine ganz andere Dimension. Allein das hat eine große abschreckende Wirkung."

    Jede Methode ist gut, wenn sie wirkt, denn der Schneeleopard gehört mittlerweile zu den bedrohtesten Tierarten. Wie viele noch im Himalaya, im Tien-Shan-Gebirge und der Mongolei in Höhen bis zu 6000 Metern leben ist unbekannt. Optimistische Schätzungen liegen bei 4500 Tieren. Dabei ist der Irbis, wie er auch genannt wird, mit seinem gelblich weißen Fell perfekt getarnt. Seine behaarten Sohlen wappnen ihn gegen die Kälte des Schnees. Ihm werden Riesensprünge von bis zu 16 Metern nachgesagt. Nur wenige konnten bisher das scheue Tier in freier Wildbahn erleben. Deshalb versuchen Wilderer an Hand von Tatzenabdrücken ihre Reviere ausfindig zu machen und sie in Fallen zu fangen. Schon zu Sowjetzeiten wurde das so gemacht. Damals war das nicht nur legal. Erfolgreiche Fallensteller wurden sogar mit Orden ausgezeichnet. Klaus Pohle ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Berliner Tierpark Friedrichsfelde.

    Klaus Pohle: "Es war ja vor 30- 40 Jahren, da war der Schneeleopard im Zoo die ganz große Rarität, und da wurde ja noch fleißig gefangen, in den ehemaligen Ländern der Sowjetunion, also in Zentralasien. Da gab es ja direkt fest angestellte Fänger, und man erkannte ja dann die gefangenen Schneeleoparden daran, dass denen oft ein Stückchen Pfote fehlte, weil die in der Schlagfalle gefangen wurden.Wir haben mit unserer Schneeleopardenhaltung vor ungefähr 25 Jahren aufgehört."

    Etwa 90 Prozent der Wildfänge kamen damals aus Kirgistan. Seit Mitte der 70er Jahre ging der Bedarf aufgrund erfolgreicher Züchtungen in den Zoos immer weiter zurück. Schneeleoparden, die heute in Tierparks zu sehen sind, wie auch wieder in Friedrichsfelde, sind Nachzuchten. Auswildern in seinen ursprünglichen Lebensraum kann man den Zoo-Irbis nicht. Das überlebenswichtige Fangen der Beute können Zootiere nur zum Teil von der Mutter lernen. Um einige Reviere des Schneeleoparden und seiner Beutetiere wie Steinböcke und kleinerer Nagetiere zu sichern, ist der Nabu seit 1993 in Kirgistan tätig. 1998 wurde das Biosphärenreservat Issyk-Kul eröffnet, ein Schutzgebiet mit Hochgebirgsweiden und Gletschern so groß wie die Schweiz. Gewildert wird natürlich überall und auch die Fangmethoden haben sich nicht verändert, wie der Fall der Schneeleopardin zeigt.

    Birga Dexel: "Als man sie aus ihren kleinen Versteck herausholte, hat man gesehen, dass eines der Hinterläufe fehlte, und bei dem Verhör dieser Leute hat man dann feststellen können, dass das Tier in einer Schlagfalle in Nordtadschikistan gefangen worden ist und dass das Muttertier gleich erschlagen worden ist, sie wollten gleichzeitig auch das Fell von der Mutter verkaufen.

    Ein so gehandikaptes Jungtier brauchte rasche Hilfe. Zwölf Tage nach ihrer Entdeckung, traf die sechs Monate alte Schneeleopardin am Flughafen Hannover ein. Vorläufig wird sie im Wildpark Lüneburger Heide unterkommen und dort als erstes in der Wildnis gefangene Tier seit zwölf Jahren in das Europäische Erhaltungszuchtprogramm eingegliedert werden.