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Universiade
Heikle Eröffnungsfeier in Taipeh

7000 Athleten aus 130 Nationen: Die Weltspiele der Studierenden gelten als die größte "Multisport-Veranstaltung" nach den Olympischen Spielen. Gastgeber in diesem Jahr ist Taipeh, die Hauptstadt Taiwans. China boykottierte die Eröffnungsfeier. Vor dem Stadion kam es zu lautstarken Protesten.

Von Klaus Bardenhagen | 19.08.2017
    Einmarsch der Nationen ohne Athleten bei der Eröffnungsfeier der Universiade in Taipeh.
    Einmarsch der Nationen ohne Athleten bei der Eröffnungsfeier der Universiade in Taipeh. (Klaus Bardenhagen)
    Jubel brandet auf hier im Stadion von Taipeh, als klar wird: diese Eröffnungsfeier zur Universiade ist doch nicht gescheitert. Die Athleten ziehen wieder ein. Fast eine Stunde lang waren nur Flaggen ins Stadion getragen worden. Nach etwa der zehnten Nation kamen keine Sportler mehr ins Stadion.
    Der Grund waren Proteste draußen vor dem Stadion in Taipeh. Sie waren innenpolitischer Natur, es ging gegen Reform der Beamtenpensionen in Taiwan. Nun ist der Weg wieder frei, und es sind immerhin fast 7000 Athleten aus mehr als 130 Nationen, die nun hier in einem großen Zug geballt und fröhlich winkend einziehen. Für Deutschland sind 126 Sportler dabei. Keiner von ihnen ist älter als 27, alle studieren.
    China beharrt auf alten Machtansprüchen
    Die große Ausnahme bei dieser Eröffnungsfeier ist China. Chinesische Athleten nehmen zwar an den Wettkämpfen teil, sie boykottieren aber diese Eröffnungsfeier. Das war schon vorher abzusehen gewesen und hat politische Gründe: Nicht nur, dass einige Zuschauer hier Taiwans Nationalflagge schwenken. Im Stadion ist auch Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen. Und das alles hält China für unzumutbar, politisch gesehen.
    Schließlich setzt die Regierung in Peking alles daran, dass Taiwan international nicht als vollwertiger Staat wahrgenommen wird. Das ist so, seit die Kommunisten 1949 Chinas Bürgerkrieg gewannen und die Nationalisten sich auf diese Insel zurückzogen. Obwohl die Volksrepublik auf Taiwan de facto nie etwas zu sagen hatte, beharrt sie auf ihren Machtansprüchen.
    Als der Boykott der Eröffnungsfeier sich vor einigen Wochen abzeichnete, nahm Taiwans Regierungssprecher Hsu Kuo-yong dazu Stellung: "Ob sie an der Eröffnungsfeier teilnehmen oder nicht, ist ihre eigene Entscheidung. Wir respektieren das. Wir können sie ja nicht zur Teilnahme zwingen."
    Universiade im Fokus der (inter)nationalen Medien
    Seit 1959 findet alle zwei Jahre die Universiade statt. Meist wird sie außerhalb der Sportwelt auch im Ausrichterland kaum wahrgenommen. Das ist diesmal anders. Das ganze Land blickt auf die Hauptstadt Taipeh. In den Medien ist die Universiade das wichtigste Thema. Und Politiker wie Taipehs Tourismusdezernentin Chien Yu-yen hoffen, dass auch das Ausland hinschaut. "Wir Taiwaner wollen diese Gelegenheit nutzen, uns der ganzen Welt zu präsentieren. Die Universiade ist das größte offizielle Ereignis, das wir je ausgerichtet haben. Weil wir ja kein Mitglied der UN sind."
    Auch das liegt an der Volksrepublik China. Genau wie eine Regel, die Taiwaner besonders wurmt: Bei internationalen Wettkämpfen wie der Universiade kann ihr Team nicht unter dem Namen des eigenen Landes antreten. Stattdessen gilt eine Kunstbezeichnung: Chinese Taipei. Wenigstens die Zuschauer dürfen bei dieser Universiade ihre rot-blaue Nationalflagge schwenken. Auch das ist nicht selbstverständlich. Bei den offiziellen Siegerehrungen flattert nur die eine Fahne für "Chinese Taipei".
    Rocker Freddy Lim: "Chinese Taipeh fucking bullshit"
    Das war übrigens auch bei den Londoner Olympischen Spielen so. 2012 wurde Taiwans Flagge aus dem Stadtbild entfernt, nach einer Beschwerde der Chinesen und auf Drängen des britischen Außenministeriums. Das regte Taiwans größten Rockstar kräftig auf: "Our national team is called Chinese fucking Taipei. Fucking bullshit, right?"
    Taiwans Heavy-Metal-Star und Parlaments-Abgeordneter Freddy Lim bei einer Wahlkundgebung im Januar 2016.
    General elections campaigns in Taiwan (EPA | Jerome Favre)
    Freddy Lim spielte gerade bei einem Heavy-Metal-Festival in England. "Wir müssen uns Chinese Taipei nennen. Dabei kommen die meisten gar nicht aus Taipeh, sondern aus anderen Städten in Taiwan." Inzwischen sitzt Freddy Lim in Taiwans Parlament. Als Abgeordneter konnte er vor ein paar Tagen gleich das nächste Ärgernis anprangern.
    Im offiziellen Medien-Handbuch der Universiade wurde die Bezeichnung 'Chinese Taipei' nicht nur für das Team verwendet, sondern, völlig absurd, gleich für die ganze Insel Taiwan. "Chinese Taipei ist lang und schmal und erstreckt sich von Nord nach Süd", hieß es da. Nach einer großen Empörungswelle ließen die Organisatoren das Handbuch neu drucken, und wenigstens die Insel darf nun wieder "Taiwan" heißen.
    Sprachregelungen für das deutsche Team
    Viele politische Fettnäpfchen lauern also. Da ist es wohl gut, dass das junge deutsche Team, Durchschnittalter unter 23, vor der Reise eine extra Taiwan-Schulung bekam. Malin Hoster vom Hochschulsportverband hat als wichtigste Sprachregelung eingeschärft bekommen: "Wie man das sagen soll, das Land Taiwan, Land China, diese ganze Problematik. Wir sollen immer von der Kulturregion reden und nicht 'Taiwan gehört eigentlich zu China' sagen. Wir sollen uns da zurückhalten und keine politischen Diskussionen lostreten, dann wären wir auf der sicheren Seite."
    Das Team Deutschland marschiert bei der Eröffnungsfeier der Universiade 2017 in Taipeh ins Stadion.
    Team Deutschland bei der Eröffnungsfeier der Universiade 2017 in Taipeh. (Klaus Bardenhagen)
    Im deutschen Team sind auch Athleten mit Olympia-, EM- und WM-Erfahrung dabei. Möglichst viele Platzierungen unter den letzten Acht oder Zwölf sind das Ziel, sagt Hoster und natürlich auch ein paar Medaillen. Bei Leichtathletik, Judo, Taekwondo und im Schwimmen habe man besonders gute Chancen. Die Universiade in Taipeh dauert noch bis zum 30. August.