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Unlautere Telefonreklame
"Man sollte sich nie auf Werbeanrufe einlassen"

Werbeanrufe am Telefon sind schon seit Jahren verboten, trotzdem werden Verbraucher weiterhin massiv belästigt. Dabei arbeiten die Anrufer mit immer geschickteren Maschen, um meist ältere Menschen in Verträge zu locken. Im DLF erklärte Katja Henschler von der Verbraucherzentrale, wie selbst ein deutliches Nein noch in ein Ja umgedeutet wird.

Katja Henschler im Gespräch mit Stefan Römermann | 18.08.2015
    Eine 80-jährige Frau telefoniert am 12.02.2005 in ihrem Haus in Bochum mit einem Handy.
    Eine ältere Frau telefoniert mit einem Handy: Vor allem Senioren schließen am Telefon Verträge - ohne es zu wollen. (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Stefan Römermann: Eigentlich sind sie schon lange verboten, Kaltanrufe oder Cold Calls, wie sie in der Branche heißen, also Werbeanrufe von Firmen, mit denen ich vorher vielleicht noch nie zu tun hatte und denen ich vor allem nie erlaubt habe, mich anzurufen. Vor zwei Jahren wurden die Gesetze gegen solche unerlaubte Werbung noch einmal deutlich verschärft. Seither können hohe Bußgelder verhängt werden. Doch geändert hat sich offenbar nur wenig. Verbraucher werden immer noch belästigt, teilweise mit ganz neuen Maschen. Das zeigen jedenfalls erste Ergebnisse einer Umfrage der Verbraucherzentralen, und darüber spreche ich jetzt mit Katja Henschler von der Verbraucherzentrale Sachsen. Frau Henschler, was für Anrufe sind denn zurzeit besonders häufig? Sind das die Zeitschriften-Abos, die man früher so aufgeschwatzt bekommen hat, oder Gewinnspiele, oder was muss ich mir da vorstellen?
    Katja Henschler: Wir verzeichnen Anrufe ganz besonders im Bereich der Telekommunikation. Telekommunikationsfirmen rufen an, um Verträge zu verkaufen, neue Angebote zu machen. Dann die Energiebranche ruft an, ganz massiv. Und schließlich sind es tatsächlich weiterhin Gewinnspiele, die angeboten, verkauft werden, und Zeitschriften-Abos und Nahrungsergänzungsmittel. Das ist relativ neu. Die werden wirklich im großen Stil jetzt versucht, am Telefon zu verkaufen.
    Römermann: Wie läuft so ein typischer Anruf ab? Fallen die gleich mit der Tür ins Haus, oder wie funktioniert das?
    Henschler: Die Anrufe sind natürlich sehr geschickt und versiert. Wir haben aktuell gerade Beispiele zum Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln. Da geht es damit los: Wir rufen Sie an für eine Umfrage. Sie sind doch einverstanden, dass wir das Gespräch zu Nachweiszwecken aufzeichnen. Wir machen zunächst einen Datenabgleich und dann nennt der Anrufer oder die Anruferin erst mal die Daten des Verbrauchers. Stimmt das? Stimmt Ihr Geburtsdatum? Und dann haben wir noch Ihre Bankverbindung. Können Sie noch mal sagen, ob die so richtig ist? Und dann heißt es, wir haben in dem Gespräch jetzt hier besprochen, dass wir Ihnen Nahrungsergänzungsmittel eine Packung zu 19,90 Euro verkaufen. Sind Sie mit allem einverstanden? Und die Angerufenen, meistens jenseits der 70, sind gar nicht in der Lage, der Schnelligkeit des Gespräches zu folgen, sagen immer ja und schon ist ein Vertrag zustande gekommen.
    "Nie ja sagen"
    Römermann: Ist das jetzt schon ein Extrembeispiel, was Sie da genannt haben, oder geht das durchaus noch schlimmer?
    Henschler: Es geht natürlich auch noch schlimmer, dass gar nicht dargestellt wird, dass überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde und im Nachhinein es dann aber heißt, Sie haben ja uns am Telefon zugestimmt.
    Römermann: Ich habe gelesen, dass teilweise auch Computer eingesetzt werden, die dann automatische Anrufe durchführen, und dann klingelt bei manchen Leuten 20 Mal das Telefon. Ist das was, was bei Ihrer Untersuchung auch zutage getreten ist?
    Henschler: Ja. Diese sogenannten Predictive Dialer, die regelrecht für Telefonterror sorgen, die sind nach wie vor im Einsatz. Das haben uns auch viele Verbraucher bestätigt, dass sie sich im Minuten- und Stundentakt von Anrufen belästigt fühlen.
    Römermann: Wie funktioniert das? Wenn ich da einmal drangegangen bin, müssten die das doch eigentlich merken, denke ich?
    Henschler: Nein. Dieser Computer, diese Maschine hört erst auf, mich anzuwählen, wenn ein Gespräch zustande gekommen ist. Wenn ich drangehe, aber vielleicht der Callcenter-Mitarbeiter selbst noch in einem anderen Gespräch ist, dann ruft die Maschine mich immer wieder an.
    Römermann: Gibt es irgendwelche Warnsignale, auf die ich achten kann? Wenn jetzt tatsächlich nur eine Computerstimme herangeht, dann ist es natürlich klar, dass da irgendwas nicht in Ordnung ist. Aber gibt es Warnsignale, auf die ich als Verbraucher achten kann, dass ich nicht übern Tisch gezogen werde bei so einem Gespräch?
    Henschler: Na ja, im Grunde kann man sagen, auf Werbeanrufe sollte man sich nie einlassen und auch nicht auf Umfragen. Um sicherzugehen, dass man hier nicht reinfällt, gibt es nur den Tipp, spreche nie mit Fremden im Grunde, denn wer etwas möchte, der meldet sich auf dem Schriftwege dann auf jeden Fall noch mal. Ansonsten nie ja sagen oder dem Anrufer einfach sagen, wenn Sie etwas von mir wollen, dann schreiben Sie mich doch an. Weil selbst ein Nein am Telefon kann später in ein Ja umgedeutet werden.
    Verbraucherzentralen gegen Vertragsabschlüsse am Telefon
    Römermann: Wann sind denn Verträge, die ich per Telefon abschließe, gültig? Ist es so, dass ich dann immer das noch mal schriftlich bestätigen muss, dass ich das unterschreiben muss, oder kann ich auch weiterhin per Telefon gültige Verträge abschließen?
    Henschler: Ja. Es ist so, dass Verträge mit einem einzigen Telefonat geschlossen werden können. Mein Ja am Telefon zählt zu 100 Prozent. Das wissen viele Verbraucher nicht. Viele sind der Meinung, na ja, was am Telefon gesprochen ist, das ist ja erst mal nichts wert, das müssen die sowieso noch schriftlich machen. Das stimmt mitnichten. Die Verbraucherzentralen setzen sich seit langer Zeit dafür ein, dass Verträge nicht am Telefon mündlich geschlossen werden können, aber dieser Lösung hat sich der Gesetzgeber noch nicht angeschlossen. Somit kann ich ganz einfach mit einem Telefonat eine Zahlungspflicht bekommen.
    Römermann: Aber ich habe im Zweifelsfall immer noch das 14-tägige Widerrufsrecht, mit dem ich dann solchen Verträgen auch widersprechen kann?
    Henschler: Genau. Das Widerrufsrecht, das habe ich dann immer noch, bis auf wenige Ausnahmen, wo es das mal nicht gibt, wie zum Beispiel bei Reiseverträgen. Aber in der Regel komme ich schon dort raus. Nur muss ich die Widerrufsfrist auch einhalten, die 14-tägige, und das verpassen auch Verbraucher öfters.
    Römermann: Katja Henschler, Telekommunikationsexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen. Ich sage vielen Dank für diese Informationen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.