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Untersuchung
Ein gesunder Geist steckt in einem gesunden Körper

Wer als 18-Jähriger körperlich fit ist, ist später weniger gefährdet, frühzeitig an Demenz zu erkranken. Zu diesem Ergebnis kommen schwedische Forscher, die die Daten von mehr als einer Million Männer ausgewertet haben.

Von Christine Westerhaus | 15.04.2014
    Auf dem Bild ist ein an Demenz erkrankter Mann in einem Seniorenheim zu sehen. In der rechten Hand hält er eine Hantel. Der Rentner nimmt an der Morgengymnastik teil.
    Ein an Demenz erkrankter Mann in einem Seniorenheim bei der Morgengymnastik mit einer Hantel (picture alliance / dpa / Foto: Felix Kästle)
    Strampeln auf einem Ergometer, intensive Befragung und ein mehrstündiger IQ-Test. So sieht in Schweden eine Musterung für das Militär aus. Die Ergebnisse werden gespeichert und sind noch Jahrzehnte später abrufbar. Der aus Deutschland stammende Neurobiologe Georg Kuhn, der seit einigen Jahren an der Göteborg Universität arbeitet, konnte daher die Daten von jungen Männern einsehen, die schon Ende der 60er Jahre zum Militärdienst einberufen wurden. 660 der insgesamt mehr als eine Million untersuchten Schweden sind im späteren Leben an frühzeitiger Demenz erkrankt. Der Blick in die alten Aufzeichnungen offenbarte, dass dieses Schicksal auffallend häufig Männer ereilte, die bei den Musterungstests schlecht abgeschnitten hatten.
    "Diejenigen, die in der niedrigen kognitiven Leistungsgruppe waren im Alter von 18 haben eine 4-fach höhere Chance, später im Alter von vor 60 schon eine Demenz zu haben. Noch schlimmer wird es, wenn man sich Subgruppen anschaut, die beides waren, nämlich kognitiv nicht fit und physisch nicht fit. Dann geht es auf das 7-fache hoch. Das heißt, die Chance früher an Demenz zu erkranken, ist dann noch höher."
    Sport baut im Gehirm eine Art "Puffer" auf
    Wer in jungen Jahren körperlich fit ist, hat also ein geringeres Risiko, später frühzeitig an Demenz zu erkranken. Georg Kuhn vermutet, dass der Sport im Gehirn eine Art Puffer aufbaut, der vor frühem Gedächtnisverlust schützt.
    "Wir wissen schon seit vielen Jahren, dass HNervenzellen deutlich komplexer sein können, mehr Kontakte zu anderen Nervenzellen aufnehmen, wenn sie sich in einem Gehirn befinden, dessen Besitzer mehr Sport getrieben hat. Das heißt also, diese erhöhte Plastizität ist vorhanden bei sporttreibenden Menschen, auch bei Tieren können wir das feststellen. Wir gehen also davon aus, dass regelmäßiger Sport, kardiovaskulärer Sport, tatsächlich dazu führt, strukturell das Gehirn zu stärken und in dem Sinne auch auf etwas vorzubereiten, das eben später im Leben kommen kann. Dazu gehören eben Erkrankungen und unter anderem eben auch das Nachlassen der kognitiven Leistung.
    Bisher haben Kuhn und seine Kollegen aber nur zeigen können, dass Menschen seltener frühzeitig dement werden, wenn sie im Alter von 18 körperlich fit gewesen sind. Ob diese Männer auch nach der Musterung weiterhin Sport getrieben haben, wissen die Forscher nicht. Unklar ist auch, ob es wirklich allein der Sport ist, der diese Menschen im späteren Leben tendenziell vor Demenz schützt.
    "Wir stoßen natürlich an die Grenze dessen, dass wir Korrelationen nur herstellen, dass wir nicht sagen können: Der Sport ist das Ursächliche dafür, dass wir einen Schutz vor Demenz haben. Es ist natürlich auch eine Möglichkeit, dass die Fitness im Alter von 18 nur eine Art Prediktor ist - eine Voraussage dafür, wie fit man im Rest des Lebens sein wird, aber auch, inwieweit man generell einen gesünderen Lebensstil hat. Inwieweit man sich besser ernährt als jemand, der eben physisch nicht so fit ist."
    Körperliche Fitness schützt vor Demenz
    In früheren Studien konnten Kuhn und seine Kollegen zeigen, dass körperliche Fitness im Alter von 18 Jahren auch vor späterer Depression schützen kann. Zudem stellten die Forscher beim Vergleich der Musterungsdaten fest, dass durchtrainierte Rekruten während der Musterung auch bei den IQ-Tests besser abschnitten und dass sie im späteren Leben beruflich meist erfolgreicher waren. Die körperliche Fitness stellt also wichtige Weichen für die spätere Gesundheit und die Karriere, so die Forscher.
    "Das heißt, ich würde auch appellieren an Schulpolitiker: Ist es wirklich notwendig, den Schulsport zu reduzieren, um andere Fächer ins Curriculum einzubauen? Ich würde eher umgekehrt argumentieren: Dass man da auch in der Schule eine bessere Balance finden sollte zwischen kognitiven Anstrengungen, die man erbringen muss und sportlicher Betätigung - und in dem Sinne kommt man zurück auf das alte Sprichwort: "Ein gesunder Geist lebt nur in einem gesunden Körper", wie das schon Juvenal der Römer gesagt hat vor einigen Tausend Jahren."
    In ihrer Studie konnten die Forscher nur das Schicksal von Männern verfolgen, da nur diese zur Musterung einberufen wurden. Kuhn und seine Kollegen gehen aber davon aus, dass der Sport auch Frauen vor frühzeitiger Demenz schützen kann.