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Untreue, Bestechlichkeit, Vorteilsnahme

Die Nachrichten sind voll von Meldungen über Fehlverhalten bei renommierten deutschen Unternehmen. Bestechung, Korruption, Untreue gehören jedenfalls zum deutschen Alltagsleben. Transparency Deutschland geht davon aus, dass nur fünf bis zehn Prozent aller Korruptionsfälle bekannt werden. Kann die Öffentlichkeit nur die Spitze des Eisbergs sehen?

Eine Sendung von Michael Braun | 29.07.2005
    Selbst der Tatort ist zum Tatort geworden. Selbst die Renommierserie des Fernsehkrimis war nicht heilig. Die Produktionsfirmen ließen Schleichwerbung auch im Tatort zu, nicht irgendwelche Produktionsfirmen, sondern Maran-Film des SWR und Colonia-Media des WDR, allesamt Beteiligungen der ARD-Tochter Bavaria-Film, Produktionsfirmen also, die mehrheitlich der ARD gehören.

    Schleichwerbung ist das eine, mit dem die ARD zuletzt aufgefallen ist. Hinzu kommen Sportredakteure namentlich beim Hessischen und beim Mitteldeutschen Rundfunk, die oft nur gegen Bezahlung über Sportereignisse berichtet haben. Bestechlichkeit und Betrug lauten hier die Vorwürfe.

    Bestechlichkeit, Betrug, Vorteilsnahme, Korruption, das sind Begriffe, die in diesem Monat nicht nur mit der ARD, sondern auch mit VW, mit BMW, mit dem Chiphersteller Infineon, mit der Commerzbank, mit DaimlerChrysler, mit Siemens in Verbindung gebracht werden konnten, in Verbindung gebracht werden mussten. Es ging um Geldwäsche bei dem einen, um Lustreisen der Betriebsräte beim anderen, um Bestechung und Schmiergelder bei den anderen. Eine schwedische Automarke textet schon frech über dem Bild ihres Cabrios: "Nur gut, dass es noch Automarken gibt, die nur durch ihre Autos bestechen". Die konservative Wochenzeitung "Rheinischer Merkur" titelt "Die Schmiergeld-Republik" und meint damit Deutschland. Und Peter von Blomberg, stellvertretender Vorsitzender des Korruptionsanprangerers Transparency Deutschland, sieht mit den Vorständen von DAX-Unternehmen in der Tat eine neue Täterqualität aufziehen:

    Die Fälle, über die wir viel gehört haben in der letzten Wochen, sind in der Tat besonders bedauerlich, besonders unverständlich. Wenn nämlich tatsächlich gut bezahlte Vorstände es für richtig halten, nicht dort zu stehen, wo man sie vermuten dürfte - nämlich auf der Seite des Kampfes gegen die Korruption, also als positive Vorbilder in diesem Land, sondern eben als Täter. Das ist persönlich ganz unbegreiflich. Aber es zeigt nur, dass Korruption in aller Regel nicht aus Not begangen wird, sondern von Menschen mit einem weißen Kragen, die an entsprechend bedeutsamen Hebeln sitzen, die sie selber zu ihren Gunsten betätigen können, so dass alle Überlegungen, dass vielleicht eine schlechte Wirtschaftslage diese Situation befördern könnte, ganz sicher nicht zutreffen.

    Es ist passiert in der seit Jahren laufenden Vorabend-Serie für Teenies, in "Marienhof", dass Wirtschaftsprüfer und interne Revision des Südwestrundfunks Schleichwerbung in gehäufter Zahl gefunden haben. Das ist eine schlechte und eine gute Nachricht: Die schlechte ist, dass verbotene so genannte "Placements" von Produkten und Dienstleistungen stattgefunden haben. Firmen haben sich also außerhalb der Werbung Sendezeit im gebührenfinanzierten ARD-Programm kaufen können. Die gute ist, dass diese verbotenen Geschäfte entdeckt wurden. Das vor allem kehrte der Intendant des SWR, Peter Voss, vorige Woche heraus:

    Wir haben die Fälle aufgeklärt, die uns bekannt geworden sind. Wir haben herausgefunden, wie es dazu kann. Wir haben Maßnahmen beschlossen, die Schleichwerbung in der Zukunft verhindern werden.

    Welche das sind, ist noch nicht überall bekannt. In Rheinland-Pfalz wird die Medienpolitik der Länder seit eh und je koordiniert, Ministerpräsident Kurt Beck sitzt der Medienkommission der Länder vor, und der Chef seiner Staatskanzlei, Martin Stadelmaier, hat mit Befremden gehört, dass die letzten Abrechnungen über die Schleichwerbung im "Marienhof" aus dem Frühjahr 2005 stammen, obwohl die verbotene Praxis mindestens ein Jahr zuvor bis hin zum Programmdirektor bekannt war. Martin Stadelmaier:

    Das sind Dinge, die mich auch außerordentlich beunruhigen, wo wir auch die Frage stellen müssen: Funktionieren die internen Aufsichtsgremien bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Im übrigen bei den Privaten: Funktioniert die Aufsicht durch die Landesmedienanstalten? Bei beiden gibt es dort Fragestellungen, bei denen ich davon ausgehe, dass sie in der Rundfunkpolitik dazu führen werden, dass man auch im rechtlichen Rahmen Konsequenzen ziehen wird aus diesen Fällen jetzt.

    Der Staatssekretär rechnet damit, dass in der Rundfunkkommission der Bundesländer im September auch die Themen "Schleichwerbung" und "Korruption" diskutiert werden. Stadelmaier erklärt sich diese Vorkommnisse damit, dass seit der Einführung des privaten Fernsehens Mitte der 1980er-Jahre Fernsehen kommerzieller geworden ist. Und noch mehr vermutet er, dass zur gleichen Zeit die Gesellschaft einen Wertewandel erlebt habe, dass seitdem der individuelle Vorteil und Profit weit mehr zähle als ein gesellschaftlicher Anspruch oder auch die Frage nach der gesellschaftlichen Verträglichkeit des Handelns. Das wird die Medienpolitik der Länder nicht so schnell ändern können. Staatssekretär Stadelmaier will aber nach der Erfahrung mit "Marienhof" und "Tatort", nach der Erfahrung mit dem Fehlverhalten in den privatwirtschaftlich organisierten Produktionsgesellschaften der ARD deren Kontrolle verschärft wissen:

    Es geht um die Beteiligungsgesellschaften, die als Töchter organisiert sind, die eigene Aufsichtsgremien haben, und in den Aufsichtsgremien der Mütter werden in aller Regel nur die Geschäftsberichte der Töchter zur Kenntnis genommen. Aber da findet keine Prüfung im Detail statt. Insofern muss man sehen: Wie ist das Verhältnis zwischen Tochter und Mutter? Wer schaut dort drauf? Gibt es Stellen, wo man erkennen kann, dass beispielsweise product placement stattgefunden hat? Und gibt es dann die Möglichkeit, solche Erkenntnisse so einzuspeisen, dass dies aus Sendungen eliminiert wird. Und da scheint es doch erhebliche Defizite gegeben zu haben. Da kann man sich beispielsweise vorstellen, dass man das Recht der Verwaltungsräte der Mütter gegenüber den Beteiligungsgesellschaften auch stärkt, auch dass man die Gremien, die mit Programm zu tun haben, beispielsweise die Fernsehräte, in ihrer Kontrollfunktion, auch in ihrer Sanktionsfunktion stärkt.

    Durchgriff also der Aufsichtsgremien der Mütter auf die Töchter scheint nötig. Dass die Aufsichtsgremien dabei professioneller werden müssen, gesteht er auf Nachfrage zu:

    Ich gebe Ihnen Recht: Ich glaube auch, dass eine gewisse Professionalisierung der Gremien erforderlich ist, und zwar in dem Sinne, dass sie die Strukturen ihrer Arbeit auf solche Ereignisse abstellen, je nach Rolle: Ein Verwaltungsrat hat eine andere Rolle als beispielsweise ein Fernsehrat, wird man dies tun müssen, beispielsweise dadurch, dass man Externe zur Beratung zuzieht, sich Gutachten fertigen lässt, die dann auch entsprechend diskutiert und ausgewertet und in Beschlüsse umgesetzt werden. Aber ich halte auch sehr viel von der Diskussion über so genannte Selbstverpflichtungen oder anders ausgedrückt: Leitbilder von Untenehmen, in denen zu bestimmten Fragen, klargestellt wird, was ein Untenehmen macht und was man von seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen erwartet. Und dies erscheint mir vor allem bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten noch unterentwickelt.

    Womöglich hatte die Gesellschaft in den letzten Jahren auch schlechte Vorbilder. Die Spendenaffäre der CDU auf Bundesebene und in Hessen hat das Vertrauen in das politische Führungspersonal geschwächt, in einzelne Persönlichkeiten gar zerstört. Für den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl gilt das vor allem. Er gab zu, schwarze Kassen an der Partei vorbei, am Parteiengesetz vorbei geführt zu haben, wollte aber die Spender nicht nennen.

    Ich habe allerdings in meinem ganzen Leben nie meine Ehre aufgegeben. Und so wie ich das verstehe, andere mögen es anders verstehen, gehört für mich und zu meiner Ehre, dass ich ein gegebenes Wort halte.

    Das Ehrenwort, ein spätestens seit Uwe Barschel in der Politik missbrauchtes und womöglich verbrauchtes Phänomen, war Kohl also wichtiger als das Parteiengesetz. Der Ehrenvorsitz der CDU wurde ihm zwar aberkannt, aber als geächtet gilt Kohl nun wirklich nicht in seiner Partei. Es gibt also prominente Vorbilder dafür, als könne man sich auch in einem demokratischen Rechtsstaat über das Gesetz stellen, als könne man sich eine individuelle Rechtsordnung basteln. Bestechung, Korruption, Untreue gehören jedenfalls zum deutschen Alltagsleben. Transparency Deutschland geht davon aus, dass nur fünf bis zehn Prozent aller Korruptionsfälle bekannt werden, dass die Öffentlichkeit nur die Spitze eines Eisbergs sehe. Und der reiche tief, zeige viele Formen von Korruption, weiß Peter von Blomberg von Transparency Deutschland:

    Die Formenvielfalt ist riesig groß. Sie fängt an, wenn Menschen, die Angst haben, ihren Führerschein zu verlieren, in denselben einen Geldschein legen, um bei einer Verkehrskontrolle den Versuch zu machen, den kontrollierenden Polizisten damit ruhigzustellen. Sie geht weiter, wie wir das in diesen Tagen erlebt haben, durch massives Fehlverhalten von verantwortlichen Vorstandsmitgliedern deutscher Aktiengesellschaften, die keine Scheu haben, im Zusammenhang mit geschäftlichen Operationen, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Dann gibt es die Korruption, die scheinbar zu Gunsten der Unternehmen stattfindet, wo Verantwortliche in den Unternehmen, um Aufträge zu gewinnen, unfaire Mitteln ansetzten. Es geht immer darum, dass Menschen einer Interessenkollision erliegen, d.h. die Pflichten, die sie haben, in einer beruflichen Tätigkeit missbrauchen, um daraus einen persönlichen Vorteil zu gewinnen.

    Die Nachrichten sind voll davon, voll von Meldungen über Fehlverhalten bei renommierten deutschen Unternehmen:

    Im Zusammenhang mit der VW-Affäre will Konzernchef Pischetsrieder mögliche Begünstigungen des Betriebsrats von der Justiz prüfen lassen. Das werde er dem zuständigen Gremium des Aufsichtsrates vorschlagen, sagte Pischetsrieder der "Braunschweiger Zeitung". Es geht unter anderem um die Frage, ob Betriebsräten Gelder und Vergünstigungen ohne ausreichende Kontrolle zur Verfügung gestellt wurden. Hunderttausende Euro sollen ohne ordentliche Quittungen abgerechnet worden sein.

    Ende Juni wurde die Korruptionsaffäre bei VW bekannt. Die Quartalszahlen von heute waren zwar überraschend gut. Dass Korruption VW nicht schade, lässt sich aber daraus nicht ablesen. Führende Mitarbeiter, unter anderem ein früherer Personalvorstand der VW-Tochter Skoda, sollen ein Netz von Tarnfirmen gesponnen haben nur zu dem Zweck, Zulieferer abzuschöpfen: Die mussten zahlen, um Aufträge zu bekommen. Zudem wurde ruchbar, dass der frühere Betriebsratsvorsitzende zumindest zeitweise an einer dieser Firmen beteiligt war. Und es kam heraus, dass dem Betriebsrat Etats quasi zur freien Verwertung zugebilligt wurden. Mit dem Geld sollen auch Freundinnen aus Brasilien eingeflogen worden sein. Klaus Volkert, Chef des Gesamtbetriebsrates, trat zurück. Peter Hartz, Personalvorstand, geht Anfang nächsten Monats vorzeitig in Pension, nachdem er die "politische Verantwortung" für die liederliche Kontrolle der Betriebsratsfinanzierung übernommen hatte. Auch ist der Verdacht entstanden, der frühere VW-Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piech habe sich dem Betriebsrat gegenüber so großzügig gezeigt, damit der im Aufsichtsrat für teure Vorstandspläne stimme, dem Kauf und der Entwicklung des VW Phaeton etwa, von Bentley und Bugatti. Dafür habe es großzügige Haustarife und ebensolche Spesenetats gegeben. Denn Betriebsrat und das früher SPD-regierte Niedersachsen haben im Aufsichtsrat eine Mehrheit gehabt, der im Zweifel gut bezahlte Arbeitsplätze wichtiger waren als Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens. Jürgen Pieper, Autoanalyst beim Bankhaus Metzler:

    Es ist lange Zeit bis heute ein Unternehmen, wo die Politik relativ großen Einfluß hatte, wo die Gewerkschaft einen relativ großen Einfluß hatte. Ich denke, gerade der Gewerkschaftseinfluss wird zurückgedrängt. Aber immer noch ist es ein politischeres Unternehmen als der Durchschnitt.

    Antreiber der Aufräumarbeit bei VW ist Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff. Denn Niedersachsen ist Großaktionär bei VW und will das auch bleiben. Und so fürchtet man am Kapitalmarkt, es könne die Zeit kommen, da roter durch schwarzen Filz ersetzt werde. Und man hofft, es möge mit Peter Hartz auch die Zeit gehen, die Arbeitnehmern und Politikern mehr Rechte einräumt als den Geldgebern und ihren Wünschen nach Effizienz. Rüdiger von Rosen, Vorstand im Deutschen Aktieninstitut:

    Man muss fairerweise ja auch sagen, dass das deutsche Mitbestimmungsmodell kein Exportschlager grundsätzlich gewesen ist. Denn sonst hätten es auch andere Länder in ihren Wirtschaftsverfassungen eingeführt. Das ist nicht der Fall gewesen. Und insofern ist Wertschöpfung ja etwas, was allen zugute kommt.

    Auch den Pensionskassen, den Beschäftigten also, soll heißen: Der Markt ist das effizienteste Steuerungsinstrument, filzgefährdete Gremien braucht er nicht. Kaum waren die Nachrichten über die VW-Affäre verklungen, gab es schon wieder neue, gleichartige, diesmal aus dem Süden der Republik:

    Der Aufsichtsrat des Chip-Herstellers Infineon hat den Rücktritt des unter Korruptionsverdacht stehenden Vorstands von Zitzewitz angenommen. Im Interesse des Unternehmens sei eine schnelle Entscheidung notwendig gewesen, erklärte Aufsichtsratschef Kley in München. Von Zitzewitz, der für das Speicherchip-Geschäft zuständig war, soll Provisionen bei Sponsoring-Verträgen erhalten haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung.

    VW, Infineon, ARD, das sind keine Einzelfälle. Auch DaimlerChrysler hat mit bestochenen Einkäufern zu tun. Siemens-Mitarbeiter sollen aktiv bestochen haben, um Aufträge in Belgrad zu bekommen. BMW kam am Mittwoch mit Korruptionsvorwürfen in die Schlagzeilen. Der Frankfurter Immobilienskandal um geschmierte Immobilienfonds-Manager ist noch längst nicht aufgedeckt. Fachleute wie Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner, Chef des Sonderdezernats Korruption, wissen, dass die Masse der Delikte nicht entdeckt wird:

    Das ist ein großes Problem bei dieser Form der Wirtschaftskriminalität, die wir Korruption nennen, nämlich das Problem des Dunkelfeldes. Es werden kaum Fälle bekannt. Und wenn, dann werden sie sehr schnell zu Skandalen hochstilisiert, zu Affären, was im Grunde genommen nicht stimmt. Denn dem Skandal wohnt ja inne, dass er eine Abweichung von der Norm ist, eine exotische ungewöhnliche Abweichung. Doch die Korruption ist bei uns Alltag. Das heißt nicht, dass jeder korrupt ist.

    Schaupensteiner spricht von einer Korruptionslandschaft, die sich seit den achtziger Jahren ausgebreitet habe, getrieben von einer Schnäppchenmentalität, von der wachsenden Bereitschaft, den eigenen Vorteil zu suchen, ohne Rücksicht auf Gesetzesverstöße. Das Risiko, entdeckt zu werden, sei unbeachtlich. Deshalb, meint er, könnten vermehrte Kontrollen helfen:

    Das Problem ist, dass es keine Kontrolleure gibt. Wenn dann einmal ein Unternehmen im Hinblick auf einschlägige negative Erfahrung, zum Beispiel im VW-Konzern sagt: So, wir wollen jetzt mal bei uns kontrollieren, was bei uns in Sachen Reiseabrechnung von Betriebsräten passiert ist - da kommt gleich der große Widerstand und der Vorwurf, man würde alle kriminalisieren durch Kontrollen. Und das ist einer der Übelzustände in unserem Lande, dass Kontrolle verwechselt wird mit Misstrauen.

    Bei der Telefonüberwachung, der personellen Ausstattung der Strafverfolger, der Ausweitung ihrer Kompetenz über einen Gerichtsbezirk hinaus mindestens auf ein Bundesland, da könne die Politik noch viel tun, sagt Schaupensteiner. Und Peter von Blomberg von Transparency Deutschland hält ähnlich vor allem die Unternehmen in der Pflicht:

    Damit Korruption möglichst wenig passiert, muss sowohl bei den staatlichen Rahmenbedingungen wie bei der Präventionspolitik des einzelnen Unternehmens eine Menge geschehen. Wir haben in Deutschland im Grunde genommen, was die Gesetzgebung anbelangt, einen durchaus akzeptablen Rahmen. Es gibt den einen oder anderen Punkt, den wir uns verbessert vorstellen können, wie zum Beispiel ein zentrales Korruptionsregister, in das Firmen aufgenommen werden, die durch Korruption aufgefallen sind und die dann für eine begrenzte Zeit von der Teilnahme am öffentlichen Wettbewerb ausgeschlossen werden müssen.

    Der Kernbereich ist aber die betriebliche Funktion, die betriebliche Prävention. Hier muss natürlich der Vorstand seiner Pflicht gerecht werden, Risiken vom Unternehmen abzuwenden, d.h. im Rahmen des Risikomanagements die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Wozu als Erstes gehört, dass er sich in aller Öffentlichkeit nach innen und nach außen ganz klar gegen jede Form von Korruption erklärt. Also, eine Selbstverpflichtung eingeht, an der er jederzeit festgehalten werden kann. Es gibt dann eine Reihe von weiteren Maßnahmen, die er treffen muss. Er muss die möglichen Schwachstellen der Organisation ermitteln und durch entsprechende Maßnahmen absichern. Er muss die Mitarbeiter durch einen Verhaltenskodex auf die Vermeidung von Korruption einstellen. Er muss ihnen aber auch ernsthafte Konsequenzen androhen, wenn sie diese Gebote und Verbote nicht einhalten. Und er muss schließlich dafür sorgen, dass im Unternehmen Möglichkeiten geschaffen werden, vorhandenes Wissen über Korruption nutzbar zu machen.


    Aber es gibt auch die Pessimisten unter den Fachleuten, die den Kampf gegen die Korruption gegen Politik und Wirtschaft führen im Wissen, dass sie nie gewinnen werden. Denn sie ahnen, dass ein Standort mit dem Ruf, entschieden gegen Wirtschaftskriminalität zu kämpfen, von den Unternehmen gemieden werde. Und deshalb sei die Unterstützung durch die Politik auch nur halbherzig. Hinzu komme die Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft. Bestechung von Abgeordneten ist erst seit 1994 strafbar; und dass Bundestagsabgeordnete ihre Nebeneinkünfte angeben müssen, wurde erst vor einem Monat beschlossen - gegen die Stimmen der Opposition. Korruptionsbekämpfer haben also oft den Eindruck, man wolle ihre Arbeit nicht wirklich. Der Erfolg im Kampf gegen die Korruption hängt aber wesentlich davon ab, dass es Kämpfer gibt – nur dann kann was passieren.