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Verdrängte Vergangenheit

Keine Strafmaßnahme hatte das weiße Apartheidregime Südafrikas so gekränkt wie der Sportboykott. Der Weltfußballverband verweigerte jedoch lange ein Machtwort und stützte so indirekt die Rassentrennung. Auf ein Wort des Bedauerns warten die Südafrikaner auch während der WM vergeblich.

Von Ronny Blaschke |
    Fast jeden Tag verschickt die Fifa eine Pressemitteilung, in der sie sich als Hilfsorganisation Afrikas beschreibt. Ihr Präsident Joseph Blatter hofft auf den Friedensnobelpreis. Doch über ihre Haltung während der Apartheid verliert die Fifa in diesen Tagen kein Wort. Die Aufklärung übernehmen Unabhängige wie Peter Raath. Der südafrikanische Buchautor arbeitet während der WM als eine Art Geschichtslehrer:

    "Nur weiße Zuschauer durften hier auf der Tribüne sitzen. Auf der anderen Seite hatten die Schwarzen kein Dach. Und wenn Regen und Wind aus Nordwesten kamen, wurden sie nass, aber die Weißen waren gut geschützt. Und die Farbigen saßen auf der Gegenseite. Also in den Stadien wurden eigentlich nur Weiße bevorzugt."

    Die Politik der Apartheid war 1948 zur Staatsdoktrin erhoben worden. Langsam setzte sie sich auch im Sport durch. Die von Weißen geführte Football Association of South Africa, die FASA, lehnte nicht weiße Mitglieder ab. Die FIFA bezeichnete diese Trennung als "südafrikanische Tradition". Immer mehr afrikanische Fußballverbände drohten der Fifa mit ihrem Rückzug. Auf Druck suspendierte die Fifa 1961 den Verband FASA. Doch schon zwei Jahre später nahm sie ihn für wenige Monate wieder auf. Veranlasst hatte das der neue Verbandschef Sir Stanley Rous. Der erzkonservative Brite schlug sich auf die Seite des Minderheitenregimes und sagte, die multiethnischen Gegenspieler der FASA seien ungeeignet, Südafrika zu repräsentieren. Bartholomäus Grill, langjähriger Afrika-Korrespondent, berichtet in der Wochenzeitung "Die Zeit":

    "Was im Januar 1963 am Kap geschah, gehört zu den unauslöschlichen Schandflecken in den Annalen der Fifa. Der Weltverband entsandte eine Kommission unter der Leitung von Stanley Rous in den Apartheidstaat. Die Herren Funktionäre befanden, dass es keine vorsätzliche Diskriminierung vonseiten des weißen Fußballverbandes gebe. So schlecht ginge es den 'Eingeborenen' nicht, sie hätten schließlich ihre eigenen Organisationen."
    Der Südafrikanische Rugby-Verband, der wie keine andere Sportorganisation den Rassismus unterstützt hatte, entschuldigte sich für sein Verhalten 2006, 16 Jahre nach Ende der Apartheid. An diesem Sonntag endet die Fußball-WM in Johannesburg. Fifa-Präsident Joseph Blatter wird vor hunderten Millionen Zuschauern sprechen. Mit wenigen Worten könnte er viel Aufmerksamkeit auf ein verdrängtes Thema lenken. Doch zu rechnen ist damit nicht wirklich.