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Verfassungsänderung
Hollande scheitert an den Parteigrenzen

Als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris hatte Frankreichs Präsident Hollande eine Verfassungsänderung geplant. In ihr sollte der Ausnahmezustand verankert werden, mit erweiterten Rechten für Ermittlungsbehörden. Weil Nationalversammlung und Senat sich nicht einigen konnten, erklärte Hollande das Vorhaben jetzt für beendet.

Von Jürgen König | 30.03.2016
    Francois Hollande bei seiner Rede.
    Der französische Präsident Francois Hollande ist mit seinen Plänen zur Verfassungsreform gescheitert. (AFP / Thibault Camus)
    Die große Mehrheit der Franzosen findet die Idee gut, verurteilten Terroristen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Viele Parlamentarier allerdings waren dagegen: Kein Terrorist würde sich von einer solchen Maßnahme abschrecken lassen, und, noch wichtiger: Frankreich habe sich nunmal verpflichtet, keine Staatenlosen zu schaffen. Von einer Aberkennung der Staatsbürgerschaft wären nur die Franzosen mit zwei Pässen betroffen gewesen: Das Gesetz hätte so gut wie ausschließlich für Franzosen mit Migrationshintergrund gegolten. Der Streit über die mögliche Spaltung der Gesellschaft war heftig und anhaltend, die langjährige Justizministerin Christiane Taubira trat wegen der geplanten Verfassungsänderung zurück. Am Ende diskutierten beide Kammern des Parlamentes verschiedene Texte: Die oppositionellen Republikaner, die im Senat das Sagen haben, stimmten für eine Formulierung, die eine Ausbürgerung nur bei doppelter Staatsbürgerschaft zulässt, genau diese konkrete Benennung lehnte die von den Sozialisten dominierte Nationalversammlung ab. Dieser ausweglose Streit wurde von Präsident Hollande mit einer kurzen Ansprache beendet:
    "Heute stelle ich fest, dass die Nationalversammlung und der Senat es nicht erreicht haben, sich auf einen gemeinsamen Text zu verständigen – und dass ein Kompromiss über die Definition des Entzugs der Staatsbürgerschaft für Terroristen außer Reichweite liegt."
    "Ich stelle auch fest, dass ein Teil der Opposition jeder Art von Verfassungsänderung ablehnend gegenübersteht, auch was den Ausnahmezustand angeht. Ich bedaure diese Haltung außerordentlich."
    Auch das zweite Verfassungsprojekt des französischen Präsidenten, den Ausnahmezustand in der Verfassung zu verankern, wird sich nun vorerst nicht realisieren lassen; auch die erweiterten Befugnisse der Ermittlungsbehörden im Ausnahmezustand wird es nicht geben. Dabei sei die terroristische Bedrohung so groß wie nie zuvor, sagte Francois Hollande und zeigte sich entschlossen.
    "Ich habe entschieden, die Debatte über die Verfassung zu beenden. Von meinem Weg aber, den ich seit den Anschlägen vom Januar 2015 gegangen bin, um die Sicherheit unseres Landes zu gewährleisten und die Franzosen vor dem Terrorismus zu beschützen – von diesem Weg werde ich nicht abweichen. Das ist meine Pflicht, ist meine Verantwortung. Ich übernehme sie mit allen Konsequenzen und der notwendigen Kraft."
    In ersten Reaktionen gaben sich Sprecher der Sozialisten wie der Republikaner gegenseitig die Schuld am Scheitern der Verfassungsreform. Christian Jacob, Sprecher der Republikaner in der Nationalversammlung: "Das Problem von Präsident Hollande ist, dass er keine Mehrheit der Linken zusammenbekommen hat. Wir, Abgeordnete und Senatoren der Republikaner, waren zur Stelle – bei diesem Projekt, das Francois Hollande nach den Anschlägen bei seiner Rede in Versailles angestoßen hat."
    Und für den Chef der Sozialistischen Partei, Jean-Christophe Cambadélis, ist es die konservative Opposition, die sich von der Notwendigkeit einer "nationalen Union zur Stärkung des Kampfes gegen den Terrorismus" nicht habe überzeugen lassen. Präsident Hollande wollte mit seinem Projekt ausdrücklich "Parteigrenzen" überwinden. Gelungen ist ihm das nicht.