Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Verhaltensökonom Armin Falk
Warum wir soziale Gerechtigkeit nur fühlen können

Menschen, denen es "objektiv" gut geht, können sehr unzufrieden sein. Warum? Der Bonner Verhaltensforscher Armin Falk sagte im Dlf, Menschen seien ganz einfach schlecht darin, "objektive Zustände" zu beurteilen. Denn nur im Vergleich mit anderen könnten wir spüren, ob es uns gut oder schlecht gehe.

Armin Falk im Gespräch mit Karin Fischer | 07.01.2018
    Ein Mann sucht in Berlin in einem Papierkorb nach Pfandflaschen oder Pfanddosen (Symbolbild)
    Der Mensch erlebe Fairness und Gerechtigkeit "relativ zu anderen" so Armin Falk (picture alliance/ dpa/ Wolfram Steinberg)
    Was ist "sozial" gerecht? Und wie kann es eigentlich sein, dass Menschen sich unfair oder ungerecht behandelt fühlen, obwohl es ihnen gut geht?
    Diese Fragen beschäftigen den Verhaltensökonom Armin Falk. Er leitet das Briq, das "Institut für Verhalten und Ungleichheit", in Bonn, an dem seit gut eineinhalb Jahren menschliche Verhaltensweisen in Bezug auf ökonomische Moral, Hilfsbereitschaft oder eben das Empfinden von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit erforscht werden.
    Bei der Beurteilung von Gerechtigkeit oder Fairness spielten "subjektive Komponenten eine sehr wichtige Rolle", sagt Falk. Denn der Mensch erlebe Fairness und Gerechtigkeit "relativ zu anderen", also im Vergleich:
    "Es ist eine der – ja, man könnte beinahe sagen - klassischen Einsichten der Verhaltensökonomik, dass wir als Menschen eher schlecht darin sind, objektive Zustände zu beurteilen. Wir machen das in der Regel 'relativ zu anderen'. Das heißt, wir brauchen Referenzpunkte, um zu bestimmen, ob es uns gut oder schlecht geht."
    Gerechtigkeit wird "relativ zu anderen" erlebt
    Selbst gute Gehälter oder Einkommen könnten deshalb zu schlechten Gefühlen führen, wenn andere im Vergleich sehr viel mehr hätten - oder auch wenn das eigene Einkommen stagniere, resultiere daraus Unzufriedenheit:
    "Wenn das eigene Einkommen besser wird über die Zeit – also, wenn ich relativ zu meiner Vergangenheit – das wäre auch so ein Referenzpunkt – mehr habe, dann erlebe ich das sehr positiv, egal auf welchem Level das ist. Wenn das aber stagniert, erlebe ich das als Rückschritt."
    Der Verhaltensökonom Armin Falk nimmt am 7. April 2015 in Berlin an einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Wirtschaft für morgen" im Bundeswirtschaftsministerium teil. 
    Verhaltensökonom Armin Falk im April 2015 bei deiner Diskussionsveranstaltung (picture alliance / dpa / Tim Brakemeier)
    Tatsächlich hätten aber auch die objektiven Unterschiede beispielsweise zwischen den Einkommen eines CEO oder eines Abteilungsleiters und dem eines Pförtners in den vegangenen 20 Jahren "dramatisch zugenommen", sagt Falk.
    Unfaire Löhne machen krank
    Insofern müsse man die Fairness- oder Gerechtigkeitsdebatte immer "in einer Mischung betrachten aus dem, was tatsächlich objektiv ankommt, was jemand tatsächlich hat, und was er relativ zu Vergleichsgruppen, die für ihn relevant sind, hat." Auch Transparenz spiele hier eine große Rolle.
    Zudem speise sich Unzufriedenheit aus einem "Gefühl des Ausschlusses, des Nicht-Dazugehörens, sowohl kulturell, ökonomisch oder auch sozial". Das führe zu gesellschaftlichen Verwerfungen, die sich auch im Ausgang von Wahlen in den USA und Europa gezeigt hätten.
    Unfaire Löhne seien aber auch schlecht fürs Herz, meinte Falk, der für seine Fairness- und Gerechtigkeitsstudien unter anderem Versuche macht, bei denen er "physiologische Reaktionen" - vor allem Stress - als Reaktion auf Fairness oder Unfairness misst. Dabei zeige sich, dass Mitarbeiter, die ihren Lohn als unfair empfinden, sehr viel häufiger krank seien. Insbesondere litten sie unter Herzkreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Herzinfarkt.