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Verkehrswissenschaftler gegen generelles Tempolimit

Birke: Nach dem Urteil gegen den so genannten Autobahndrängler von Karlsruhe haben sich jetzt auch schon einige führende Grünenpolitiker mit der Forderung nach Einführung eines Tempolimits gemeldet. Eine Begrenzung auf 130 Kilometer wäre das Vernünftigste – so wird der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Reinhard Loske, heute in der Berliner Zeitung zitiert. Auch der Grüne Verkehrsexperte Albert Schmidt hält ein solches Tempolimit für sehr hilfreich, weil es den Verkehr sicherer und fließender machen würde. Wir sind jetzt verbunden mit Professor Alexander Eisenkopf, Verkehrsexperte von der Universität Friedrichshafen. Herr Professor Eisenkopf, brauchen wir als einziges Land der Welt ohne absolute obere Geschwindigkeitsbegrenzung eine solche, um jetzt den Rasern Einhalt zu gebieten?

Moderation: Burkhard Birke |
    Eisenkopf: Um den Rasern Einhalt zu gebieten sicherlich nicht, denn mit einem solchen Tempolimit können Sie diese bedauerlichen und schlimmen Vorfälle, wie sie jetzt jüngst in dem Urteil verhandelt wurden, nicht verhindern. Es wird immer wieder Leute geben, die auf Kosten ihrer Mitmenschen ihren "Spaß" am schnellen Fahren durchsetzen. Ein Tempolimit hat natürlich gewisse Vorteile, es hat auch Nachteile. In Deutschland ist die Diskussion immer gleich ideologisch eingefärbt. Das sollte man vermeiden und ganz genau diese Vor- und Nachteile abwägen.

    Birke: Was würde denn ein Tempolimit für den Verkehrsfluss bringen?

    Eisenkopf: Aus verkehrstheoretischer Sicht, aus Sicht der Verkehrsflusstheorie ist natürlich eine gleichmäßige Geschwindigkeit die beste Möglichkeit, um die Straßen optimal auszulasten. Dann würde allerdings die optimale Geschwindigkeit je nach Straßentyp noch niedriger liegen, als dieses von den Grünen-Politikern vorgeschlagene Tempolimit von 130 Stundenkilometern...

    Birke: Wo müsste sie denn liegen Herr Eisenkopf?

    Eisenkopf: Man könnte sich vorstellen - das hängt vom Straßentyp ab, von dem Ausbauzustand - in der Gegend von 100 Stundenkilometern in etwa würde das liegen, rein aus technischer Sicht.

    Birke: Wir haben ja nun schon solche Geschwindigkeitsbegrenzungen auf einigen Autobahnen, die auch variabel gestaltet werden, etwas auf der Strecke Köln-Aachen. Halten Sie das für einen guten Weg, diesen verkehrsangepassten Geschwindigkeitskontrollweg zu gehen?

    Eisenkopf: Ja, das ist der entscheidende Punkt. Das macht, wenn ich jetzt aus ökonomischer Sicht spreche, natürlich keinen Sinn, generell auf allen Autobahnen Schilder aufzustellen oder die Geschwindigkeit auf 130 oder auf irgend eine andere Geschwindigkeit zu begrenzen, sondern man muss das eben in Abhängigkeit von den Verkehrsmängeln, die zu bewältigen sind, sehen. Da bieten solche Beeinflussungsanlagen, wie sie ja teilweise schon installiert sind an den Autobahnen, eine wirkliche Chance, das Ganze effizient zu gestalten. Wenn wenig Verkehr anfällt, dann kann jemand auch schneller fahren und wenn wir eben eine hohe Verkehrsbelastung haben, dann wird die Geschwindigkeit eben runter reguliert und diese Verkehrsbeeinflussungsanlagen sind aus ökonomischer Sicht, aus der Sicht ihrer Kosten- und Nutzenkomponenten sehr empfehlenswert und eine sehr sinnvolle Investition.

    Birke: Wie wäre das Ganze denn auch unter ökologischen Gesichtspunkten zu bewerten? Würde man da wirklich auch Energie sparen?

    Eisenkopf: Die Beeinflussung des Verkehrsflusses und eine gleichmäßigere Verkehrsflussgestaltung hat natürlich Effekte auch auf den Energieverbrauch der Fahrzeuge, das ist logisch, das kennen Sie aus der unmittelbaren Anschauung. Wenn Sie mit sehr hohen Geschwindigkeiten fahren, dann ist natürlich ihre Verbrauchsfunktion eine andere, als wenn Sie mit einer gemäßigten Geschwindigkeit fahren. Das Ganze ist natürlich ein schwieriges Unterfangen, hier eine ökologische Steuerung einführen zu wollen. Ich glaube, dass das der falsche Weg ist, um ökologisch gegenzusteuern.

    Birke: Wie könnte man denn sonst die Autoindustrie dazu bringen, nicht immer schnellere und mächtigere Autos, sondern effizientere, Benzin sparende Autos zu bauen?

    Eisenkopf: Die Autoindustrie erfüllt ja zunächst erst mal die Wünsche der Konsumenten. Und wenn die Konsumenten eben schnelle Hochleistungsfahrzeuge kaufen möchten weltweit, dann wird die Autoindustrie diese Fahrzeuge produzieren. Denken Sie dran, an den Verkaufserfolg des Porsche Geländesportwagens, der ja auch nicht gerade durch eine Tendenz zum Drei-Liter-Fahrzeug auffällt. Das ist tatsächlich eine Frage der Kundenpräferenzen, diese Fahrzeuge zu bauen und zu produzieren. Lassen Sie mich da noch mal ausholen. Ich sehe ohnehin nicht die Chance, durch immer schärfere Verbrauchsrestriktionen Entscheidungen zum weltweiten Energie- oder CO2-Ausstoß herbeizuführen. Man muss das ja im Zusammenhang sehen. Wir versuchen hier da um zehntel Liter oder um wenige%e mit sehr hohem ökonomischen Aufwand Verbesserungen durchzuführen, während in anderen Teilen der Welt durch unrentable, unökonomische und uneffiziente Energieumwandlungsanlagen Emissionen generiert werden, die man zu einem Bruchteil der Kosten vermeiden könnte.

    Birke: Dennoch hat ja das Tempolimit von 90 oder 100 Stundenkilometer in den USA zu einem deutlichen Absinken des Verbrauchs beim Benzin geführt.

    Eisenkopf: In den USA haben sie sowieso eine andere Problematik, da sie dort von der Kostenseite her nicht diesen Druck haben, wie in Europa oder in Deutschland oder in Großbritannien. Speziell mit der hohen Besteuerung haben Sie ja schon ein wirksames Instrument, um den Leuten das schnelle und energiefressende Fahren zu vermaledeien.

    Birke: Herr Professor Eisenkopf, ganz kurz noch mal zusammengefasst: Tempolimit verkehrsabhängig, aber nach oben hin sollte es durchaus noch Strecken geben, wo man laufen lassen kann?

    Eisenkopf: Ich sehe da eigentlich die Maxime, wenn die Autobahn frei ist und sie für entsprechende Geschwindigkeiten ausgelegt ist, warum sollte man dann den Autofahrern dann nicht auch die Möglichkeit geben, diese Geschwindigkeit auszunutzen. Andererseits, wenn es die Verkehrssituation nahe legt, dann in jedem Fall entsprechende Tempolimits und am besten eben ein auf den kritischen Strecken angepasstes, verkehrsflussabhängiges, gesteuertes System.