Archiv

Verpackungen aus Biokunststoff
Erst Fritte, dann Tüte

Die Firma Biotech in Emmerich verarbeitet Biomüll zu Tüten und anderen nützlichen Dingen. Verwendet werden vor allem Abfälle aus der Kartoffelindustrie. Für manche Produkte gibt es sogar Koscher- und Halal-Zertifikate.

Von Simon Schomäcker |
    Ein Mann im weißen Kittel begutachtet Kunststoff-Stränge aus Kartoffelstärke
    Kunststoff-Stränge, gemacht aus Kartoffelstärke (PR-Engelmann & Kryschak / Kirsten Neumann)
    Eine laute Geräuschkulisse herrscht in der Produktionshalle der Firma Biotec in Emmerich. In dem hellen, steril wirkenden Betongebäude laufen mehrere Maschinen, die Kunststoffgranulat herstellen. Dazu wird das Material, das sogenannte Compound, erst zu wäscheleinenartigen Strängen verarbeitet und anschließend klein geschnitten.
    Das graupenähnliche Granulat lässt sich zu den unterschiedlichsten Gegenständen formen – und die sind zu 100 Prozent biologisch abbaubar. Denn der Hauptbestandteil ist nicht Erdöl, sondern Kartoffelstärke, erklärt Geschäftsführer Peter Brunk.
    "Diese spezielle Kartoffelstärke, die als Abfallprodukt anfällt, die kommt aus der Lebensmittelverarbeitung. Das heißt, bei der Verarbeitung der Kartoffel zu Pommes Frites, zu Chips werden die ausgewaschen. Und dieses Waschwasser enthält viel Kartoffelstärke und die wird aufgearbeitet".
    Kartoffelverarbeiter in der Nachbarschaft
    Emmerich liegt direkt an der niederländischen Grenze. Dort sitzen viele Firmen, die Kartoffeln verarbeiten. Sie lieferten der 1992 gegründeten Firma Biotec die Idee zum jetzigen Geschäftsmodell. Die Lebensmittelbetriebe wollten alternative Verpackungen für ihre Produkte, erzählt Brunk:
    "Da kamen wir halt auf die Idee, Abfälle aus der Kartoffelindustrie aufzunehmen und damit Verpackungen für die Kartoffelindustrie zu machen. Seien es Beutel oder Netze, die gemacht werden müssen."
    Längst ist die Kartoffelindustrie nicht mehr der einzige Abnehmer des Kunststoffgranulats von Biotec. Aber Lebensmittelverpackungen sind nach wie vor ein häufiges Endprodukt - vor allem Gemüsebeutel in den Frische-Abteilungen von Supermärkten. Damit die dünnen Folientüten dem oft hohen Gewicht des Inhalts standhalten, ist eine aufwändige Qualitätskontrolle wichtig. Ein großer Teil der 49 Mitarbeiter beschäftigt sich damit, sagt Brunk:
    "Bei uns muss die Kartoffelstärke einen bestimmten Feuchtigkeitsgehalt haben und die Kartoffelstärke muss ein bestimmtes Fließverhalten haben. Sonst lässt sich daraus kein Kunststoffcompound machen."
    Alternative? Ab in den Müll ...
    Bei der Abfallstärke sind diese Eigenschaften jedoch nicht immer garantiert. Deshalb kann Biotec seine Verarbeitungskapazität von 15.000 Tonnen jährlich nicht komplett mit Resten aus der Pommes- und Chips-Industrie abdecken. Trotzdem rettet das Unternehmen dank seines Produktionskonzepts viele Tonnen Kartoffelstärke vor der Müllverbrennungsanlage.
    Biotec stellt eigentlich nur Kunststoffgranulate her, die von den Kunden weiterverarbeitet werden. Trotzdem gibt es am Firmenstandort einige kleinformatige Maschinen. Damit lassen sich stichprobenartig Endprodukte herstellen. Marketingleiter Uwe Beythien steht vor einer Blasfolienanlage.
    Durch einen Trichter eingefüllt, wird Granulat erhitzt und schließlich zu einem schlauchförmigen Folienstrang aufgeblasen. Dieser läuft an einer Lampe vorbei, bevor er sich um eine Rolle darunter wickelt. Uwe Beythien erklärt:
    "Wir sehen das über die Lampe, dass eine homogene Verteilung der Rohstoffe in der Folie drin ist, dass wir hier ein gleichmäßiges Muster haben und auch, dass die Blase stabil und sauber aufgeblasen wird. Darüber können wir identifizieren: Das Material hat die Qualität, die wir mindestens erwarten, damit unser Kunde es sowohl zu Folie verarbeiten kann, aber auch in anderen Verarbeitungsschritten mit einsetzen kann."
    Koschere Kapseln im Auftrag der Pharmaindustrie
    Eine Besonderheit bei Biotec ist, dass es für einige Granulate sogar Koscher- und Halal-Zertifikate gibt. Daraus werden vornehmlich Weichkapseln für die Pharmaindustrie hergestellt, erklärt Peter Brunk.
    "Da kommt viermal im Jahr ein Rabbi vorbei, wir dürfen dort auch nur koscher zertifizierte Rohstoffe einsetzen. Auch die Maschine muss nach bestimmten Regeln gesäubert werden, sodass wir ein Produkt haben, das sowohl koscher als auch halal ist – eine sehr schöne Alternative zu gelatinebasierten Kapseln."
    Doch trotz hoher Qualitätsstandards und umweltfreundlichem Rohmaterial – für Biotec ist es nach wie vor schwierig, sich am inländischen Markt zu behaupten. 98 Prozent des Umsatzes von 45 Millionen Euro hat das Unternehmen 2017 im Ausland gemacht, betont Marketlingleiter Uwe Beythien.
    "In Frankreich oder Italien gibt es diese Gesetzgebung, die einfach vorschreibt, dass diese Materialien eingesetzt werden müssen, um dann sicherzustellen, dass sie auch in den kompletten Kreislauf mit reinführen. In Deutschland ist das eine Option, das so zu nutzen, es wird zugelassen, aber es wird nicht vorgeschrieben."
    Zudem ist in Deutschland das Recycling von konventionellen Kunststoffen nach wie vor stark verbreitet, meint Peter Brunk. Hinzu kommt die Skepsis darüber, dass der Anbau von Rohmaterial für Biokunststoff Ackerflächen für Lebensmittel verdrängen könnte. Kürzlich hat Brunk sein Unternehmen in Berlin vorgestellt - bei Bettina Hoffmann von den Grünen. Außerdem setzt sich Biotec dafür ein, Biokunststoffe auch als solche zu kennzeichnen.
    "Einer Tüte, die biologisch abbaubar ist, sieht man es nicht an, dass sie aus Biokunststoff ist. Wir sind Gründungsmitglied des Verbunds kompostierbarer Produkte. Wir haben einen Weg gefunden, bei dem alle, die Mitglied sind, eine bestimmte Bedruckung auf den Beutel machen, nämlich einen Keimling. Und da wäre es schön, bei der nächsten Novellierung der Bio-Abfallverordnung, wenn diese Obst- und Gemüsebeutel dann auch in die Braune Tonne gehen dürften."
    Peter Brunk hofft, mit all diesen Maßnahmen sowohl in der Politik als auch bei Kunden und Verbrauchern Aufklärungsarbeit leisten zu können. Nur so lässt sich der abbaubare Kunststoff in der Gesellschaft weiter etablieren – und eine Menge Biomüll zu Tüten und anderen nützlichen Dingen verarbeiten.