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Vielfalt retten

Die Natur verarmt. Umwelt- und Naturschutzverbände fordern deshalb unmittelbar vor der ab nächster Woche in Bonn die Politik zum Handeln auf, um die genetischen Ressourcen auf der Erde zu erhalten.

Von Verena Kemna |
    Ein Schutzgebiet im Regenwald von Ecuador ist nur ein Beispiel für Artenvielfalt. Da stehen 450 verschiedene Bäume auf nur einem Hektar Land, auf der gleichen Fläche finden sich 40.000 Insektenarten. 80 Prozent der Biodiversität stecken in solchen Wäldern, ein unendliches Potenzial genetischer Ressourcen, das Pharmakonzerne für sich zu nutzen wissen. So haben Ethnobotaniker mit dem Wissen indigener Völker südafrikanische Geranien als Hustenmittel entdeckt, oder eine Pflanze auf Madagaskar wird für Aids-Medikamente genutzt. Das bedeutet Millionen-Umsätze für die Pharmaindustrie, nicht aber für die meist armen Ursprungsländer, sagt Horst Korn vom Bundesamt für Naturschutz. Für einen Vorteilsausgleich fehlen in den Entwicklungsländern nationale Strukturen:

    "In der Konvention sind mittlerweile 191 Vertragsparteien, und das sind hoch entwickelte, gut durchorganisierte Staaten wie Mexiko oder Brasilien, Indien, China. Aber es sind natürlich auch bettelarme Staaten wie Mali und Niger dort vertreten. Es ist also sehr heterogen, was diese Staaten an Kontrollmöglichkeiten haben und einsetzen können."

    Der Zugang zu genetischen Ressourcen und der gerechte Vorteilsausgleich, beides steht bei der UN-Artenschutzkonferenz in Bonn ganz oben auf der Agenda. Ein komplexes und kompliziertes Thema, sagt Horst Korn. Er wird als Mitglied der deutschen Delegation nach Bonn reisen. Am Anfang steht die Frage nach dem rechtmäßigen Eigentümer:

    "Wer ist Eigentümer einer genetischen Ressource? Der Landeigentümer, ist es ein Indiostamm, ist es der Staat, der die Gewinne in seinen Staatshaushalt überführt? Das ist eine der Hauptfragen, die bei der Konvention geklärt werden müssen. Entwicklungsländer drängen auf eine rechtlich verbindliche Regelung, dass es keine freiwillige Maßnahme mehr ist, ob eine Firma etwas zahlt, sondern dass sie einfach rechtlich dazu verpflichtet wird."

    Spätestens bis 2010 sollten weltweit verbindliche Regelungen für einen gerechten Vorteilsausgleich gefunden sein. Dann wird Japan Gastgeber der nächsten Artenschutzkonferenz sein. Horst Korn hofft, dass in Bonn zumindest Grundlagen für ein Vertragswerk entstehen, damit in den nächsten zwei Jahren weiter verhandelt werden kann. Dabei geht es auch um globale Netzwerke von Schutzgebieten und vor allem um die Finanzierung. In Studien rechnen Experten mit zweistelligen Milliardenbeträgen pro Jahr. Horst Korn nennt eine mögliche Verhandlungsposition:

    "Das heißt, für das saubere Wasser zu zahlen, das aus einem Wald kommt, den Waldbesitzer dafür zu bezahlen, dass er den Wald nicht anderweitig nutzt und sauberes Wasser zur Verfügung stellt, dass man Entwicklungsländer dafür kompensiert, die Wälder nicht für Sojaanbau oder den Anbau von Bioenergie zu nutzen und dafür den Wald weiter als Kohlenstoffspeicher erhält. "

    Klimaschutz und Artenvielfalt, die Bestimmungen der Welthandelsorganisation WTO. Würden in Bonn alle notwendigen Aspekte thematisiert, allein das wäre ein Erfolg. Die Fronten sind klar. Beim Zugang zu genetischen Ressourcen besteht ein Nord-Süd-Gefälle:

    "In den Entwicklungsländern gibt es artenreiche Länder, also die großen Regenwaldländer wie Brasilien, Kolumbien, Indien und China gehören dazu und artenarme Länder wie die Länder der Sahel-Zone. Auch dort wird es unterschiedliche Interessen geben, und auch die werden versuchen, sich gegeneinander auszuspielen und ihren Vorteil zu suchen."