Dienstag, 07. Mai 2024

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Vielgestaltiger Wandel

Klimaforschung. – Im Süden Europas wird es heißer und trockener, im Norden wird es mehr regnen, und die Wintersportgebiet der Alpen stehen vor ernsten Schwierigkeiten. So sieht in aller Kürze das klimatische Schicksal des Alten Kontinents aus. Eine breit angelegte internationale Studie hat jetzt detaillierter modelliert, wie Natur und Mensch auf diesen Klimawandel reagieren werden. In der aktuellen "Science" stellen die Forscher ihre Ergebnisse vor. Die Koordinatorin Dagmar Schröter sprach mit dem Deutschlandfunk über das Projekt. Die Fragen stellte Grit Kienzlen.

28.10.2005
    Kienzlen: Frau Schröter, was ist das Besondere an Ihrem Projekt?

    Schröter: Zum einen haben wir von Anfang Experten aus der Wissenschaft, aus der Wirtschaft und aus dem öffentlichen Sektor miteinbezogen, also die potentiellen Nutzer der Studie. Wo man früher oft am Ende des Projektes einen Workshop gemacht hat, die Ergebnisse vorgestellt hat, und dann wenig Gelegenheit war, wenn Feedback oder Kritik war, das noch mit einzubeziehen. Wir haben halt diesmal versucht, von Anfang an mit solchen Nutzern und Experten zusammenzuarbeiten, um deren Sichtweise und deren Interessen miteinzubeziehen. Das zweite ist, daß wir wesentlich mehr Szenarien und Modelle miteinbezogen haben als das üblich ist, und so halt eine Vergleichbarkeit zwischen Regionen und verschiedenen Szenarien und Sektoren erreicht. Also, wir stützen uns nicht nur etwa auf ein oder zwei Szenarien, sondern, weil man ja nicht genau weiß, welches eintreten wird, da haben wir ja eine ganz große Bandbreite, also 16 Klimaszenarien, davon ausgewählt sieben, und darauf noch einmal aufgesetzt Landnutzungsszenarien und des weiteren auch noch sozioökonomische Faktoren einbezogen. Also das ist eine Studie, die nicht nur das Klima betrachtet, die Klimaänderung, sondern Landnutzungsänderungen, sozioökonomische Trends und dann die Auswirkungen auf ökosystemare Prozesse untersucht.

    Kienzlen: Was war der dritte Punkt?

    Schröter: Genau, der dritte Punkt ist, dadurch, daß wir halt diese Experten aus der Wirtschaft und aus dem öffentlichen Sektor miteinbezogen haben und diese sozioökonomischen Szenarien haben, konnten wir mit abschätzen, daß der Mensch nicht einfach nur dasitzt und darauf wartet, daß sich die Umwelt verändert, und das über sich ergehen läßt, sondern darauf auch natürlich reagiert und sich gegebenenfalls anpaßt. Und in der Diskussion, oder auch mit verschiedenen Indikatoren haben wir versucht, diese Anpassungsfähigkeit miteinzubeziehen. Also zum Beispiel zu sagen, wenn sich die Verbreitung und Häufigkeit von bestimmten Tier- und Pflanzenarten ändert, die uns wichtig sind als Gesellschaft, dann kann man ja vielleicht Naturschutzgebiete flexibel gestalten, dort Grenzen verschieben. Und da haben uns zum Beispiel Vertreter aus dem Naturschutzsektor gesagt, daß das sehr, sehr schwierig ist, wegen der Eigentumsverhältnisse und der rechtlichen Lage. Auf diese Weise haben wir erst einmal über Anpassungsmöglichkeiten nachgedacht, und ob die überhaupt plausibel sind und was nicht machbar ist. Er ist ja dann interessant, dieser Wandel, dieser globale Wandel, wenn er unsere Anpassungsfähigkeit übersteigt.

    Kienzlen: Wie wird sich denn nach Einbeziehung aller Faktoren Europa verändern?

    Schröter: Also zum einen ist es interessant zu sehen, daß Europa, was die Landnutzung angeht, Unterschiede hat zu den globalen Trends. Also global, sagt man ja, gibt es Waldrückgang, in Europa wird es eher eine Waldflächenzunahme geben, und eine Abnahme von Flächen, die für Landwirtschaft unbedingt genutzt werden müssen, weil die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten dort eine Rolle spielt und die technologische Entwicklung. So daß man dort ein bißchen Spielraum gewinnt, Land, was erst einmal keine dringende Nutzung hat, dann vielleicht für Nutzungen zur Verfügung steht, die vielleicht nachhaltiger sind, oder, ja, einfach alternative Nutzungen darstellen. Zum Beispiel Extensivierung der Landwirtschaft, das sind jetzt Unterschiede zu globalen Trends, die wir speziell für Europa herausgefunden haben. Dann, was die Klimatrends angeht, dann geht es mehr mit den Problemen los, daß wir mehr im mediterranen Raum wir mit vermehrter Dürre zu rechnen haben, und dadurch vermehrte Waldbrandgefahr, und vor allen Dingen auch dann das geringe Wasseraufkommen, wenn vor allen Dingen der Bedarf steigt, nämlich im Sommer. Wenn dort erstens die Landwirtschaft bewässert werden muß und dann viele Touristen eintreffen, die ja auch noch einmal mehr Wasser pro Kopf verbrauchen als die dort lebende Bevölkerung.

    Kienzlen: Wie läßt sich denn überhaupt etwas klares über die Entwicklung in Europa sagen?

    Schröter: Sie haben vollkommen recht, daß es unheimlich schwierig ist, jetzt mit irgendeiner Sicherheit einen bestimmten Trend festzunageln. Und es ist sozusagen ein Trick zu sagen, wenn die alle übereinstimmen, zum Beispiel darin, daß es im mediterranen Raum trockener wird, und daß dort zum Beispiel im Trend mehr Touristen sind, noch mehr als heute schon, dann gehen wir davon aus, daß es eine sicherere Aussage ist, als wenn das nur ein Szenario zeigt. Natürlich können wir jetzt nicht auf die zweite Nachkomma-Stelle genau das quantifizieren, aber wenn Trends übereinstimmen, dann weiß man genug, um darauf zu reagieren. Und wir bewegen uns mittlerweile in diesem Forschungsgebiet durchaus in der Zone, wo man Trends vorhersagen kann, oder zumindest sagen kann, mögliche Trends sind diese und diese und dann an die Anpassung denken kann.

    Kienzlen: Wie gehen die Vertreter der Wirtschaft und des öffentlichen Sektors mit ihren Ergebnissen um?

    Schröter: Also, wir haben in dieser Studie auch so einen digitalen Atlas entwickelt, wo ein Nutzer jetzt hingehen kann und sagen kann, ich interessiere mich besonders für den Forstsektor oder für den Tourismussektor und kann dann bestimmte Indikatoren auswählen und kann sich Karten von Europa oder auch von einem Interessengebiet, wo er oder sie hineinzoomen möchte, kann sich das dann anschauen und die verschiedenen Szenarien dann vergleichen, also beruhend auf unterschiedlichen sozioökonomischen Storylines oder eben auf unterschiedlichen Klimamodellen. Wir haben vier verschiedene Klimamodelle verwendet, weil man eben einfach nicht sagen kann, welches da das einzig wahre Ergebnis liefert. Und so lassen sich die verschiedenen Ergebnisse vergleichen und das auch auf einer sehr kleinen Auflösung. Das ist auch eine Einzigartigkeit dieser Studie, daß wir da runtergegangen sind auf 16 mal 16 Kilometer Gitterzellen, was für manche Anwendungen immer noch zu grob ist, aber schon sehr viel feiner aufgelöst als vorhergehende Studien.

    Kienzlen: Erwarten Sie, daß diese Menschen auch Entscheidungen für eine positive Entwicklung im globalen Wandel treffen werden.

    Schröter: Ja, also da bin ich eigentlich relativ optimistisch. Allerdings muß ich auch gleich noch dazusagen, daß es sich ganz oft so ergeben hat, und nachher haben wir das ganze ausgewertet und konkret gefragt, ob diese Menschen glauben, daß sie mit unseren Ergebnissen konkret etwas anfangen können, in ihrem alltäglichen Management. Und viele haben gesagt, ja noch nicht. Das ist zwar sehr interessant, aber uns fehlt da noch die Auflösungsschärfe, oder wir brauchen kleinere oder größere Zeitskalen. Also es war nicht immer ein Erfolgserlebnis, aber daß da dieses Interesse bestand, daß die überhaupt kamen und an unseren Workshops mitgearbeitet haben, das ganze ohne ein Honorar dafür zu kriegen, das zeigt, daß dort ein großes Interesse und eine Sorge besteht und eine Handlungsbereitschaft besteht. Natürlich muß man sehen, daß diese Stakeholder in einem Kontext arbeiten von anderen, von gesetzlichen Regelungen, von EU-Regelungen und so weiter, und die müssen ja auch wirtschaftlich handeln, also das ist nicht deren einzige Sorge, der globale Wandel, aber er ist auf deren Agenda. Das hat uns positiv überrascht.

    Kienzlen: Lohnt es sich, den globalen Wandel auf der persönlichen Ebene zu beeinflussen, oder ist schon alles gelaufen?

    Schröter: Im Sinne der Mitigation, der Abschwächung des Klimasignals auf jeden Fall. Das muß auf jeden Fall geschehen, daß jeder einzelne von uns, und daß international etwas geschieht, und da kann jeder etwas dazu beitragen. Also das wäre ganz schlimm, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen, ja, wir sind ja eh schon verloren und das ändert sich alles. Das bringt natürlich gar nichts. Obwohl, und wir wissen ja heute, und deswegen ist diese Studie so auf die Anpassungsstrategien konzentriert, daß auch wenn wir sofort ein tolles Energiesystem, was emissionsarm wäre, wird es noch zu Änderungen kommen. Das ist schon richtig, aber natürlich müssen wir trotzdem weiter handeln und dafür sorgen, daß wir wirklich Emissionen reduzieren.