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Vogelgrippe: Bauernverband fordert Hilfe für Landwirte

Der Deutsche Bauernverband fordert Finanzhilfen für Landwirte, die durch die Keulung von Tierbeständen Einkommensverluste hinnehmen müssen. Wenn Betriebe in Existenznot gerieten, müssten Bund, Länder und Europäische Union einspringen und die Bauern unterstützen, sagte Generalsekretär Helmut Born.

Moderation: Christine Heuer | 20.02.2006
    Christine Heuer: Die Urlauber stornieren ihre Rügen-Reisen. Dafür kommen die Politiker ins Vogelgrippe-Krisengebiet. Am Wochenende folgte Angela Merkel Horst Seehofer. Die Bundeskanzlerin sagte, die Lage sei ernst.
    Recht hat sie, denn inzwischen hat das Virus das mecklenburg-vorpommersche Festland erreicht und den meisten erschiene es wohl wie ein Wunder, wenn H5N1 nicht bald auch in anderen Teilen Deutschlands entdeckt würde. Gleichzeitig wird mit harten Bandagen gegen die Ausbreitung der Vogelgrippe gekämpft. Gesunde Tiere werden, wie es heißt, vorsorglich getötet und die Bundeswehr ist auch im Einsatz.

    Wir sprechen jetzt mit dem Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Guten Morgen Helmut Born!

    Helmut Born: Guten Morgen, Frau Heuer!

    Heuer: Herr Born, ist die vorsorgliche Keulung gesunder Bestände eine sinnvolle Maßnahme, oder wird da - Entschuldigung! - mit Kanonen auf Hühner geschossen?

    Born: Nein, das glaube ich nicht. Wir Landwirte sind natürlich in großer Sorge, dass es unsere Nutztierbestände betrifft, und wenn man vorsorglich um einen Ausbruchsherd herum Bestände, Nutztierbestände tötet, dann gibt es dafür einen Grund. Das haben Sie ja eben in der Anmoderation auch erläutert.

    Heuer: Wenn die Vogelgrippe nun in weiteren Bundesländern auftaucht, müssen auch da wirklich vorsorglich die Bestände getötet werden? Das ist eine Maßnahme, die für die ganze Bundesrepublik Sinn macht?

    Born: Diese Maßnahme gilt generell, wobei immer die Veterinäre vor Ort entscheiden. Wenn ein Ausbruch in einem Wildgeflügelbestand erfolgt, dann wird diese Schutzzone von drei Kilometern darum herumgelegt und dann muss man sehr schnell entscheiden, was zu tun ist. Wir sehen ja:
    das Virus ist sehr aggressiv. Also muss man schnell handeln. Da hat es in Rügen vielleicht ein bisschen lange gedauert, aber jetzt wird dort konsequent gehandelt.

    Heuer: Nun hat es auf Rügen, in Mecklenburg-Vorpommern bisher ja nur sehr kleine Geflügelzuchtbetriebe getroffen, diese vorsorgliche Keulung gesunder Tierbestände. Herr Born, bleiben Sie eigentlich auch so gelassen, wenn es mal irgendwann an die ganz großen Betriebe geht, zum Beispiel in Niedersachsen?

    Born: Wir haben ja gestern Abend gesehen: Der Betrieb, der betroffen war, der hatte über 2000 Tiere. Es gibt auch auf Rügen noch zwei größere Betriebe. Also sind wir da schon in großer Sorge. Ich will da nicht missverstanden werden. Wir sind da keineswegs gelassen. Wir Landwirte wissen aber: Ein Virus, was in Wildgeflügelbeständen ist, breitet sich aus. Der Vogelzug ist von Herrn Backhaus eben angesprochen worden. Deshalb wäre es wirklich eine Überraschung, wenn das ganze Geschehen auf Rügen beschränkt bliebe.

    In den Hauptproduktionsgebieten müssen wir uns wappnen und das Wichtigste ist einfach, unsere Nutztiere unter Dach und Fach zu bringen.
    Dann haben wir eine ganz wesentliche Infektionsquelle beseitigt.

    Heuer: Aber unter Dach und Fach bringen heißt ja nicht gleich unter die Erde befördern, Herr Born, und Sie sagen ja ganz richtig: wenn Wildgeflügel befallen ist, dann kann man sich eigentlich gar nicht wappnen.

    Born: Ja. Man muss sicherstellen, dass in unsere größeren Bestände ich sage mal keinerlei Personenverkehr kommt, keine Möglichkeiten der Infektionsausbreitung geschehen. Man muss sich dann auf dem Festland sehr genau anschauen, wo ist der Ausbruch gewesen, welche Betriebe sind in der Nähe und - Entschuldigung, wenn ich das so deutlich sage - wie verhindern auch, dass Journalisten sich einmal neben einen toten Schwan oder ein Wassergeflügeltier stellen und dann gleich zum nächsten Bauern rennen und sagen, was hältst du davon. Auch das kann ja das Virus ausbreiten und das muss unterbrochen werden.

    Heuer: Keine Entschuldigung nötig! - Herr Born, verstehe ich das richtig? Wenn die Hühner eingesperrt werden in Betrieben und wenn es keinen Personenverkehr dort gibt, dann sind Sie aber doch der Meinung, dann dürfe nicht gekeult werden?

    Born: Das ist richtig. Wir hatten jetzt auf Rügen tatsächlich den Fall, dass dieser eine Betrieb sehr nah an dem ersten Ausbruchsgeschehen lag. Dort hat es sehr viel Personenaustausch gegeben. Deshalb hat dort auch der Landwirt selber gesagt, das ist mir zu risikoreich, das halte ich nicht durch. Hier ist dann beidseitig gesagt worden, wir töten diesen Bestand.

    Weiter im Binnenland gehe ich davon aus, dass wir solche Fälle so häufig nicht haben und dass es dann auch gelingt, die Nutztierbestände wirklich in den Tierställen drin dann auch zu schützen.

    Heuer: Kriegt, Herr Born, der Landwirt, den Sie da gerade zitiert haben, eigentlich Geld als Ausgleich für den Schaden, der ihm dort entstanden ist?

    Born: Wir Landwirte haben einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, eine öffentlich-rechtliche Tierseuchenkasse. Dort zahlt jeder Landwirt, der Tiere hält, ein und wenn er einen Ausbruch hat, bekommt er eine Entschädigung für den Bestand, der getötet wird. Hier ist es insofern wieder eine Sonderheit. Der Betrieb hatte ja keinen Seuchenausbruch, sondern hier ist vorsorglich ein gesunder Bestand getötet worden. Hier kommt es jetzt darauf an, dass sich Bund und Länder, auch die Europäische Union, auf ein Verfahren einigen, den Landwirt da nicht alleine im Regen stehen zu lassen.

    Heuer: Steht er denn bisher alleine da?

    Born: Nein. Man hat jetzt auf Rügen eine Vereinbarung getroffen. 50 Prozent zahlt die Tierseuchenkasse, auch in dem Fall, wenn kein Ausbruch war. 50 Prozent zahlt dann der Staat, also Bund, Länder und Gemeinden.

    Heuer: Das heißt den Landwirten kann es dann ja eigentlich fast egal sein, ob die Hühner gekeult werden, zumal ja zu befürchten steht, dass der Konsum der Verbraucher ohnehin zurückgeht und Einkommenseinbußen ins Haus stehen?

    Born: Das ist leider nicht so. Der Landwirt bekommt seinen Tierbestand ersetzt, aber mit diesem Bestand erzeugt er ja sein Einkommen. Er verliert über längere Zeit Produktionsmöglichkeiten und die bekommt er so nicht ersetzt, sondern er bekommt einfach eine Möglichkeit, den Tierbestand, den er hatte, wieder zu ersetzen, aber über Wochen wird er ja gar kein Geflügelfleisch und keine Eier liefern können. Da bleibt sehr viel bei ihm hängen. Insofern noch mal kann ich das nicht gelassen sehen, sondern wir wollen mithelfen, dass es ganz wenige Betriebe nur betrifft.

    Heuer: Heute treffen sich in Brüssel ja die Landwirtschaftsminister, um darüber zu beraten, wie die Seuche in Europa eingedämmt werden kann. Wenn wir über Geld sprechen, haben Sie sicher auch eine Forderung an die Europäische Union, Herr Born, oder etwa nicht?

    Born: Zunächst mal fordern wir von den Agrarministern, dass man sich mit der gleichen Intensität, wie das jetzt in den Hauptbefallsländern gewesen ist, in Griechenland, Italien, dann Slowenien, auch in den anderen mittel- und osteuropäischen Ländern gegenüber der Geflügelgrippe verhält, das heißt weitere Ausbrüche verhindert. Das zweite betrifft den Punkt, den Sie eben angesprochen haben. Die EU hat einen Feuerwehrfonds für solche Seuchenausbrüche und wir legen großen Wert darauf, dass jetzt den Betrieben geholfen wird, die Ertragsschäden - so nennen wir das -, Einkommensverluste haben, dass denen über den Bestandsverlust hinaus geholfen wird. Da muss dann heute eine Entscheidung gefällt werden.

    Heuer: Eine Entscheidung gefällt, mit der die Marktordnung verändert werden muss? Das heißt die EU-Gesetzgebung soll jetzt verändert werden?

    Born: Die Marktordnung, da sprechen Sie einen zweiten Punkt an. Vor allem in Griechenland und Italien hat es erhebliche Verbrauchseinbrüche gegeben. Die Bauern können ihre Produkte gar nicht mehr absetzen.

    Heuer: Und dafür bezahlt die EU normalerweise keinen Ausgleich?

    Born: Nein, da gibt es keinen Ausgleich, aber die Europäische Union könnte helfen, für diese Produktionsmengen ein Einlagern zu finanzieren und dann vielleicht eine Verkaufsmöglichkeit zu einem späteren Zeitpunkt oder auch über die Grenzen hinweg.

    Heuer: Helmut Born, der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Ich danke Ihnen!

    Born: Bitte schön Frau Heuer!