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Vogelknochen als Grabbeigaben
Die Briten und das Federvieh

Dass Briten mitunter seltsame Vorlieben haben, ist kein Geheimnis, etwa ihre Liebe zu bestimmten Tieren. Wie weit diese Tierliebe geht, untersuchen Archäologen aus England, indem sie Vogelknochen als Grabbeigaben analysieren. Die Menge und Verteilung der Knochen verrät nämlich auch, wie es um die Verbreitung von Adlern und Hühnern im Laufe der Jahrhunderte bestellt war.

Von Michael Stang | 15.09.2014
    "Es gibt ein berühmtes Zitat von Julius Cäsar, in dem heißt es: Briten halten Hühner, aber nicht um sie zu essen, sondern rein zum Vergnügen."
    Vögel haben für Menschen seit jeher eine besondere Bedeutung, sagt Julia Best, denn die Fähigkeit zum Fliegen war lange Zeit ein Wunschtraum. Daher sei es nichts Ungewöhnliches, dass man in den Hinterlassenschaften früher Siedlungen viele Reste dieser Tiere entdeckt, so die Archäozoologin von der Bournemouth Universität im britischen Dorset:
    "Überreste von Vögel verraten uns viel über ihr einstiges Vorkommen und ihre Nutzung. Bei Wildtieren, wie und wann sie gefangen wurden oder wie es um ihre Verbreitung bestand. Bei exotischen Tieren wie etwa Hühnern bekommen wir Hinweise, wann und woher sie importiert wurden. Und bei heimischen Tieren wie Gänsen sehen wir, wann und wie sie erstmals gehalten wurden."
    Julia Best hat für ihre Doktorarbeit nach Vogelknochen auf den schottischen Inseln gesucht, die auf diese enge Beziehung von Vögeln und Menschen hindeuten und sie wurde dutzendfach fündig. Die ältesten Belege stammen aus der Jungsteinzeit und Bronzezeit. Dort gab es riesige Grabanlagen, wo Tote mit Adlern bestattet wurden, teilweise mit bis zu 20 Vögeln. Diese Tiere, die schwer zu fangen waren, dienten jedoch nicht als Nahrungsbeigabe, sondern hatten die Funktion eines Statussymbols beziehungsweise eines Helfers inne.
    "Die Belege von den schottischen Inseln zeigen, dass Seeadler schon in der Jungsteinzeit und Bronzezeit vor allem als Grabbeigaben genutzt wurden. Möglicherweise kam ihnen eine besondere Bedeutung zu, etwa dass sie den Toten beim Übertritt vom Leben in den Tod helfen sollten."
    Adler starben lokal aus
    Vor allem hochrangige Personen wurden mit den seit jeher recht seltenen Adlern bestattet, die ihnen beim Übertritt in die nächste Welt helfen sollten. Die Tiere waren also nicht nur ein Statussymbol, sondern hatten auch eine religiöse Funktion. Die Jagd auf sie blieb nicht ohne Folgen. Der Rückgang der Vögel lässt sich direkt in den Grabbeigaben nachweisen, so Julia Best. Als sich dann auch noch die Lebensweise der frühen Briten änderte, verloren die Adler endgültig ihren Status als begehrenswertes Tier.
    "Wir haben Beweise, dass die Seeadler im Mittelalter lokal ausstarben, ebenso die Steinadler, die sich zeitlich und geografisch teils überlappten. Der Bestand der Seeadler ging stark zurück als Bauern anfingen, Nutzvieh zu halten. Adler sind Raubtiere und wurden deshalb ausgerottet, weil sie Schafe und andere Tiere angegriffen haben."
    Als die Adler in Britannien ausgestorben waren, nahmen Exoten aus Südamerika ihren Platz ein: Hühner. Diese Vögel waren damals ein regelrechter Importschlager: selten, teuer und noch kein reines Nahrungsmittel.
    "Wir vergessen einfach, wie ästhetisch Hühner sein können, wenn sie nicht gerade in Legebatterien leben, vor allem die Wildform, allem voran die Hähne. Diese Tiere gehören zur selben Familie wie Pfaue und die Hähne haben ein buntes Gefieder und lange Schwanzfedern; das sind sehr schöne Tiere."
    Während die Hühner in England schon vor mehr 2000 Jahren auftauchten, kann ihre Verbreitung in Schottland erst über tausend Jahre später nachgewiesen werden. Demnach spielten Wildtiere für die Schotten noch lange eine wichtige Rolle. Engländer konzentrierten ihre Tierliebe früh auf domestizierte Vögel, die ungewöhnliche Rufe hatten und mehr und mehr auch zum Eierlieferant wurden. Zudem blieben sie ein Statussymbol, das zeigte, wie gut situiert und vernetzt der Besitzer in der Welt war, um sich das leisten zu können.