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Voll unter Kontrolle

Kambodscha gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Hinzu kommt: Das Königreich hat sich zwar in seiner Verfassung den Prinzipien der liberalen Demokratie verpflichtet. Praktisch jedoch gibt es keine Medienfreiheit. Fast alle Medien – Radio, Fernsehen und Presse – sind mit der Regierungspartei verbunden.

Von Vera Linß |
    Typische Klänge, wie sie in Kambodscha aus dem Äther kommen. Über einen Mangel an Radio- und Fernsehsendern kann sich das Land nicht beklagen. Die Inhalte jedoch sind weitgehend uniform. Aus den zehn Fernseh- und Dutzenden Radiostationen dudelt tagein tagaus Musik – unterbrochen von Talkshows, Regierungspropaganda oder den Reden des Premierministers Hun Sen. Wer wirklich informiert sein will, der greift auf ausländische Sender zurück, wie die BBC oder Voice of Asia, sagt Tilman Baumgärtel, der an der Königlichen Universität in Phnom Penh Journalisten ausbildet.

    "Das ist auch für viele Kambodschaner, die es ein bisschen genauer wissen wollen, die eigentliche Informationsquelle. Das merke ich selbst bei unseren Studenten, dass die jeden Morgen Voice of Asia hören eine halbe Stunde und das sind die Nachrichten, die sie ernst nehmen."

    Allerdings – räumt Baumgärtel ein – betrifft das nur eine kleine Mittelschicht.

    "Die Mehrheit der Kambodschaner sind auf nicht-seriös arbeitende Medien angewiesen und glauben denen auch oft. Deswegen hat die CPP auch über 60 Prozent Mehrheit. Da merkt man so, dass sich langsam diese Presselandschaft so etabliert hat, dass die Meinungsmache auch ankommt."

    Seit 2008 regiert die Kambodschanische Volkspartei CPP mit absoluter Mehrheit. Ihr Chef Hun Sen ist seit 25 Jahren Premierminister des Landes. Nicht nur fast alle Funkmedien sind mit ihm und seiner Partei verbandelt. Auch die drei größten Tageszeitungen gehören quasi der Regierung. "Campuchee Thmey" etwa hat die Tochter von Hun Sen gekauft. Die Machtverhältnisse dominieren das gesellschaftliche Klima. Auch wenn formal Medienfreiheit existiert: Oppositionelle Blätter oder kritische Texte gibt es praktisch nicht, erklärt Chivion Peou (Tschiwon Pö), Dozent an der Königlichen Universität in Phnom Penh.

    "Die Journalisten hier üben Selbstzensur. Das ist ein großes Problem, auch wenn es nur schwer messbar ist. Selbstzensur ist sehr breit gefächert. Es kann zum Beispiel passieren, dass man beim Chefredakteur einen Artikel einreicht und der lehnt diesen Artikel ab. Das nächste Mal versucht der Journalist gar nicht erst, die Geschichte zu schreiben. Allerdings gibt es kein empirisches Material darüber. Niemand weiß, in welchem Maße Selbstzensur stattfindet. Aber es gibt sie."

    Zukünftig könnte sich die Situation noch verschärfen, denn die CPP hat nun auch das Internet ins Visier genommen. Etwa 70.000 Menschen gehen in Kambodscha – noch – unbehelligt ins Netz; die meisten im Internetcafé oder übers Handy. Viele kleine Provider bieten ihre Dienste an, die bislang hauptsächlich zur Unterhaltung genutzt werden. Bald soll der gesamte Informationsfluss über einen zentralen Server von der kambodschanischen Telekom geleitet werden. Das würde Zensur erheblich erleichtern. Tilman Baumgärtel:

    "Vor drei Jahren hat Hun Sen gesagt, das Internet wird bei uns nie zensiert werden. Da haben viele gesagt, weil er's für unwichtig hält. Dass es jetzt plötzlich so ein Gesetz geben soll, zeigt, dass man da vielleicht seine Meinung geändert hat und dass man zumindest langfristig die Perspektive sieht, dass es vielleicht doch ne Rolle spielen könnte. Vielleicht haben die auch gesehen, wie im Iran plötzlich Internet ´ne Rolle gespielt hat."

    Ob und wann es das Gesetz geben soll, weiß jedoch noch niemand.

    "Dieses Gesetz, das muss man auch sagen, ist bisher noch von niemandem offiziell bestätigt worden. In Kambodscha wird Politik nach Gutsherrenart gemacht."

    Weshalb wenig Aussicht auf Besserung der Mediensituation besteht.