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Von Hymnen zu Improvisationen

Schlicht "MGMT" heißt das dritte Album des gleichnamigen New Yorkers Duos. Und damit entfernen sich Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser von den coolen, kleinen Elektro-Pophits, um stattdessen ihre Vorliebe für echte Klangkunst auszuleben. Zum Entsetzen ihrer Plattenfirma.

Von Marcel Anders |
    "Das Label fände es bestimmt toll, wenn wir noch ein "Kids" oder "Time To Pretend" schreiben würden. Und Ben und ich hätten auch nichts dagegen. Die Sache ist nur, dass wir momentan ganz woanders sind. Und die Plattenfirma uns auch gewähren lässt. Schließlich hat sie Beyoncé, Adele und andere große Künstler, mit denen sie genug Geld verdient – während wir eher für die wilde, kreative Seite verantwortlich sind, die für ein cooles Image sorgt. Wir sind so etwas wie das nette, kleine Art-Projekt. Womit ich kein Problem habe."

    Kein Wunder: MGMT genießen hohes Ansehen bei Musikerkollegen, Rockkritikern wie Feuilletonisten. Eben für ihren Mut zum Experimentieren, zum Einreißen von Genre-Grenzen und ihre bewusste kommerzielle Verweigerung. Denn auch "MGMT" bietet wieder Wahnsinn mit Methode: Egal ob Flower Power, Space Rock oder psychedelisches Chaos – die zehn Songs stellen den Hörer auf eine echte Probe. Selbst wenn Andrew VanWyngarden das gerne herunterspielt.

    "Vielleicht ist es wirklich etwas verrückter und auch psychedelischer. Aber schwieriger? Da bin ich mir nicht so sicher. Ich würde sogar sagen, es ist offener. Im Sinne von: Es zwingt die Leute, sich damit auseinanderzusetzen. Einfach, weil es sie fordert. Und selbst wenn sie es hören und denken: ‚Das klingt ziemlich extrem‘, ist das OK. Denn das ist unser Ziel: Wir verankern es in ihren Köpfen und lassen sie mitsingen."

    Ein subversives Unterfangen mit höchstem Anspruch: Der Rettung der Menschheit – vor sich selbst. Denn so abgedreht und wirr Andrew und Ben auch wirken: Die Texte der New Yorker erweisen sich als ungenierte Gesellschaftskritik. Da geht es um politische Lethargie, wachsende soziale Missstände und staatliche Kontrolle. Wobei die beiden jede Menge Fragen aufwerfen: Sind wir schon so abgestumpft? Wann wachen wir endlich auf? Und: Warum lassen wir uns ständig belügen und einlullen?
    "Ein Stück wie ‚Your Life Is A Lie‘ hat etwas von einer Sozialstudie. Eben wie sich Leute verhalten, wie sie ihr Leben anlegen und wie perplex sie sind, wenn das jemand nicht so tut – also wie wir. Wobei das Stück nicht negativ gemeint ist, sondern es soll dem Hörer Anstöße geben, wie er diesen Alien in seinem Kopf oder dieses schreckliche Dasein, das er führt, überwinden kann. Deshalb wollten wir da auch unbedingt eine Kuhglocke einsetzen – quasi um den Leuten damit kontinuierlich eins überzuziehen."

    Musik als Mittler, Wachrüttler und trojanisches Pferd. Wobei man die clevere Systemkritik bei all den wirren Tönen und Gedanken schon mal überhören kann. Und Andrew und Ben schwören, dass ihre Songs – auch wenn sich der Verdacht aufdrängt - ganz ohne bewusstseinserweiternde Narkotika entstanden seien. Allenfalls unter dem Einfluss von Eiscreme. Großes Musikerehrenwort.

    "Direkt neben dem Studio befand sich eine King Cone-Eisdiele mit einem riesigen Fiberglas-Gorilla auf dem Dach. Und obwohl ich mich für traditionelle Sorten wie Schokolade oder Vanille entschieden habe, war es wohl einfach zu viel. Das Eis hat irgendetwas mit meinem Gehirn angestellt. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich auf einem anderen Planeten oder so etwas in der Art."