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Von Steuergeldern und Notgroschen

"Ich sag mal ich bin schon bestürzt, dass es so gekommen ist, es hieß eigentlich, die Deutsche Bank sei ein solides Institut und sie hat ja auch immer Gewinne gemacht und dass es nun soviel sein soll das bestürzt mich schon, nachdem ich das jetzt erfahren habe."

Von Eva Bahner, Michael Braun und Brigitte Scholtes | 15.01.2009
    Mit dem Milliardenverlust der Deutschen Bank meldet sich die Finanzkrise mit voller Wucht zurück. Dass nun auch der Branchenprimus Schwäche zeigt, schockiert nicht nur Deutsche-Bank-Kunden, sondern auch Analysten, Wissenschaftler und Politiker, offenbart dies doch die zerstörerische Kraft der Krise, die tiefe Spuren in den Bilanzen der Banken hinterlässt, rund um den Globus. Spuren, entstanden durch Finanzmüll, wie der oberste Bankenaufseher BaFin-Chef Jochen Sanio die faulen Wertpapiere umschreibt, Finanzmüll, dessen Entsorgung sich in den vergangenen Monaten als äußerst schwierig erwiesen hat.

    "Und da sich zugleich auch noch neue Arten von Müll angehäuft haben, ähnelt das internationale Finanzsystem hier und da leider den Straßen von Neapel zu Zeiten des Müllnotstandes."

    Auch die deutschen Banken drohen unter den Müllmassen zu ersticken. Nicht nur die Landesbanken, auch die Privaten: die Commerzbank, die Postbank, die Dresdner und vor allem auch der Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate. Alle seien durch die Finanzmarktkrise schwer getroffen, meint Thomas Hartmann Wendels, Professor für Bankbetriebslehre an der Universität Köln:

    "Die deutschen Banken sind durch die Finanzmarktkrise schwer getroffen. Die Deutschen Banken haben doch in ganz erheblichen Maße in risikobehaftete Wertpapiere investiert und die Folgen bekommen sie jetzt zu spüren und man sieht, dass es ohne den Staat nicht mehr geht."

    Die ersten Kunden ziehen ihre Konsequenzen.

    "Deshalb hab ich heute Geld abgeholt, das ist mir zu gefährlich. Warum kaufen die irgend etwas hier noch, die Dresdner Bank und selbst sind sie irgendwie verschuldet. Nee, muss nicht sein."

    Nicht nur in der Commerzbank-Filiale in Köln stößt die Nachricht, dass der Bund bei der zweitgrößten Bank einsteigt, auf Unverständnis und Unbehagen, lässt die Schlagzeile "Teilverstaatlichung der Commerzbank" doch auch Erinnerungen wach werden, an die bislang größte Bankenkrise in Deutschland im Jahr 1931 unmittelbar nach der Weltwirtschaftskrise:

    "Bei der Bedeutung, die die Großbanken in der gegenwärtigen Struktur unseres Bankwesens für die deutsche Gesamtwirtschaft haben, waren schnelle Entscheidungen der Reichsregierung notwendig. Sie kennen die Maßnahmen die vor wenigen Wochen hinsichtlich der Darmstädter und der Nationalbank und in den letzten Tagen hinsichtlich der Dresdner Bank ergriffen worden sind."

    Damals sah sich die Reichsregierung unter Kanzler Heinrich Brüning gezwungen, Bankschalter für zwei Tage zu schließen, per Notverordnung, so groß war der Ansturm besorgter Bankkunden: "Bankfeiertage", die das Vertrauen in das Finanzsystem noch weiter erschüttern sollten. Und auch damals sahen sich Staat und Reichsbank gezwungen, den Geschäftsbanken mit Kapitalspritzen zu helfen, unter anderem auch der Commerzbank und der Dresdner Bank, wie Professor Reinhardt Schmidt von der Universität Frankfurt bestätigt:

    "Das hat man in Deutschland in der Vergangenheit gehabt, aber das hat man natürlich auch in einer Reihe anderer Länder gehabt, in Frankreich gab es immer wieder Teilverstaatlichungen, richtige Verstaatlichungen, Privatisierungen, und das hat, abgesehen von Unruhe die es geschaffen hat, auch den Banken nicht geschadet."

    Ist die Aufregung um den jüngsten Einstieg des Bundes bei der Commerzbank also völlig unbegründet? Ja, denn der Begriff der Teilverstaatlichung sei in diesem Zusammenhang ohnehin nicht ganz zutreffend, meint Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management:

    "Eine Verstaatlichung, die ist im Grundgesetz in Artikel 14 definiert, das ist eine wirkliche Übernahme der Kontrolle durch den Staat aus Gründen des Gemeinwohls. Hier sehen wir eine staatliche Beteiligung. Diese Beteiligung war rechtlich angelegt im Finanzmarktstabilisierungsgesetz im Grunde wurde hier nur etwas konsequent vollzogen, was der Gesetzgeber eben mit diesem Angebot im Oktober vorgelegt hat und von daher war es eine kluge Entscheidung aber bestimmt keine Teilverstaatlichung."

    Die Commerzbank war die erste, die sich dem staatlichen Rettungsschirm geöffnet hatte. Anfang November vorigen Jahres nahm sie gut acht Milliarden Euro stille Einlagen, dazu Ausfallgarantien für infizierte Wertpapiere über 15 Milliarden Euro. Im Zuge der Übernahme der Dresdner Bank legte sie nochmals nach: weitere Garantien, weitere stille Einlagen und sogar eine direkte Staatsbeteiligung von 25 Prozent plus einer Aktie. Commerzbank-Vorstand Martin Blessing sagte zwar, wer ihm eine Staatsbeteiligung an der Commerzbank prophezeit hätte, dem hätte er nicht geglaubt. Aber er fand sich schnell mit der neuen Lage zurecht:

    "Unsere Kunden müssen sich keine Sogen machen. Für die Firmenkunden stehen wir als verlässlicher Partner mit Kredit in Zukunft zur Verfügung und für die Einleger ist ja durch die Beteiligung des Bundes die Commerzbank eine noch sicherere Bank geworden."

    Es gab Zustimmung dazu - auch aus der Wissenschaft. Professor Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management:

    "Also, der Staat erhält 25 Prozent plus eine Aktie. Das heißt: Der Staat hat eine Sperrminorität. Er kann Einfluss nehmen. Die Politiker haben sich schon dazu schon geäußert, dass sie das zurückhaltend tun wollen. Hinzu kommt, dass die eigentliche Einflussnahme ja bereits stattgefunden hat, nämlich dadurch, dass das Finanzmarktstabilisierungsgesetz ganz klare Bedingungen definiert, unter denen der Staat sich beteiligen kann. Das sind Stichworte wie Managergehälter, wie Dividenden dürfen nicht ausgezahlt werden. Das macht deutlich: Diese Beteiligung ist für die Commerzbank billiger als wenn sie sich Geld auf dem Geldmarkt besorgt hätte. Deswegen war das klug."

    Rund 18 Milliarden Euro allein an Eigenkapital pumpte der Staat in eine Bank, die Anfang Januar nur vier Milliarden Euro wert war. Das Missverhältnis könnte genutzt werden zu staatlicher Einflussnahme auf die Bank. Der Frankfurter Lehrstuhlinhaber für internationales Bankwesen, Professor Reinhard Schmidt, hält das aber für kalkulierbar:

    "Einen gewissen Einfluss gibt es, dieser Einfluss ist beabsichtigt. Es soll natürlich die übergroße Zurückhaltung bei der Kreditvergabe vermieden werden. Und das ist ein gesamtwirtschaftlich sinnvolles Vorhaben. Natürlich besteht die Gefahr ganz im Prinzip, dass damit allzu viel leichtfertige Kreditvergabe angeregt werden kann. Aber diese Sorge habe ich im Moment nicht."

    Der Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate würde staatlichen Einfluss wohl nicht mit Sorge, sondern mit Erleichterung sehen. Seit Tagen wird spekuliert, auch er werde - nach der Commerzbank - wohl teilverstaatlicht, womöglich gar ganz vom Staat übernommen. Analysten würde das nicht wundern. Dieter Hein vom bankunabhängigen Analysehaus fairresearch:

    "Die Pleite der Hypo Real Estate scheint so gigantisch und auch die Garantien, die die Bundesrepublik bisher vereinbart hat, übertreffen ja deutlich das, was die Commerzbank bekommt, obwohl die Commerzbank dann die größte Bank im Deutschland-Geschäft sein wird, während die Hypo Real Estate ja eigentlich nur ein Nischenplayer ist. Also von daher, wenn die Commerzbank Eigenkapital vom Staat benötigt, dann braucht die Hypo Real Estate das zweimal. Die Hypo Real Estate ist das Institut, wo es wohl am meisten brennt. Und von daher erscheint es auch folgerichtig, dass sie gleich nach der Commerzbank ihre Ansprüche anmeldet."

    Ruhig scheint die Lage dagegen bei den genossenschaftlichen Banken. Sie halten sich mit Fragen nach Staatshilfen zurück. Die Landesbanken dagegen rechnen zunehmend damit. Die Deutsche Bank hat zwar nach der Übernahme der Postbank nun mit der Post ein halbstaatliches Unternehmen im Aktionärskreis. Das habe aber mit Teilverstaatlichung nichts zu tun, sagen alle Beteiligten. Die Deutsche Bank steht - noch - zu ihrer Position, den Rettungsschirm nicht nutzen zu wollen. Ihr Vorstandsvorsitzender Josef Ackermann sagte gestern trotz der Milliarden-Verluste im vierten Quartal:

    "Wir haben nie mit der Regierung über Staatshilfe für die Deutsche Bank geredet und wollen das auch in Zukunft nicht tun. Es ist gut für Deutschland, dass wir - wie die anderen Länder - einen Rettungsschirm haben. Aber die Deutsche Bank braucht ihn nicht."

    Andere Banken haben inzwischen weniger Hemmungen, Staatshilfe in Anspruch zu nehmen. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten liegen dem Soffin - dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung - offiziell 15 Anträge vor, doch die Zahl der Banken, die Interesse haben, dürfte weitaus höher liegen, meint Professor Hartmann-Wendels von der Universität Köln:

    "Ich bin davon überzeugt, dass diese Anfragen noch zunehmen werden, es war zunächst eine gewisse Scheu da, als erster darauf zuzugreifen, es war auch eine große Unsicherheit, welche Konditionen werden da eigentlich verlangt, musste ja auch mit Brüssel noch abgestimmt werden, langsam klären sich die Dinge, man wird hier gewisse Standards entwickeln für die Konditionen zu denen Garantien übernommen werden oder Eigenkapitalbeteiligungen stattfinden, in dem Maß, wie das geschieht, werden auch, glaub ich, die Anfragen zunehmen."

    Grundsätzlich gibt es drei Maßnahmen, mit denen der Fonds angeschlagenen Banken unter die Arme greifen kann: zunächst kann er Garantien für Verbindlichkeiten und Schuldtitel abgeben - eine Maßnahme, die dazu beitragen soll, dass sich die Banken wieder untereinander vertrauen und Geld leihen. Hier ist das Interesse groß. Bereits Garantien in Höhe von 95 Milliarden Euro der dafür bereitgestellten 400 Milliarden Euro hat der Soffin vergeben, an die BayernLB, die HSH Nordbank, die Hypo Real Estate, die IKB und die Commerzbank. Die zweite Hilfsmaßnahme wiegt da schon schwerer: die direkte Beteiligung an einem Institut bis zu einer Obergrenze von 10 Milliarden Euro, die allerdings mit strengen Auflagen verbunden ist:

    "Viele Banken haben natürlich in den letzten Monaten Kapital verloren. Ihr Eigenkapital ist nicht immer so stark wie es sein sollte. Und da besteht nun die Möglichkeit, dass sich dieser Fonds an dem Eigenkapital der Banken beteiligt. Es ist allerdings daran gedacht, dass dies nicht für alle Zeiten so sein soll. Wir wollen nicht auf die Dauer eine Verstaatlichung der Banken oder eine Teilverstaatlichung der Banken in Deutschland."

    Bereits im Oktober, als Gerhard Stratthaus erst wenige Tage der neuen Behörde zusammen mit Günther Merl im Leitungsausschuss vorstand, versuchte er Bedenken aus der Bankenbranche zu zerstreuen. Und schon damals war dem ehemaligen Finanzminister in Baden Württemberg klar, dass bei derart schwerwiegenden Entscheidungen, der sogenannte Lenkungsausschuss, der das Bindeglied zwischen Behörde und Politik bildet, das letzte Wort haben sollte, wenn nicht sogar die Bundesregierung.

    "Also letztlich wird der Bundesfinanzminister oder sogar die Bundeskanzlerin entscheiden, wenn es eine ganz große Sache ist. Sie müssen bedenken: Das ist letzten Endes Geld der Bundesrepublik Deutschland und da muss die Politik entscheiden."

    So auch bei der Commerzbank, für die der Lenkungsausschuss nun 18 Milliarden Euro frisches Kapital bereit gestellt hat - also fast das Doppelte der ursprünglich festgelegten Obergrenze.
    Das dritte Soffin-Instrument wird noch immer nicht in Anspruch genommen: die Möglichkeit unverkäufliche Wertpapiere im Umfang von maximal fünf Milliarden Euro vorübergehend an den Soffin zu verkaufen. Für drei Jahre könnten die Banken so die Last ihrer toxischen Wertpapieren loswerden. Zu kurz für eine Erholung, mahnt Soffin-Co-Chef Stratthaus, und fordert Korrekturen am Rettungsschirm. Für Bank-Professor Thomas Hartman-Wendels durchaus nachvollziehbar:

    "Diese Frist ist vielleicht ein bisschen kurz weil die Risiken dann letztlich doch bei den Banken bleiben, da kann man vielleicht über eine Ausdehnung diskutieren, aber jetzt ein endgültiger Verkauf an den Staat, ist natürlich die Frage, wer trägt dann die Ausfall-Risiken und die Frage zu welchen Preisen werden die Wertpapiere denn verkauft, und da ist die Gefahr dann doch groß, dass sich letztlich die Banken auf Kosten des Steuerzahlers sanieren, und das wäre weder systemgerecht für eine Marktwirtschaft, noch wäre es die richtige Lehre für die Zukunft."

    Eine solche "Bad Bank" - also eine schlechte Bank - wird immer wieder von der Kreditwirtschaft gefordert. Meist mit dem Verweis auf Schweden. Dort fuhr die Regierung in den 90er Jahren gut mit einer staatlichen Abwicklungsgesellschaft für faule Kredite. In Berlin stößt dieser Vorschlag nach wie vor auf Ablehnung. Nicht nur Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sieht hier ein Fass ohne Boden. Schon im Dezember, wenige Tage, nachdem Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann die "Bad Bank" erstmals ins Gespräch brachte, spielte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg den Ball zurück:

    "Insofern wollen wir auch mal abwarten, wenn über Bad Bank gesprochen wird, inwieweit aus dem Bankensektor selbst Vorstellungen kommen, dass sozusagen als eine Lösung zu entwickeln aus dem Finanzsektor selbst."

    Und auch Jochen Sanio, der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, hält wenig von einer staatlich finanzierten Giftmüllhalde für toxische Wertpapiere - trotz internationalem Müllnotstand, den er bei seiner Rede gestern ausgerufen hat:

    "Spätestens bei dieser Vorstellung siegt in mir der Steuerzahler über den Aufseher, denn damit würde der Staat eindeutig über das Ziel hinausschießen und sich finanziell stärker verpflichten als derzeit erforderlich."

    Noch lasten also die alten Risiken auf den Bilanzen der meisten Banken. Nur die Deutsche Bank hat in den letzten Monaten damit begonnen, den größten Teil der vergifteten Wertpapiere in ihrer Bilanz zu verkaufen - ein Grund für ihren immensen Verlust von fast fünf Milliarden Euro im vierten Quartal des vergangenen Jahr. Doch bei den meisten Instituten ist der Giftmüll eben noch vorhanden - ein Grund, warum sich das Vertrauen der Banken untereinander nicht wirklich einstellen will. Zwar sind die Sätze, zu denen sich die Banken untereinander Geld leihen, in den letzten Monaten stark gefallen. Abzulesen ist das etwa am Dreimonats-Euribor, einem dafür maßgeblichen Zinssatz. Er liegt derzeit bei 2,57 Prozent, im Oktober musste man noch 5,39 Prozent zahlen. Darin spiegeln sich auch die Zinssenkungen der Notenbanken wider. Heute erst hat die Europäische Zentralbank die Leitzinsen um 50 Basispunkte auf zwei Prozent gesenkt. Doch nicht nur mit Zinssenkungen haben die Geldpolitiker in den letzten Monaten versucht, den Geldmarkt wieder zu beleben, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet erst heute Nachmittag:

    "Unser wesentliches Ziel ist es, den Geldmarkt zu beleben und ihn wieder möglichst funktionstüchtig zu machen. Das war wesentliches Motiv für praktisch all unsere Entscheidungen, auch für die sehr mutigen, die wir seit Beginn der Finanzkrise getroffen haben. Wir haben uns vor kurzem entschieden, unseren Zinskorridor zu erweitern. Das wichtigste Ziel dieser Entscheidung war, die Banken soweit wie möglich zu drängen, ihre Transaktionen untereinander wieder aufzunehmen. Wir werden sehr genau die Volumina dieser Transaktionen am Interbankenmarkt verfolgen."

    Die Erweiterung des Zinskorridors bedeutet, dass die Banken für Einlagen, die sie über Nacht bei der EZB belassen, einen niedrigeren Zins bekommen als bisher. Auch damit will die EZB die Kreditvergabe an die Wirtschaft wieder ankurbeln, denn sie glaubt, anders als noch vor einigen Wochen, eine Kreditzurückhaltung zu erkennen. Die mangelnde Bereitschaft der Banken den Unternehmen Kredite zu geben, haben in den letzten Wochen sowohl Politik als auch Wirtschaft beklagt. In Deutschland hatte vor Weihnachten der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Matthias Wissmann, gemahnt:

    "Es darf nicht sein, dass gesunde Unternehmen mit einem hoch spezialisierten und einmaligen Produktportfolio in existenzielle Not geraten, weil Geschäftsbanken ihre Kreditvergaberichtlinien über die Maßen verschärfen oder gewährte Kredite mit erheblichen Zinsaufschlägen versehen."

    Auch aus anderen Branchen hört man Klagen, so sagte Lufthansa-Finanzvorstand Stephan Gemkow in einem Interview, die Kreditverknappung sei keine Befürchtung, sie sei Realität.
    Auch die IG-Metall glaubt Anzeichen für eine Zurückhaltung bei der Kreditvergabe zu erkennen. Deren Vorsitzender Bertold Huber meinte vor einigen Wochen:

    "Mit ihrem heutigen Geschäftsgebaren treiben sie die sogenannte Realwirtschaft immer tiefer in die Krise. Und ich will ausdrücklich sagen, ich halte das für einen Skandal."

    Der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker drohte in den letzten Tagen den Banken sogar mit "legalen Druckmitteln" der Staaten, wenn sie ihre Zurückhaltung bei der Kreditvergabe nicht aufgäben. Eine Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young unter 120 Kreditinstituten jedenfalls bestätigt diese Einschätzung des luxemburgischen Premier- und Finanzministers: Zwei Drittel von ihnen befürchten danach, dass die Kreditvergabe künftig restriktiver wird. Das kann bedeuten, dass die Anforderungen, die Sicherheiten für die Kreditvergabe steigen, es kann auch heißen, dass die Konditionen strenger werden. Die Sparkassen wiederum meinen, es sei eher die Zurückhaltung der Unternehmen, neue Kredite aufzunehmen - sie schieben den Schwarzen Peter also an die Wirtschaft zurück.
    Die Kreditinstitute sind auch deshalb vorsichtig, weil sie auch künftig mit hohen Belastungen rechnen müssen, denn ihr Umfeld ist immer noch sehr ungünstig, erläutert Professor Hartmann-Wendels:

    "Wir haben dann jetzt Zweitrundeneffekte dadurch, dass die Konjunktur eben doch ins Minus dreht und das bedeutet ja auch tendenziell wieder höhere Kreditausfälle, jetzt auch im Inland augrund nachlassender Konjunktur. Wir wissen nicht, wie sich der private Verbrauch entwickelt, und das kann ja auch wieder Ausfälle nach sich ziehen usw., dann kommt das Problem der Kreditkarten, dann ist das Problem, dass der Wohnungsbaumarkt in Spanien ja auf der Kippe steht, auch da sind deutsche Banken engagiert. Also insofern lauern noch enorme Risiken im Bankenbereich und das hemmt natürlich dann auch eben den normalen Kreditfluss vor allen Dingen auch der Banken untereinander."

    Und damit werden sie sich auch in den nächsten Wochen und Monaten schwer tun, die Wirtschaft angemessen mit Geld zu versorgen. Ein Teufelskreis, aus dem ein Entkommen nur schwer möglich ist, meint Bankenaufseher Jochen Sanio:

    "Solange diese Verunsicherung andauert, werden die Kapitalmärkte nicht richtig in Gang kommen. Und solange Banken nicht wieder mittel- und langfristige Gelder aufnehmen können, wird das internationale Finanzsystem in seinem Winterschlaf verharren und weiter von seinen Vorräten zehren, soweit es gut vorgesorgt hat."