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Vor 50 Jahren
Erster Giro-Titel für Eddy Merckx

Seine große Leidenschaft waren die schnurrenden Velos: Alles, was es im Radsport zu gewinnen gab, hat Eddy Merckx gewonnen. Unbändiger Siegeswille und aufreibender Fahrstil brachten ihm den Namen "Kannibale" ein. Mit dem Sieg beim Giro d’Italia 1968 nahm seine sportliche Karriere richtig Fahrt auf.

Von Eduard Hoffmann | 12.06.2018
    Weltmeister Eddy Merckx überquert am 1. Juni 1968 die Ziellinie in Brescia
    Weltmeister Eddy Merckx (Belgien) überquert am 1. Juni 1968 die Ziellinie in Brescia und holt sich damit den Sieg bei der achten Etappe des Giro dÁItalia (picture-alliance / dpa / UPI)
    "3913 Kilometer beträgt die Gesamtdistanz des 51. Giro. Und nach der Etappe Ravenna - Imola liegt immer noch Weltmeister Eddy Merckx vor seinem Stallkameraden Vittorio Adorni."
    Gut die Hälfte des Giro d’Italia 1968 hatten die Fahrer bereits absolviert. Dann, auf der zwölften Etappe, am schwierigen Berganstieg zu den drei Zinnen in den Dolomiten, hatte Eddy Merckx angegriffen. Bei eisiger Kälte, Schnee und Regen fuhr er mit einem furiosen Antritt allen Konkurrenten davon und sicherte sich das Rosa-Trikot des Spitzenreiters.
    Und bis zur Zieleinfahrt am 12. Juni in Neapel gab der 22-Jährige die Führung nicht mehr ab. Eddy Merckx ist der erste Belgier, der die seit 1909 stattfindende Italienrundfahrt gewinnt. Seine Karriere nimmt rasante Fahrt auf. Bis heute gilt er als weltbester Radrennfahrer.
    "Ich bin kein spezialer Mensch, ich bin Mensch wie ein anderer. Vielleicht hat Mutter Natur mir etwas mehr gegeben wie die anderen, aber ich denk, ich bin so gut geworden auch, viel gearbeitet hat, viel trainiert und immer ein gutes Leben gehabt habe."
    Kraftpaket mit unbändigem Siegeswillen
    Eddy Merckx wurde am 17. Juni 1945 geboren. Die Eltern hatten ein Lebensmittelgeschäft in einem Brüsseler Vorort. Eddy spielte Basketball, Tennis und Fußball. Doch seine große Leidenschaft waren die schnurrenden Velos. Nach der Mittleren Reife schmiss er die Schule und saß fast nur noch im Sattel. Er trainierte wie ein Besessener, gewann mit 16 Jahren das erste große Rennen. Taktik war für ihn ein Fremdwort. Immer angriffslustig konnte sich Merckx quälen wie kaum ein anderer. Bald wurde das 1,82 Meter große und 74 Kilo schwere Kraftpaket wegen seines unbändigen Siegeswillens und aufreibenden Fahrstils fast nur noch der "Kannibale" genannt.
    "Was Eddy Merckx von allen anderen unterschieden hat, ist der Ehrgeiz: Für ihn war selbst das kleinste Kriterium wichtig. Ein zweiter Merckx wird nicht kommen!", sagte sein langjähriger Konkurrent im Sattel und späterer Chef von Team Telekom Walter Godefroot.
    Bis heute unübertroffen
    1964 wird der 19-Jährige überraschend Straßenweltmeister der Amateure. Er wechselt ins Profilager und gewinnt ein Rennen nach dem anderen, Mailand - San Remo etwa oder den "Flèche Wallonne". 1968 dann erstmals den Giro d’Italia, den er trotz einer lebensbedrohlichen Herzerkrankung bestreitet, wie ein Journalist später herausfindet.
    Der Sieg bei der Tour de France im Sommer 1969 zeigt die Dominanz des Ausnahme-Athleten. Im Ziel hat der Belgier knapp 18 Minuten Vorsprung auf den Zweitplatzierten. Eddy Merckx gewinnt alles, was es im Profi-Radsport zu gewinnen gibt: Einzelrennen, große Rundfahrten und Klassiker, fünfmal alleine den Giro d‘Italia und fünfmal die Tour de France, insgesamt über 600 Rennen. Bis heute hat das kein anderer geschafft.
    Radsportikone bestreitet Dopingverdacht
    1969, 73 und 77 gerät die Ikone des Radsports unter Dopingverdacht. Aufputschmittel werden gefunden. Beim Giro d’Italia 1969 wird Merckx disqualifiziert. Seine Sperre wird aber wieder aufgehoben und er kann an der Tour de France teilnehmen. Auch die späteren positiven Tests bleiben folgenlos. Der Belgier bestreitet bis heute, gedopt zu haben, und vermutet Manipulationen.
    In Belgien noch heute ein Volksheld
    Umgerechnet über fünf Millionen Euro kassiert Merckx in 13 Profijahren, damals eine gigantische Summe. Dreimal wird er zum Weltsportler des Jahres gewählt, und der Weltverband UCI kürt ihn zum Radrennfahrer des 20. Jahrhunderts. Der verheiratete Vater von zwei Kindern bleibt aber stets bodenständig und volksnah.
    Seine Rennradfabrik, nach dem sportlichen Karriereende 1978 gegründet, hat Merckx inzwischen verkauft. Im Sattel sitzt der beste Radrennfahrer aller Zeiten aber immer noch regelmäßig. Während er früher sehr gerne bergauf gestrampelt sei, fahre er jetzt lieber auf ebenen Strecken.
    In Belgien ist Eddy Merckx noch heute ein Volksheld. Es gibt mehrere Denkmäler ihm zu Ehren, eine Brüsseler U-Bahn Station trägt seinen Namen und der König hat den außergewöhnlichen Sportler sogar in den Adelsstand versetzt.