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Vor zehn Jahren tritt Ministerpräsident Berlusconi zurück

Auf erheben wir uns

Von Dietmar Polaczek |
    die Zukunft ist offen treten wir in sie ein
    und deine Hände mit meinen Kräften vereint
    um uns größer zu fühlen - groß...

    So beginnt die "Hymne" von Silvio Berlusconis Bewegung "Forza Italia". Der Besitzer und frühere Präsident der Fußballmannschaft Milan übertrug den Schlachtruf der Fans, "Forza Milan", also ungefähr "Hoppauf, Milan" in die Politik. Zur Schmalzmelodie von Renato Serio kam der Text eines "anonymen Italieners", wie es offiziell heißt. Der Unbekannte, sagen Literaturwissenschaftler, ist wohl der Werbedichter Silvio Berlusconi.

    Berlusconi ist der seltsamste Regierungschef Europas nach 1945. Vor gut zehn Jahren, am 28. März 1994, geschah ein Wunder. Der Unternehmer und politische Neuling gewann die Parlamentswahl. Mit ihm wurde Forza Italia, die es als Partei noch gar nicht gab, nur als lose Sammlung von Clubs, organisiert wie Fußball-Fans, die stärkste Fraktion - ein Erdrutsch, in mancher Hinsicht vergleichbar dem in Deutschland 1933. Doch schon am 22. Dezember 1994 verkündete Ministerpräsident Berlusconi, seine Aufrichtigkeit zwinge ihn, seinen Rücktritt zu erklären.

    Die föderalistische, fremdenfeindliche Lega Nord war aus der Regierungsallianz ausgeschert. Berlusconi schien am Ende, nicht nur politisch. Sein Konzern, die Fininvest, stand knapp vor dem Bankrott, in Prozessen war er wegen Korruption und Bilanzfälschung, Geldwäsche und Mafiaverstrickung angeklagt.
    Der linkskatholische Europa-Abgeordnete Leoluca Orlando, davor als Bürgermeister Palermos Bekämpfer der Mafia, kommentierte das so:

    Erinnern wir uns: Berlusconi war in den siebziger Jahren vom Entertainer zum Baulöwen aufgestiegen und verfügte plötzlich über viele Milliarden Lire aus ungeklärten Quellen. Mit Mediaset wurde er größter privater Fernsehanbieter, Ministerpräsident Bettino Craxi ließ ihm ein Fernsehgesetz maßschneidern. Aber Craxi wurde im Zug der Mailänder Prozesse "Mani pulite" 1992 wegen Korruption angeklagt, floh 1993 nach Tunesien und wurde 1996 verurteilt. Berlusconi ging in die Politik, um sich nach Verlust des Schutzheiligen selber zu schützen. Die Kurzsichtigkeit der Mitte-Links-Parteien half Berlusconi bei der Sanierung. Der Rücktritt von 1994 bedeutete weder das politische Aus noch das Ende der Unternehmerkarriere, nur das Ende der politischen Lehrlingszeit. 2001 feierte er glanzvoll seine politische Auferstehung. Er gewann mit populistischen Versprechungen, Musik und viel Charisma erneut die Wahl und macht sich seither die Gesetze selber. Aber die Italiener beginnen aufzuwachen. Es kriselt um Berlusconi; das Wunder eines dritten Wahlsiegs wird immer unwahrscheinlicher.