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Vorauseilender Gehorsam
Warum aus "Google" "Alphabet" wird

Mit einem neuen Namen und einer veränderten Konzernstruktur sorgt Google für Aufregung. Ein Grund könnte sein, möglichen Kartellverfahren in der EU zuvor zu kommen. Doch es deuten sich noch andere Gründe an.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering |
    Google-Logo auf der Seite der Suchmaschine
    Aus Google wird der Konzern "Alphabet". (dpa / Jens Büttner)
    Manfred Kloiber: Montagabend überraschte das Google-Management mit einer massiven Umstrukturierung und mit einem neuen Namen – aus Google wird Alphabet. Google steht dann nur noch für Unternehmensbereiche, die in der Alphabet-Holding in Zusammenhang mit der Suchmaschine und ihrem Werbegeschäft geführt werden. Also den Kartendienst Google Maps, die Videoplattform Youtube, den E-Mail-Provider Gmail, und das Betriebssystem Android mitsamt der App-Entwicklung. Wofür steht dann Alphabet, Peter Welchering?
    Peter Welchering: Alphabet ist die Dach-Gesellschaft, die Unternehmensholding. Die hat einen hochprofitablen Teil, nämlich die Suchmaschinen mit den angedockten Bereichen. Und sie hat einen zukunftsträchtigen Teil, der zur Zeit hohe Investitionen erfordert, wie das selbstfahrende Auto, die Life-Sciences-Aktivitäten, die unter anderem Kontaktlinsen entwickeln, die den Blutzuckerspiegel messen, das Bio-Tech-Unternehmen Calico, die Forschungsgruppe X. Und auf soliden finanziellen Beinen stehen der Thermostathersteller Nest und die bisherigen Google-Investment-Unternehmen. Diese Unternehmen werden also alle unter dem Dach der Alphabet-Holding geführt.
    Kloiber: Die Ankündigung kam für viele überraschend. Was steckt denn dahinter, welche Motive gibt es für die Einrichtung einer Holding-Gesellschaft?
    Welchering: Die Holding kam tatsächlich überraschend. Zuvor gab es immer wieder Diskussionen, dass Google sich in zwei oder drei Unternehmen aufspalten könne. Vor allen Dingen vor dem Hintergrund der kartellrechtlichen Untersuchungen der EU-Kommission ist diese Diskussion ja geführt worden. Da haben Wirtschaftspolitiker und Juristen ja schon ziemlich laut über eine Zerschlagung des Google-Konzerns nachgedacht. Und diesen Überlegungen hat das Google-Management mit der Holding Alphabet den Wind aus den Segeln genommen. Denn die einzelnen Unternehmen werden ja dann jeweils selbstständig geführt, nur unter dem Dach einer Holding.
    Kloiber: Aber die klassischen Geldbringer bleiben ja noch im Unternehmensteil namens Google als einem Bereich der Holding.
    Welchering: Ja, das wird spannend, ob das so bleiben wird. Es gab da Google-intern die Diskussion, den gesamten Android-Bereiche mit der Applikationsentwicklung herauszunehmen. Immerhin soll der Android-Bereich als selbstständiger Bereich geführt werden. Das Motiv dafür liegt in der Kritik, die die freien Android-Entwickler immer wieder geäußert haben. Und das hat vor allen Dingen im Juni doch für erhebliche Unruhe gesorgt. Denn auf das Vertrauen der freien Entwickler ist Google massiv angewiesen.
    Kloiber: Was haben die freien Entwickler da kritisiert?
    Welchering: Dass Android als Open Source verliert. Und dass sie nicht für einen Thermostathersteller Nest Apps entwickeln wollen oder für die Lifesciences-Töchter, sondern für Android. Android drohte den Entwickler zufolge, zu stark im Gesamtkonzern vereinnahmt zu werden. Und deshalb gab es eine Absetzbewegung einiger Entwickler, und vor allen Dingen der Entwickler, auf die Google angewiesen ist. Zunächst hat Google mit Druck darauf reagiert. Also immer mehr Features für die Android-Entwicklung wurden in Google Services eingebaut. Die Überlegung des Google-Managements dabei: Dann binden wir die Entwickler an Google, und sie können nicht unabhängig von Google Android-Applikationen entwickeln. Aber das ist schief gegangen. Die Entwickler haben sich da durchgesetzt.
    Kloiber: Wie konnten die diese Abhängigkeit von Google Services durchbrechen?
    Welchering: Weil Microsoft, Sony und Intel ihnen geholfen haben. Diese IT-Unternehmen stellen mittlerweile Entwicklerwerkzeuge und Plattformen für Android bereit, die fast so wichtig werden wie die von Google.
    Kloiber: Und was erwarten sich Microsoft, Sony & Co davon?
    Welchering: Vor allen Dingen einen Fuß im Automobilbereich. Denn da erwartet man das große Geld. Für den Herbst haben 35 Automarken angekündigt, dass ihr KFZ-Betriebssystem Android-M heißt. Da können unabhängige Entwickler und deren Support-Unternehmen, wie Microsoft oder Intel gutes Geld verdienen. Und das hat Google noch mal unter Druck gesetzt. Als dann auch noch Audi, BMW und Daimler nicht nur den Nokia Kartendienst gekauft haben, sondern auch eine regelrechte Charme-Offensive für Android-Entwickler gefahren haben, war dem Google-Management klar: Sie müssen etwas für dieses Automobilgeschäft tun.
    Kloiber: Welchen Vorteil bietet da die Gründung einer Holding?
    Welchering: Androi-M als Betriebsystem für Navigation und Unterhaltungssystem im Auto hieß bisher: Google Maps als Kartendienst. Nun haben Audi, BMW und Daimler ihren eigenen Kartendienst, wären also für Google nach der alten Struktur verloren. Die Holding bietet da mehr Möglichkeiten. Die Automobilhersteller suchen sich aus, mit welchem Unternehmen der Holding sie ihr Geschäft machen wollen. Wenn da der Android-Bereich und die Forschungs-Labs dabei sind, aber Maps, der Kartendienst, eben nicht, ist das für eine Holding kein Problem. In der alten Struktur wäre das ein Gesichtsverlust gewesen.