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Wahlfreiheit bringt höhere Kosten

Gesunden wie Kranken bringt das neue Jahr eine Gesundheitsreform. Dazu gehören höhere Beiträge zu den gesetzlichen Kassen - und mehr Wahlfreiheit bei Medikamenten. Mehrkosten für ein teureres Medikament muss der Patient selbst tragen.

Von Tonia Koch | 30.12.2010
    Die Apotheken sind über die neu gewonnene Freiheit ihrer Kunden nicht sonderlich glücklich. Auf dem Papier sähe das alles ganz toll aus, sagt Michael Pohl stellvertretender Vorsitzender der Apothekerkammer des Saarlandes:

    "Im neuen Gesetz ist es jetzt nun so, dass in dem Falle, indem der Patient das Rabatt-Arzneimittel ablehnt, wir die Möglichkeit haben, dem Patienten zu sagen: Lieber Patient, Du kannst eine Firma Deiner Wahl aussuchen, Du musst aber dieses Arzneimittel bezahlen, in Vorlage treten. Und mit der von uns ausgestellten Quittung geht der Patient dann zur Krankenkasse und bekommt dann das Geld zurück. Das ist Gesetzestext."

    Die Crux daran sei jedoch, so Pohl, dass niemand wisse, wie viel die Krankenkasse tatsächlich auf Vorlage des Kassenbeleges erstatte.

    "Er wird in keinem Fall den gesamten Betrag erstattet bekommen, sondern nur einen gewissen Teil. Warum? Weil ja die Krankenkasse auch einen Rabattvertrag mit einer anderen Firma hat und nicht bereit ist, den Patienten mehr zu bezahlen, als sie selbst für das Rabattarzneimittel zu zahlen hätte."

    Da die zwischen Hersteller und Krankenkasse ausgehandelten Rabattverträge geheim sind, kann kein Apotheker einem Patienten sagen, wie viel er selbst tragen muss, wenn er von seiner Wahlfreiheit Gebrauch macht. Der Apotheker kennt lediglich die tatsächlichen unrabattierten Preise, die er auch in Rechnung stellt und diese schwanken je nach Hersteller des gleichen Wirkstoffes beträchtlich.

    Andererseits lässt das Gesetz den Krankenkassen gar keine Möglichkeiten, den gesetzlich Versicherten den vollen Preis zu erstatten, weil das die bestehenden Rabattverträge ad absurdum führen würde. Deshalb muss der Versicherte für die Differenz selbst tragen.

    Allerdings wollen die Kassen nicht für jedes einzelne Medikament eine Rechnung aufmachen, sondern werden wohl mit Pauschalen arbeiten, um den Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten. Axel Mittelbach, Sprecher des Verbandes der Ersatzkassen für Rheinland-Pfalz und das Saarland:

    "Das heißt, die einzelne Krankenkasse weiß, was sie in etwa durch die Rabattverträge spart, und wird dann diesen Prozentsatz wahrscheinlich aufschlagen, sodass der Patient einen bestimmten Prozentsatz zusätzlich zahlen muss plus eine Verwaltungsvergütung, weil das ja auch sehr viel Arbeit für die Krankenkasse macht, das extra zu berechnen. Von daher bleibt dann doch einiges für den Patienten an Zuzahlungen zusätzlich zu der gesetzlichen Zuzahlung."

    Ob ein Patient auf 20 ,30 oder 50 Prozent seiner Medikamentenkosten sitzen bleiben wird, hängt neben den Rabattverträgen auch davon ab, wie viele Versicherte diese neuen Wahl-Möglichkeiten nutzen werden. Denn sind es viele, steigen auch die Kosten für den Verwaltungsaufwand, und diese werden von den Versicherungen auf ihre Patienten abgewälzt.

    Am einfachsten sei es für den Patienten daher, er verständigt sich mit seinem Arzt, sagt Apotheker Pohl. Denn ein Arzt kann per Rezept einen Apotheker binden. Mit der sogenannten "aut-idem-Regel" kann er ausschließen, dass ein Apotheker ein wirkstoffgleiches Arzneimittel an seinen Patienten abgibt.

    "Dieses Kreuz bedeutet für uns und für die Krankenkasse und für den Patienten, dass der Arzt damit ausdrückt, dass der Patient nur das bekommt, was da steht. Diese Möglichkeit hat der Arzt."

    Im eigenen und im Interesse ihrer Kunden werden die Apotheken den Patienten ab kommender Woche daher raten, mit ihrer neuen Wahlfreiheit bei Medikamenten äußerst zurückhaltend umzugehen.