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Wahlkampfauftakt der PARTEI
Somuncu meint es ernst

Erdogan-T-Shirts für die Besucher und Versprechen für die Wähler: Mit großem Rummel hat die PARTEI ihr Schattenkabinett in Berlin vorgestellt. Die Truppe um den Spitzenkandidaten und Komiker Serdar Somuncu will in den Bundestag – und gibt sich siegessicher.

Von Benjamin Dierks | 24.08.2017
    Das Schattenkabinett der Partei "DIE PARTEI" wird in Berlin vorgestellt und hat sich nebeneinander aufgestellt.
    Das Schattenkabinett der PARTEI v. l. n. r.: Der Musiker Wolfgang Wendland, der Aktivist und Satiriker Shahak Shapira, der Kabarettist und PARTEI-Spitzenkandidat Serdar Somuncu, und Martin Sonneborn, Europaparlamentarier. (dpa / Gregor Fischer)
    Wie es sich für eine ernstzunehmende halbseidene Partei gehört, läutet Martin Sonneborn, Bundesvorsitzender der Partei, den Wahlkampfauftakt mit einer billigen Agitprop-Aktion ein.
    "Ja ich gehe hier gerade durch die Kampa, die Kampa haben wir uns von der SPD abgeschaut damals. Und wir verteilen hier heute T-Shirts, die ich aus den Mitteln des EU-Parlaments habe produzieren lassen."
    Mit einem Karton baut sich der einstige Titanic-Chefredakteur und derzeitige Europaabgeordnete vor der Wahlkampfzentrale in Berlin-Kreuzberg auf. Er trägt einen grauen Anzug mit roter Krawatte, das Erkennungszeichen der Partei. Dazu einen grauen Arbeitskittel. Die T-Shirts reicht oder wirft er in die Menschentraube, die sich vor ihm gebildet hat.
    "Ein L, bitteschön! Ein S? Für wen ist das S? Tragt ihr das auch in Kreuzberg hier?"
    Bedruckt sind die T-Shirts mit einem Slogan, der den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von einem bösen Vorwurf in Schutz nehmen soll.
    "Erdogan ist kein Ziegen…"
    Musiker, Satiriker und ein Kriminalbiologe bilden das Schattenkabinett
    Hier müssen die Worte des Parteivorsitzenden wegen ihrer drastischen Natur unterbrochen werden. Sonneborn will sich mit den T-Shirts bei Erdogan für seine Wahlkampfhilfe bedanken. Der türkische Präsident hatte die türkischstämmigen Wähler in Deutschland aufgefordert, bei der Bundestagswahl nicht für die Union, die SPD oder die Grünen zu stimmen. Die T-Shirts reichen nicht annähernd für die Leute, die sich vor dem etwas mitgenommenen Ladenlokal versammelt haben, das die Partei zu ihrer Kampa erkoren hat.
    Kurz darauf ertönt im Musik im Hinterzimmer. Das Schattenkabinett der Partei hält Einzug. "Die Partei hat immer recht", tönt es aus den Boxen, während Sonneborn sich mit seiner Truppe niederlässt.
    "Die Partei DIE PARTEI, die greift nach der Macht in diesem Land. Wir veranstalten eine Bundestagswahl am 24. September, die möchten wir sehr gerne gewinnen, deswegen haben wir ein Schattenkabinett aufgestellt. Bitte begrüßen Sie hier mit mir unseren Kanzlerkandidaten Serdar Somuncu mit einem kleinen Applaus."
    Neben dem Kabarettisten, der gerne Kançler – mit türkischem C – werden will, sitzen mit am Tisch der Kriminalbiologe Mark Benecke, vorgesehen als Minister für Tattoos und Verwesung, Wolfgang Wendland, Musiker der Punkband "Die Kassierer" und Atomminister im Fall eines Wahlsiegs der Partei, der aus Israel stammende Satiriker Shahak Shapira, ab zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, sowie eine einzige Frau:
    "Natascha ist eine heiße Russin, die für Osteuropa-Angelegenheiten zuständig sein wird im ersten Kabinett Somuncu. Sie kann auf russisch sagen 'Die Partei ist sehr gut und Wirtschaftssanktionen sind sehr schlecht'"
    Sonneborn und Somuncu geben sich siegessicher
    Mit diesem Team sieht Sonneborn sich für die anstehende Wahl gut aufgestellt.
    "Wir sind genauso siegeszuversichtlich wie die SPD, wir versprechen den Leuten aber mehr."
    Diese Versprechen vorzustellen, fällt dem Kanzlerkandidaten Serdar Somuncu zu, der als Direktkandidat im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg antritt.
    "Ich muss vorweg sagen, unser politischer Gegner ist nicht die AfD. Auch wenn viele das denken. Es gibt auch sehr feine Leute in der AfD, und die Gewalt geht hier von beiden Seiten aus, sowohl von uns als auch von der AfD."
    Und obwohl Parteivorsitzender Sonneborn sich gerade noch für die Wahlkampfhilfe des türkischen Präsidenten Erdogan bedankt hatte, macht Somuncu ihn nun als Hauptgegner der Partei aus.
    "Wir werden unmittelbar nach der Machtergreifung sämtliche Verhandlungen mit der Türkei über einen DFB-Beitritt beenden und stattdessen Verhandlungen aufnehmen mit Armenien für eine EU-Mitgliedschaft."
    Es zeichnet sich also offenbar einiger Zwist innerhalb der Partei zwischen Vorsitzendem und Kanzlerkandidat ab. Nach der Wahl wird es turbulent werden, da redet Serdar Somuncu nicht lange um den heißen Brei herum.
    "Denn auch nach der Wahl wird es bei uns einen kleinen Putsch geben, angeführt von Martin Sonneborn, den ich niederschlagen werde. Der sogenannte 'Sonneborn-Putsch', und danach kurzerhand ermächtige ich mich und da habe ich prominente Beispiele aus der Türkei, dieses Land in Frieden, Freiheit und Wohlstand zu ruinieren."
    Nach der Wahl will der Spitzenkandidat durchgreifen
    Wie Somuncu überhaupt grundsätzlich aufräumen will, wenn er die Möglichkeit bekommt.
    "Ferner wollen wir, dass alle gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften in ihre Heimatländer zurückgeführt werden, und zwar ohne Wenn und Aber. Es ist genug mit Toleranz, es ist genug mit Duldung in diesem Land und wir haben nun weiß Gott sehr viele gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in Deutschland aufgenommen. Wir sind da an den Grenzen unserer Möglichkeiten angekommen. Die Ehe für Asis wird auch abgeschafft, und zwar genauso radikal und prompt wie alle anderen Punkte, die wir umsetzen werden."
    Da ist es natürlich kein Wunder, dass die Wettbewerber der anderen Parteien sich auf einiges gefasst machen.
    "Unsere politischen Gegner haben schon gefragt, ob wir nicht unsere Kandidatur zurückziehen, weil sie sich tatsächlich bedroht fühlen von dieser immensen, von dieser Gewalt, von dieser Kraft, die ausgeht von der Partei und von mir."
    An einem scheint nach diesem fulminanten Wahlkampfauftakt kein Zweifel zu bestehen: Mit der Partei muss gerechnet werden.