Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Warnstreiks im öffentlichen Dienst
Viel Verständnis für die Streikenden

Warnstreiks im öffentlichen Dienst haben vielfach vor allem den Nahverkehr lahmgelegt, so etwa in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Im Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen betrafen die Arbeitsniederlegungen nicht nur Busse und Bahnen, sondern auch Kitas, Müllabfuhr oder Bürgerämter.

Von Olaf Biernat | 20.03.2018
    Beschäftigte im Öffentlichen Dienst streiken vor dem Siegener Kreishaus am 20.03.2018. Frau mit Trillerpfeife im Mund, Warnstreik Ver.di am 20.03.2018 in Siegen/Deutschland.
    Beschäftigte im Öffentlichen Dienst streiken vor dem Siegener Kreishaus am 20.03.2018. (imago / Rene Traut)
    Mit Trillerpfeifen und Plakaten stehen Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes auf einem Platz in der Essener Innenstadt. Die Gewerkschaft Verdi schwört die Beschäftigten von Kommunen und Bund auf die Tarifauseinandersetzung mit den Arbeitgebern ein:
    "Wir können auch größere Plätze füllen, wenn die Arbeitgeber das wollen und wir schaffen es, noch mehr Betriebe lahmzulegen, wenn die Betreibe das wollen. Von daher gesehen sollten die jetzt endlich mit 'nem Angebot rüberkommen - und zwar ein anständiges Angebot, was auch wirklich ein Angebot ist, was wir annehmen können. Und das heißt: 200 Euro, sechs Prozent und die Forderungen, Forderungen der Kollegen aus dem Jugendbereich."
    Mehrere tausend Mitarbeiter allein in Essen
    Allein in Essen sind mehrere tausend Mitarbeiter auf der Straße. Auf Plakaten ist zu lesen "Wir verkaufen uns nicht länger unter Wert". Selbst Auszubildende wie Martin Barth haben klare Forderungen:
    "Wir wollen mehr Urlaub in der Ausbildung, wir wollen ein besseres Gehalt in der Ausbildung. Wir streiken halt, um die Ausbildungskonditionen bei uns zu verbessern. Zum Beispiel wir als Auszubildende, wir haben weniger Urlaub als die Festangestellten und wir wollen halt gleichgestellt werden."
    "Das ist ätzend"
    Unter dem Warnstreik leiden vor allem die Bürger. Große Bereiche des öffentlichen Lebens sind lahmgelegt. Besonders betroffen: das Ruhrgebiet. Vor allem im Nahverkehr geht in vielen Städten nichts mehr. Keine Busse, keine U-Bahnen, keine Straßenbahnen. Viele Fahrgäste haben an den Haltestellen vergeblich gewartet:
    "Ich habe jetzt gerade erst gelesen hier. Ich muss jetzt zu Fuß hier bis nach Barmen laufen, das sind vier Kilometer. Das ist ätzend."
    "Ich war jetzt 'ne Woche krank zu Hause und hab nicht so richtig Nachrichten verfolgt und war jetzt total überrascht. Ich war jetzt auch selber Schuld, dass ich mich gar nicht informiert habe."
    "Meine Arbeitskollegin holt mich hier ab, ja, ist 'n Umweg für sie, ein Umweg für mich. Ich friere heute morgen hier, aber man muss durch."
    400 Kilometer Stau allein in NRW
    Viele Arbeitnehmer weichen bei dem Winterwetter auf das Auto aus. Die Folge: lange Staus auf den Autobahnen. In ganz Nordrhein-Westfalen summierten sich die Staus am Morgen auf rekordverdächtige 400 Kilometer.
    "Es war voll hier auf den Straßen, ziemlich voll. Was anderes konnten wir nicht machen, mussten warten, lange warten auf den Straßen."
    Andere Arbeitnehmer versuchen, mit S-Bahnen zur Arbeit zu kommen, denn die fahren. In Städten wie Essen, Bochum oder Dortmund sind deutlich mehr Menschen auf ihren Fahrrädern unterwegs, trotz einer leichten Schneedecke und Minustemperaturen.
    "Ich war vorbereitet, hab dementsprechend mein Fahrrad ausgemottet, frühzeitig, und bin so schön ordentlich zur Arbeit, zumindestens zum Bahnhof gekommen."
    "Dass das Wetter so schlecht ist, kann ja keiner ahnen, insofern muss man da durch."
    "Bin mit dem Taxi hergekommen, hab aber die Leute an den Haltstellen gesehen, die jetzt auf ihre Bahnen warten oder die keine Ahnung haben. Oder die Leute, die jetzt hier hochkommen - das tut mir schon ein bisschen leid.
    Gutes Geschäft für Taxifahrer
    Taxifahrer reiben sich die Hände. Für sie ist dieser Warnstreik-Tag ein gutes Geschäft:
    "So ein Tag, das ist der beste Tag für uns, auf jeden Fall. Wo kein Bus und keine Bahn fährt. Der Bahnhof ist ja leer jetzt. Normalerweise ist es rappelvoll. Bis jetzt läuft einwandfrei für uns."
    Auch Mitarbeiter der Müllabfuhr oder in Bürgerämtern streiken, genauso wie Erzieherinnen in städtischen Kitas. Einige Kindergärten haben deshalb Notgruppen eingerichtet, aber bei weitem nicht alle. Viele Eltern müssen sich extra einen Tag frei nehmen:
    "Ja, angefressen ist man immer natürlich. Natürlich hat man auch Verständnis, man ist selber Arbeitnehmer. Und wenn von selber nichts passiert, dann muss man halt auf die Straßen gehen."
    Viele haben Verständnis für Streikenden
    Auch wenn viele Menschen unter den Auswirkungen des Warnstreiks leiden, haben die meisten jedoch Verständnis für die Arbeitnehmer. Denn sie leisteten viel und hätten ein Recht auf mehr Geld:
    "Wenn's nur ein Tag ist, ist ok, aber wenn's mehrere Tage werden oder wenn's nächsten Monat erneut Streik gibt, was ja zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen ist, dann wird's wieder ärgerlich, ne."
    Die Gewerkschaft Verdi ist bislang mit der Resonanz an diesem Warnstreiktag zufrieden. Mehr als 20.000 Arbeitnehmer haben allein in NRW daran teilgenommen. Zum Feierabendverkehr dürfte es auf den Straßen wieder sehr voll werden, denn Busse und Bahnen bleiben heute in den betroffenen Städten den gesamten Tag in den Depots. Morgen werden die Streiks in anderen Städten fortgesetzt, unter anderem in Köln und Düsseldorf.