Archiv

Weihnachten
Wenn die Stimmung kippt

Weihnachten ist besinnlich, Weihnachten ist so harmonisch, Weihnachten ist schön - man muss sich einfach freuen. Oder nicht? Eleonora Pauli ist ein absoluter Adventsmensch. Vor Heiligabend hat sie aber wie jedes Jahr ein bisschen Bammel.

Von Eleonora Pauli |
    Smoking oder Pyjama. Zumindest diesen kleinen Weihnachts-Streit gibt es bei mir und meinen Eltern jedes Jahr.
    - "Na, hast Du Dich wieder schick gemacht?"
    - "Weihnachten feiert man mit Stil."
    - "Papa, komm schon, wir sind nur zu dritt, das ist doch voll übertrieben."
    Was nach Kabarett klingt, ist gar nicht witzig. Es ist der Anfang eines potenziellen Hyper-Mega-Streits - der scheinbar die Altlasten des gesamten vergangenen Jahres in sich trägt. An den Feiertagen wird also mal gegrummelt, mal geschrien, mal geheult. Nicht nur bei uns. Warum ist an Weihnachten eigentlich so oft der Wurm drin? Vielleicht kann mir das Katinka Unger erklären - sie ist Familientherapeutin.
    "Na, Weihnachten ist schon mal das Fest der Liebe, dazu kommt, dass Weihnachten auch noch das Fest der Familie ist, und wenn das beides funktionieren soll, in einem Topf - dann ist das eine explosive Mischung."
    Dazu kommen die verschiedenen Stile, Weihnachten zu feiern. So wie bei uns das mit dem Smoking. Und mit der Krippe. Mein Vater findet: im Smoking auf dem Boden kriechend kleine Figuren aufstellen geht gar nicht. Meine Mutter findet: Die Krippe stinkt jedes Jahr mehr nach Keller. Ich finde: Die Krippe gehört dazu - haben wir doch immer so gemacht. Dinge immer gleich machen das scheint zu helfen beim Freuen und beim Frieden:
    "Traditionell Gans oder Ente. Kartoffelsalat und Würstel. Bratwurst und Sauerkraut. Bei uns gibt es immer gibt es immer Dosenravioli."
    Dann können nur noch der Dosenöffner kaputtgehen, die Gans zu trocken werden oder die Klöße zerfallen. Außer es kommen andere Essensbedrohungen ins Spiel: Jemand könnte beispielsweise an einem Hörfunkbeitrag über Heiligabend arbeiten und dabei auf eine schlimme Doku stoßen:
    "Früher teurer Festtagsschmaus, heute in jedem Discounter billig zu haben!"
    Wer so kurzfristig wie ich zur partiellen Gans-Vegetarierin wird und die Essenstradition für den ersten Weihnachtsfeiertag infrage stellt, setzt damit den ritualisierten Friedensversuch in Gefahr. An Heiligabend aber ist bei uns kulinarische Ruhe angesagt: Da gibt es - natürlich stilecht - Räucherfisch. Bestimmt aus nachhaltigem Fang und mit glücklich-unüberfischten Makrelen. Alles ganz toll machen wollen, das geht eben oft nach hinten los. Besonders wenn das Umfeld es nicht goutiert. So wie damals als Onkel Bruno sich als Weihnachtsmann verkleidete und ich mich freuen sollte: "Komm, sag dem Weihnachtsmann hallo! Neeeeiiiinnn Mammaaaaaa!"
    Das wurde zum Glück keine Tradition. Bei uns kommt das Christkind. Das Christkind ist Papa, und da ich ihn in dieser Rolle nicht sehen darf, finde ich ihn auch nicht so gruselig.
    Gruselig wird mir allerdings bei dem Gedanken an Geschenke. Deswegen haben wir uns dieses Jahr - wie jedes Jahr - hoch und heilig versprochen, dass es keine Geschenke geben wird - wir haben doch uns! Aber wenn das Glöckchen klingelt, gilt es bestimmt trotzdem wieder, drei Dinge unbedingt zu verhindern.
    "Ohhh, das ist aber schön - hmm, das habe ich aber schon..tut mir sehr leid!"
    "Oh..das ist..ja...danke..ja, hmm schön, ja das gefällt mir wirklich gut (not)"
    "(Oh...Danke. Hmmm. Wir hatten doch gesagt...Oh Mann, wieso macht ihr sowas?"
    Weihnachten, das Fest der Schuld. Und schon wieder gibt es Streit. Aber natürlich gibt es auch gute Geschenke. In Pyjama und Smoking mit den Eltern auf dem Sofa sitzen und Nüsse knacken zu Beispiel. Aber hören Sie das? Das ist die größte Weihnachts-Katastrophe - schlimmer als verkohlter Rosenkohl oder Hypermegastreit.
    Das ist ein brennender Weihnachtsbaum. Und den sollte man - Spaß beiseite -wirklich vermeiden. Mein Vater kennt das sehr gut. Als er noch ein Kind war, brannte mal der Adventskranz ab - so schnell, dass er bis heute den größten Respekt vor fackelndem Nadelgewächs hat. Meine Mutter steht ohnehin auf Sicherheitsvorkehrungen. So werden wir heute Abend wie jedes Jahr mit Smoking und Pyjama um den Baum sitzen - neben unseren drei Wassereimern - blau, grau, orange. Und Weihnachten feiern - ganz stilecht eben.